Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat der Klägerin die mit 9.063,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 823,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Nach den Klagsbehauptungen hat die Beklagte in der Zeit vom 9. Februar 1979 bis 1.August 1983 die der Klägerin von der Sozialversicherung monatlich geleisteten Pensionszahlungen in der Gesamthöhe von 242.723 S unberechtigterweise einbehalten. Demgemäß wird der Antrag auf ihre Verurteilung zur Rückzahlung dieses Betrages gestellt.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie brachte u.a. vor, die Pensionszahlungen seien ohnehin für die Klägerin verwendet worden.
Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich eines Betrages von 145.633,80 S sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und der Klage zur Gänze statt. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhebt die Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung, in eventu auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Außer Streit steht folgender Sachverhalt: Die Streitteile sind Geschwister. Die Klägerin wurde im Jahre 1960 wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt. Im Jahre 1961 schenkte die Mutter der Streitteile dieser sowie deren Schwester Agnes L*** ihren gesamten Liegenschaftsbesitz. Mit Übergabsvertrag vom 5.Oktober 1963 übergab die Klägerin ihre Anteile an den Liegenschaften der Beklagten. Diese verpflichtete sich, die Klägerin in gesunden und kranken Tagen zur Gänze zu versorgen. Dieser Vertrag wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt. Nach Abschluß desselben blieb die Klägerin noch bis zum Tode der Mutter der Streitteile im Jahre 1971 bei dieser und zog erst danach zur Beklagten, wo sie sich seither aufhält. Sie arbeitet dort in der Landwirtschaft mit und half der Beklagten auch im Haushalt. Einen Lohn bekam sie nicht, wohl aber ein Taschengeld. Die Beklagte meldete sie auch bei der Gebietskrankenkasse und zur Pensionsversicherung als Hausgehilfin an und leistete regelmäßig die erforderlichen Zahlungen von anfänglich 400 S und später dann etwa 800 S monatlich. In der Zeit von März 1940 bis Dezember 1957 hatte die Klägerin in der elterlichen Landwirtschaft und von August 1960 bis November 1961 sowie von Februar 1964 bis Februar 1979 als Hausgehilfin bei Karl S***, dem Ehemann der Beklagten, gearbeitet und sich dadurch Versicherungszeiten nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Versicherungsgesetz der Pensionsversicherung der Bauern erworben. Im landwirtschaftlichen Betrieb der Beklagten arbeitete die Klägerin stets fleißig mit. Zur einfachen Arbeit in der Landwirtschaft und im Haushalt war sie durchaus fähig. Einen Lohn bekam sie für ihre Mitarbeit nicht, wohl aber bezahlte ihr die Beklagte ein Taschengeld von monatlich 300 S bis 400 S, gelegentlich auch weniger. Seit dem 9.Februar 1979 bezieht die Klägerin eine Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Die monatlichen Renten samt den jeweils anfallenden Sonderzahlungen wurden bis zum Juli 1983 von der Beklagten "verwaltet". Im Oktober 1983 wurde die Klägerin voll entmündigt. Seitdem wird ihre Pension auf ein Sperrkonto der Raiffeisenkasse Krumbach angewiesen. In der Zeit vom 9. Februar 1979 bis 31.Juli 1983 betrugen die Pensionszahlungen einschließlich Ausgleichszulage und Hilflosenzuschuß sowie Sonderzahlungen 249.719,80 S netto. Die Klägerin selbst wußte nicht, daß sie eine Pension erhielt. Sie ist recht sparsam und bekam von der Beklagten aus den Pensionszahlungen in unregelmäßigen Abständen - je nach Bedarf - das oben genannte Taschengeld. Mit den Pensionsgeldern der Klägerin hat die Beklagte eine Reihe von Anschaffungen gemacht, die zum Teil ausschließlich von der Klägerin benützt werden und zum Teil der "ganzen Familie" zugute kommen. Die KLägerin fühlt sich im Haushalt der Beklagten - mit der sie sich auch ausgezeichnet versteht - sehr wohl und geborgen. Es fehlt ihr dort an nichts.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, die Pensionszahlungen seien aufgrund des von der Klägerin erworbenen Pensionsanspruches allein dieser zugestanden, so daß die Beklagte durch die tatsächliche Verwendung der Pensionsbeiträge zum eigenen Nutzen bereichert erscheine. Diese habe nach dem Inhalt des Übergabsvertrages die Verpflichtung zur Tragung des gesamten Lebensaufwandes der Klägerin sowie zur Zahlung eines angemessenen Taschengeldes getroffen. Nach den Umständen des Falles, insbesondere, weil die Beklagte für die Klägerin auch zahlreiche zusätzliche Anschaffungen gemacht habe und für sie sehr gut sorge, sei die Rückzahlungsverpflichtung aus Billigkeitsgründen mit 60 % des Klagsbetrages festzusetzen.
