Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat dem Kläger die mit S 10.808,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 720,75 Umsatzsteuer und S 2.880,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 14. September 1981 als Beifahrer in dem von Karl A*** gelenkten Lastkraftwagen seines Dienstgebers, der Firma W***, dadurch schwer verletzt, daß dieses Fahrzeug auf der Bundesstraße 309 in Harterding mit einem entgegenkommenden, von Franz H*** gelenkten Sattelschlepper zusammenstieß. In der Klage wird behauptet, Karl A*** sei wegen eines vorschriftswidrig einbiegenden PKW der Marke Rover, dessen Lenker und Daten unbekannt geblieben seien, instinktiv auf die linke Fahrbahnseite ausgewichen. Da Karl A*** dem Kläger gegenüber die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zugekommen sei, könne letzterer gemäß § 333 Abs 4 ASVG von Lenker und Halter keinen Schadenersatz verlangen. Für Franz H*** habe der Unfall nach den Ergebnissen des Verfahrens 4 Cg 190/83 des Kreisgerichtes Ried ein unabwendbares Erengnis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG dargestellt, sodaß auch auf dieser Seite keine Haftung für die Schäden des Klägers bestehe. Somit sei eine Haftung nur hinsichtlich des unbekannt gebliebenen, vorschriftswidrig einbiegenden PKW der Marke Rover gegeben. Für diesen habe die beklagte Partei im Sinne des Gesetzes über den erweiterten Schutz für Verkehrsopfer einzustehen. Demgemäß begehre der Kläger ihre Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 230.000, eines Verdienstentganges von S 19.056,20 sowie von Besuchs- und Fahrtkosten von insgesamt S 4.000. Weiters stelle er ein Feststellungsbegehren, wonach ihm die beklagte Partei für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall im Rahmen des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer zu haften habe. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie bestritt die Beteiligung eines unbekannt gebliebenen PKW am Unfallsgeschehen und behauptete, gegenteiligenfalls treffe Karl A*** das Verschulden am Unfall, weil er diesen PKW zu überholen versucht habe, statt seine Geschwindigkeit herabzusetzen. Karl A*** sei nicht die Funktion eines Aufsehers im Betrieb zugekommen. Das Gesetz über den erweiterten Schutz von Verkehrsopfern sei nur subsidiär anwendbar, ein Feststellungsbegehren lasse es überhaupt nicht zu, Ersatz von Sachschäden, wozu Fahrtkosten zählten, seien ebenfalls ausgeschlossen. Die gestellten Ansprüche erschienen auch überhöht. In dem gegen die beiden Lenker Karl A*** und Franz H*** wegen des Unfalles geführten Strafverfahren U 298/81 des Bezirksgerichtes Mauerkirchen erfolgten rechtskräftige Freisprüche. Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von S 202.120 s. A. zu und wies das Leistungsmehrbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die beklagte Partei eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Dem erstgerichtlichen Urteilsspruch liegt folgender, in zweiter Instanz unbekämpft gebliebener, Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, der seit mehreren Monaten bei der Firma W***, Eisengroßhandlung in Schärding, beschäftigt und dabei überwiegend als Beifahrer eingesetzt worden war, wurde am 14. September 1981 wiederum als Beifahrer - er selbst hatte keinen Führerschein - dem seit mehr als 13 Jahren dort als Kraftfahrzeuglenker tätigen Karl A*** zugeteilt. Dieser erhielt jeweils die Lieferscheine, stellte sodann die Fahrtrouten zusammen, holte die Unterschriften auf den Lieferscheinen ein, führte mit den Kundschaften Gespräche und nahm auch Retourware entgegen. Im Laufe eines Tages wurden oft bis zu 30 Kundschaften besucht und dabei auch für die Firma W*** Waren entgegengenommen, für deren Entgegennahme und Kontrolle Karl A*** verantwortlich war. Am genannten Tag fuhr dieser im Zuge der Auslieferungstätigkeit mit einem LKW, für welchen eine Bauarthöchstgeschwindigkeit von 70 km/h galt, auf der Bundesstraße Nr. 309 in Richtung Altheim. Im Ortsgebiet von Harterding mündet in diese Bundesstraße - in der Fahrtrichtung des A***