Das Berufungsgericht hielt die Berufung der Beklagten nicht, dagegen jene der Klägerin für gerechtfertigt. Beizutreten sei der von der Beklagten nicht bekämpften Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf Ausfolgung der zu Handen der Beklagten, jedoch für die Klägerin ausbezahlten Pensionsbeträge habe, deren Höhe im Berufungsverfahren auch nicht mehr strittig sei. Da die Klägerin nach den erstgerichtlichen Feststellungen von der Auszahlung der Pension zu Handen der Beklagten gar nichts gewußt habe, könne die Frage unerörtert bleiben, ob die Klägerin als beschränkt Entmündigte und daher einer mündigen Minderjährigen Gleichgestellte (§ 4 EntmO) über die Pension im Sinne des § 151 Abs 2 ABGB hätte frei verfügen und daher die Beklagte zu bestimmten Anschaffungen und Verfügungen ermächtigen können. Solche Ermächtigungen hätten nämlich eine Kenntnis vom Eingang der Pensionszahlungen vorausgesetzt. Die von der Beklagten behaupteten Geldausgaben - soweit sie über den Rahmen der Ausgedingsverpflichtungen hinausgingen - könnten mangels eines entsprechenden Auftrages durch die Klägerin und ihres Beistandes unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nach Maßgabe der §§ 1035 ff ABGB zu Ansprüchen gegen die Klägerin führen. Ob solche hier existent geworden seien, könne aber unerörtert bleiben, weil der Klägerin das Kompensations- und Zurückbehaltungverbot des § 1440 Satz 2 ABGB zugute komme. Die Rentenbeträge seien nämlich als von der Beklagten eigenmächtig und listig entzogene und in Verwahrung genommene Stücke im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen. Der Grundgedanke dieser Bestimmung sei es, das Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrecht bei Verhältnissen zu versagen, bei denen ein Mißbrauch geradezu als Vertrauensbruch empfunden werde, wie dies etwa bei ohne Inkassovollmacht kassierten oder veruntreuten Beträgen der Fall sei. Geldbeträge, die - wie hier - auf Grund von Bestimmungen der Postordnung dritten Personen ausgehändigt und von diesen nicht an den Empfänger ausgehändigt würden, seien analog zu behandeln.
Somit könnten die von der Beklagten behaupteten Aufwendungen dem Klagsanspruch auf Ausfolgung der Pensionsbeträge nicht entgegengesetzt werden. Ob der Beklagten allenfalls gegen die Klägerin aus diesen Aufwendungen Ansprüche zustünden, sei daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu untersuchen. Die gesonderte Geltendmachung solcher Ansprüche werde durch die vorliegende Entscheidung nicht gehindert. Demnach zeige sich, daß es auf die vom Erstgericht als maßgeblich erachtete Frage, inwieweit die Klägerin durch die Aufwendungen der Beklagten bereichert worden sei und in welchem Umfang daher einer Rückzahlungsverpflichtung - analog dem Rückforderungsanspruch bei gutgläubig verbrauchten
Beträgen - Erwägungen der Billigkeit entgegenstünden, nicht ankomme. Demgemäß sei auch nicht zu prüfen, welchen Wert die von der Beklagten behaupteten Aufwendungen hätten und inwieweit sie - auch unter Berücksichtigung des Arbeitserfolges der Klägerin - über den Rahmen der Ausgedingsverpflichtung der Beklagten hinausgingen. Das angefochtene Urteil sei daher im Sinne einer vollen Klagsstattgebung abzuändern.