gesehen - von rechts die Bundesstraße 142 ein, wobei ersterer Straße der Vorrang zukommt. Der Gesamtbereich ist aus der Fahrtrichtung des A*** gesehen auf einer Strecke von mindestens 600 m übersichtlich. Karl A*** hielt bei seiner Annäherung an die Kreuzung zunächst eine Fahrgeschwindigkeit von 76 km/h ein, bremste dann auf 72 km/h ab und begann schließlich wieder "leicht zu beschleunigen". Als er sich 4,6 bis 4,8 Sekunden vor dem Unfall ca. 92 bis 96 m von der späteren Unfallsstelle entfernt befand, begann ein auf der Bundesstraße 142 mit etwa 20 km/h Fahrgeschwindigkeit herannahender roter PKW der Marke Rover in die Bundesstraße einzufahren, wobei er seine Geschwindigkeit mit 3 m/sec 2 beschleunigte und sich noch 55 m von der späteren Unfallsstelle entfernt befand. In dieser Phase betrug sein Abstand zu dem von Karl A*** gelenkten LKW etwa 35 m. Karl A*** ging wegen des einfahrenden PKW "nicht vom Gas weg", sondern schwenkte 4 bis 4,1 Sekunden vor dem Unfall nach links aus, obwohl er den mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 70 km/h entgegenkommenden, von Franz H*** gelenkten Sattelschlepper wahrgenommen hatte. Hütter, der noch ca. 80 m von der Unfallsstelle entfernt war, bremste hierauf 4,1 Sekunden vor dem Unfall den Sattelschlepper ab. Erst 2,5 Sekunden vor dem Unfall = 50 m vor der Unfallsstelle leitete auch Karl A*** am LKW eine Bremsung ein, wobei die Wirkung der Bremsen ca. 40 m vor der Unfallsstelle einsetzte. In der Folge stieß der LKW mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h an den noch mit ca. 40 km/h fahrenden, auf seiner Fahrbahnhälfte befindlichen Sattelschlepper. Während des gesamten Geschehens hatte sich der LKW "seitlich gestaffelt" hinter dem PKW Rover befunden, wobei der geringste Tiefenabstand zu diesem 15 m betrug. Um von einer Geschwindigkeit von 20 km/h bei einem Beschleunigungsfaktor von 3 m/sec 2 auf 70 bzw. 72 km/h zu beschleunigen, ist eine Zeit von 4,6 bis 4,8 Sekunden erforderlich, während welcher eine Strecke von 58 bis 60 m zurückgelegt wird. Wäre A*** auf seiner Fahrbahnhälfte geblieben, so wäre es zwischen dem von ihm gelenkten LKW und dem PKW Rover zu keiner Kollision gekommen. Allein durch Gaswegnehmen hätte die ursprüngliche Fahrgeschwindigkeit des LKW von 72 km/h auf der Strecke von 96 m auf 56 km/h herabgesetzt werden können. Währenddessen hätte der beschleunigte PKW Rover hinreichend Abstand vom LKW gewinnen können. Durch den Zusammenstoß wurde der Kläger schwer verletzt. Während seiner mehrfachen Krankenhausaufenthalte haben ihn seine Eltern häufig besucht. Für Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen mußte er selbst einen Selbstbehalt von S 120 tragen. Einen Verdienstentgang hat er, insgesamt betrachtet, nicht erlitten.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, daß der Kläger unbestrittenermaßen vom Lenker bzw. Halter des Tanksattelschleppers keine Schadenersatzleistung erlangen könne, weil diesen der Befreiungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen sei. Weiters sei davon auszugehen, daß dem Karl A*** gegenüber dem Kläger die Stellung eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG zugekommen sei, zumal sich die Tätigkeit des ersteren nicht nur auf das Warten und Bedienen des LKW beschränkt, sondern er anläßlich der Kundenbesuchsfahrten auch für das technische und persönliche Zusammenspiel die Verantwortung getragen habe. Da eine vorsätzliche Schadensherbeiführung nicht vorliege, könne der Kläger auch nicht gegen ihn vorgehen, ebensowenig könne er vom Halter und Versicherer des LKW Schadenersatz erlangen. Somit stelle sich die Frage, ob die vom Kläger beanspruchte Haftung der beklagten Partei nach dem Gesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer gegeben sei. Den Lenker des PKW Rover habe beim Einfahren in die Kreuzung gegenüber Karl A*** grundsätzlich die Wartepflicht im Sinne des § 19 Abs 6 StVO 1960 getroffen und er habe daher gemäß § 19 Abs 7 leg. cit. durch sein Einbiegemanöver den Karl A*** als im Vorrang befindlichen Fahrzeuglenker nicht zu unvermitteltem Bremsen oder Auslenken nötigen dürfen. Eine geringfügige Herabsetzung der Geschwindigkeit sei dem Vorrangberechtigten zwar zuzumuten und im vorliegenden Fall wäre es tatsächlich auch schon dann nicht zu einer Berührung zwischen diesem PKW und dem LKW gekommen, wenn Karl A*** vom Gas weggegangen wäre und solcherart seine Geschwindigkeit, wenngleich erheblich, herabgesetzt hätte. Durch dieses Einbiegen sei es dem Karl A*** aber nicht möglich gewesen, den gemäß § 18 Abs 1 StVO 1960 vorgeschriebenen Sicherheitsabstand, das wäre bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h ein solcher von ca. 20 m, einzuhalten. Bei einem Abbremsen des LKW mit 3 m/sec 2 hätte sich nach dem Inhalt des ergänzenden kfz-technischen Sachverständigengutachtens zwischendurch nämlich lediglich ein Tiefenabstand von 15 m ergeben, bei einem bloßen Gaswegnehmen hätte sich dieser Abstand noch verkürzt. Unter diesem Gesichtspunkt falle dem Lenker des PKW Rover somit aber eine Vorrangverletzung zur Last. Demgemäß müsse die Haftung der beklagten Partei im Sinne der Bestimmungen des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, BGBl. 1977/322, bejaht werden. Der Höhe nach erscheine ein Schmerzengeld von S 200.000 angemessen, die Besuchs- und Fahrtkosten zählten zu den Heilungskosten und seien in der Höhe von S 2.000 und S 120 gerechtfertigt. Einen Verdienstentgang habe der Kläger nicht erlitten, sodaß dieses Begehren sowie das Mehrbegehren an Schmerzengeld nicht zu Recht bestünden, ebenso auch das Feststellungsbegehren, weil ein solches nach den Bestimmungen des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht vertrat ebenfalls die Rechtsansicht, daß der unbekannte Fahrer des PKW Rover unter den gegebenen Umständen eine Vorrangverletzung begangen habe. Sein Einfahrmanöver sei der Anlaß für die Linkslenkung des Karl A*** und auch bedrohlich gewesen, weil dieser nicht sofort habe abschätzen können, ob es dem Lenker gelingen würde, durch Beschleunigen seines Fahrzeuges einen unfallsvermeidenden Abstand zum LKW zu gewinnen. Eine Vorrangverletzung müsse auch angenommen werden, wenn eine nachträgliche Berechnung ergebe, daß es tatsächlich zu keinem Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen wäre, denn der Vorrangberechtigte habe die vom Standpunkt eines sorgfältigen Lenkers auf Grund der augenblicklichen Verkehrssituation gebotenen Maßnahmen zu treffen. Demnach sei hier nicht entscheidend, daß bei richtiger Einschätzung der Beschleunigungsmöglichkeit des 35 m vor dem LKW in die Kreuzung einfahrenden PKW Rover für Karl A*** zur Unfallsvermeidung keine Notwendigkeit eines Abbremsens oder Auslenkens bestanden habe, sondern eine durch Gaswegnehmen herbeizuführende Geschwindigkeitsreduktion von 72 km/h auf 56 km/h genügt hätte. Auf der Grundlage dieser Vorrangverletzung treffe den Lenker des PKW Rover aber jedenfalls ein Mitverschulden an dem zwischen dem LKW und dem Sattelkraftfahrzeug erfolgten Zusammenstoß und den hiedurch eingetretenen Verletzungen des Klägers. Somit stünde diesem gegenüber dem Fahrer bzw. Halter des PKW Rover und dessen Versicherer grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch zu. Da er einen solchen nicht geltend machen könne, sei die beklagte Partei zur Entschädigungsleistung nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer bzw. der hier im Rahmen der vom Dachverband der Versicherungsunternehmen abgegebenen Zusage auch hinsichtlich Schmerzengeldes verpflichtet. In der Revision wird zunächst der Standpunkt vertreten, dem Lenker des PKW Rover könne keine Vorrangverletzung angelastet werden, weil Karl A*** in Fehleinschätzung der Geschwindigkeitsrelation auf die linke Fahrbahnseite ausgebogen sei, statt durch Gaswegnehmen die Fahrgeschwindigkeit geringfügig und somit zumutbar zu verringern. Im Hinblick auf diese bewußte Fahrweise mangle es auch an einem Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Lenkers des PKW Rover und jenem des Karl A***. Schließlich handle es sich bei einem aus dem Gesetz zum erweiterten Schutz der Verkehrsopfer abgeleiteten Anspruch um einen subsidiären Anspruch sui generis, welcher nur als Härteausgleich gewährt werde. Mangels einer Solidarhaftung zwischen der beklagten Partei und einem anderen Kraftfahrzeugbetrieb bestehe gegenüber ersterer ein Anspruch nur, wenn der Geschädigte gegenüber keiner Person, die haftpflichtig wäre, einen Anspruch durchsetzen könne. Da hier lediglich die Ausschlußbestimmung des § 333 Abs 4 ASVG Platz greife, könne "kein Härteausgleich für den Kläger bestehen". Zur Gesetzesauslegung werde auch auf die seinerzeitige Kundmachung aus dem Jahre 1968 verwiesen, wonach eine Entschädigung nur demjenigen zu leisten gewesen sei, der durch das "Fahrzeug", welches nicht habe ermittelt werden können, Verletzungen oder an der Gesundheit Schäden erlitten habe und daher von niemandem einen Schadenersatz habe erlangen können. Vorliegendenfalls könne der Kläger "weder vom Haftpflichtigen des Tankwagenzuges noch vom Haftpflichtigen des LKW, in welchem er als Beifahrer saß", Schadenersatz verlangen, selbst dann nicht, wenn das Alleinverschulden auf Seiten des Lenkers A*** läge. Es könne daher "für den Kläger keinen Härteausgleich geben", denn der Gesetzgeber habe "für den gegebenen Sachverhalt normiert, daß der Kläger keinen Ersatz bekommt". Auch aus Art. 9 des Übereinkommens über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge, BGBl. 1972/236, sei abzuleiten, daß der Gesetzgeber nur jene Fälle habe erfassen wollen, in welchen durch ein Fahrzeug, dessen Lenker unbekannt geblieben sei, eine Person direkt Schaden erlitten habe. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Ausgehend von der ausdrücklichen Feststellung (siehe S 18 und 20 des erstgerichtlichen Urteils), daß der mit 72 km/h fahrende LKW selbst bei einer Bremsverzögerung von 3 m/sec 2 sich zu dem vor ihm in die Bundesstraße 309 einfahrenden PKW auf eine Entfernung von 15 m genähert hätte, haben die Unterinstanzen zu Recht eine Vorrangverletzung des Lenkers dieses unbekannt gebliebenen PKW zugrundegelegt. Eine solche Geschwindigkeitsverzögerung stellt keine dem Vorrangberechtigten noch zumutbare geringe Herabsetzung des Fahrtempos dar (ZVR 1984/28, 1984/134, 1985/91 ua.) und hätte hier dem Lenker des LKW zudem noch immer nicht die Einhaltung des nach § 18 Abs 1 StVO 1960 vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes ermöglicht, ihn also zu einer vorschriftswidrigen Fahrweise gezwungen. Das Einfahren dieses PKW stellt daher jedenfalls einen Verstoß gegen § 19 Abs 7 StVO 1960 dar. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß mangels eines Befreiungsbeweises nach § 9 Abs 2 EKHG gegenüber dem Kläger hinsichtlich dieses PKW die Haftung nach den Bestimmungen des EKHG jedenfalls bestünde.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin fehlt es auch nicht am Kausalzusammenhang zwischen dem vorschriftswidrigen Verhalten des Lenkers des PKW und der Verletzung des Klägers. Nach ständiger Judikatur wird dadurch, daß zwischen Bedingung und Erfolg eine "freie menschliche Handlung" tritt, selbst wenn diese objektiv rechtswidrig ist, der Kausalzusammenhang nicht unterbrochen, soferne eine derartige Handlung des Dritten und der dadurch bedingte folgende Geschehensablauf nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht völlig unwahrscheinlich war (ZVR 1960/372, 1961/195; JBl 1973, 151; 8 Ob 65, 121/80 uva.). Es ist also ohne Bedeutung, ob der eingetretene Erfolg durch einen Dritten verhindert hätte werden können (5 Ob 112/71, 3 Ob 167/73 ua.).
Die Beurteilung, daß dem LKW-Lenker Karl A*** auf der Unglücksfahrt gegenüber dem Kläger die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zukam, weil er auf Grund der ihm vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben eine mit einem gewissen Pflichtenkreis verbundene selbständige Stellung innehatte, wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen, sodaß der Hinweis auf die diesbezügliche ständige Judikatur genügt (ZVR 1972/203, 1974/59; JBl 1985, 565 uva.).
Ohne Rechtsirrtum wurde schließlich von den Unterinstanzen aber auch der vom Kläger geltend gemachte Rechtsgrund seiner Ersatzforderung als einer Entschädigungsleistung nach den Bestimmungen des Gesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer, BGBl. 1977/322 (VerkehrsopferG), bejaht. Das vorgenannte Gesetz dient der innerstaatlichen Durchführung des Artikels 9 des Europäischen Übereinkommens über die obligatorische Haftpflichtversicherung, BGBl. 1972/236, welcher in Absatz 1 lautet: "Jeder Vertragspartner wird entweder die Gründung eines Entschädigungsfonds veranlassen oder sonstige gleichwertige Maßnahmen treffen, damit in Schadensfällen, in denen die Haftung eines anderen gegeben ist, die geschädigte Person auch dann Schadenersatz erhält, wenn die Versicherungspflicht nicht erfüllt oder die zivilrechtlich haftpflichtige Person nicht ermittelt wurde oder wenn ein nach Art. 3 Abs 1 Satz 1 der beigefügten Bestimmungen zugelassener Versicherungsausschluß vorliegt. Jede Vertragspartei regelt die Voraussetzungen für die Gewährung des Entschädigungsanspruches sowie dessen Umfang."
Der der Zielsetzung des Artikels 9 des Übereinkommens entsprechende Zweck der Regelungen des Gesetzes über den erweiterten Schutz von Verkehrsopfern ist es demnach (siehe EB zur RV 506 BlgNR XIV.GP; AB 542), Opfern von Straßenverkehrsunfällen auch dann einen angemessenen Entschädigungsanspruch - subsidiär - zu gewähren, wenn keine Ansprüche aus einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung geltend gemacht werden können und daher die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches erschwert oder, wie im Falle der Fahrerflucht, überhaupt in Frage gestellt wird, soferne dies zu einer unzumutbaren Härte für den Betroffenen führt. Dabei richten sich die besonderen Tatbestände, die die Leistungsverpflichtung auslösen, nach Artikel 9 des genannten Übereinkommens (EB aaO zu § 2).
Gemäß § 1 Abs 2 des VerkehrsopferG sind Leistungen grundsätzlich unter sinngemäßer Anwendung des EKHG so zu erbringen, als ob ihnen ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch und das Bestehen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zugrunde lägen. Entschädigung im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle ist gemäß § 2 Abs 1 Z 2 leg. cit. ua. für eine Körperverletzung einer Person zu leisten, die im Inland durch ein nach den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen versicherungspflichtiges Kraftfahrzeug verursacht wurde, wenn nicht binnen sechs Monaten nach Schadenseintritt eine zivilrechtlich haftpflichtige Person ermittelt werden konnte. Der Absatz 3 des vorgenannten Paragraphen sieht vor, daß die Entschädigung nur insoweit erbracht werden muß, als weder der zum Schadenersatz Verpflichtete noch eine andere Person, gegen die der Geschädigte einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, ihre Verbindlichkeit erfüllen, obwohl sie gemahnt worden sind. Nach diesen Gesetzesbestimmungen im Zusammenhalt mit dem Gesamtzweck der Regelung ist für das Bestehen eines Leistungsanspruches somit ua. grundsätzliche Voraussetzung, daß dem Geschädigten kein anderer für das Schadensereignis zivilrechtlich, also nach den Bestimmungen des ABGB, EKHG und KFG 1967 haftet bzw. daß er von keinem solchen Haftpflichtigen Ersatz erlangen konnte. Aus welchen Gründen die zivilrechtliche Haftung eines anderen nicht gegeben ist, erscheint nach dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes unerheblich. Entscheidend ist lediglich, daß der Geschädigte gegenüber keinem anderen einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz seines Personenschadens hat oder durchsetzen kann. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn eine Schadenshaftung deswegen nicht besteht, weil dem den Unfall mitverursachenden Dienstgeber oder dem ihm gleichgestellten Aufseher im Betrieb der Haftungsausschluß des § 333 Abs 1 oder Abs 4 ASVG zukommt. Für die von der beklagten Partei vertretene gegenteilige Annahme bietet das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. Aus der seinerzeitigen Kundmachung des Finanzministeriums Zl. 381.524-19/68, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 18. Mai 1968, ist für die von ihr gewünschte Gesetzesauslegung nichts zu gewinnen, weil auch dort die Verursachung des Schadens beim Betrieb des Fahrzeuges als maßgebend erachtet wird und die Formulierung in Punkt 2.) a) "dem durch das Fahrzeug Verletzten" in diesem Sinne aufzufassen ist.
Der Umstand, daß mehrere Schadensverursacher vorhanden sind, verhindert also grundsätzlich die Haftung der beklagten Partei nach dem Verkehrsopfergesetz und für die nach § 6 desselben freiwillig zugesagten Entschädigungsleistungen dann nicht, wenn die - neben dem den Schaden verursachenden Fahrzeug, für welche die beklagte Partei einzutreten hat - vorhandenen anderen Schadensverursacher keine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht gegenüber dem Geschädigten trifft.
Vorliegendenfalls kann der Kläger weder gegen Karl A*** als Lenker oder gegen den Halter des LKW bzw. dessen Versicherer noch gegen Lenker, Halter und Versicherer des weiteren am Unfall beteiligten Sattelkraftfahrzeuges Ansprüche durchsetzen, weil ihm keiner von diesen zivilrechtlich schadenersatzpflichtig ist. Den Lenker des PKW der Marke Rover trifft, wie dargelegt, an der Körperverletzung und Gesundheitsschädigung des Klägers ein Verschulden. Damit ist im Sinne der angeführten Haftungsvoraussetzungen die Haftung der beklagten Partei für den Personenschaden des Klägers gegeben. Der Umfang der Entschädigungspflicht richtet sich nach den §§ 5 und 6 VerkehrsopferG im Zusammenhalt mit Punkt 1.) der Kundmachung des Finanzministeriums Zl. 90.0124/3-V/6/78 vom 20. Oktober 1978. Die Höhe der dem Kläger von den Unterinstanzen zuerkannten Entschädigung wird von der Revisionswerberin nicht bekämpft.
Somit war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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