In ihrer Revision bringt die Beklagte vor, die Ansicht des Berufungsgerichtes, sie sei als Person anzusehen, die die Rentenzahlungen der Klägerin eigenmächtig und listig entzogen und in Verwahrung genommen habe, könne nicht geteilt werden. Der Beklagten seien die Renten aufgrund der Postordnung zugestellt worden. Sie habe also weder eigenmächtig noch listig irgendeine Sache entzogen, aber auch mit der Klägerin keinen Verwahrungsvertrag bezüglich dieser Geldbeträge abgeschlossen. Somit könne das Aufrechnungsverbot nicht wirksam sein. Das Berufungsgericht hätte daher die anrechenbaren Aufwendungen der Beklagten feststellen und von der Klagsforderung in Abzug bringen müssen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Unterinstanzen war der Klägerin nicht bekannt, daß ihr eine Pension gewährt worden war und die monatlichen Pensionszahlungen sodann mehrere Jahre lang von der Beklagten übernommen wurden. Die Beklagte hatte ihr also insbesondere auch keine Mitteilung von der jeweiligen monatlichen Übernahme und der Verwendung dieser Pensionsbeträge gemacht. In diesem Verhalten gegenüber der damals beschränkt entmündigten Klägerin und ihrem Beistand liegt zweifelsohne eine Eigenmacht der Beklagten und ein Mißbrauch ihres aus der verwandtschaftlichen und faktischen Stellung gegebenen Naheverhältnisses, der geradezu einen Vertrauensbruch darstellt und im Sinne der vom Berufungsgericht zitierten Lehre und Judikatur in analoger Anwendung des § 1440, zweiter Satz, ABGB eine Aufrechnung verbietet. Daß von dem in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Ausdruck "Stücke" auch Geld erfaßt wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ 33/55 ausgesprochen und ebenso in der Entscheidung 3 Ob 98/82, in welchem Fall, ähnlich wie hier, dem Streitgegner zustehende Geldbeträge ohne dessen Wissen vorenthalten worden waren. Der Umstand, daß die Pensionsauszahlung an die Beklagte allenfalls nach den Vorschriften der Postordnung BGBl. 1957/110 idF 1977/35 und 1981/2, insbesondere im Sinne der gemäß ihrem § 261 auch bei der Auszahlung von Geldbeträgen anzuwendenden §§ 174 bis 176 zulässigerweise im Wege der Ersatzzustellung erfolgte, ist für diese Beurteilung ohne Bedeutung. In diesen Bestimmungen wird lediglich vorausgesetzt, daß einerseits der an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnhafte Ersatzempfänger zur Übernahme der Sendung bereit ist und andererseits der Empfänger gegen Ersatzzustellungen nicht schriftlich Einspruch erhoben hat. Vorliegendenfalls konnte die Klägerin bzw. ihr Beistand mangels Kenntnis von diesen Pensionsauszahlungen zwangsläufig keinen Einspruch gegen die Ersatzzustellungen erheben. Die Tatsache dieser Ersatzzustellungen hat mit der Frage einer nachfolgenden, in der Verschweigung der Geldübernahme und der Verwendung der Pensionsbeträge nach eigenem Gutdünken gelegenen Eigenmacht und eines Vertrauensbruches der Beklagten nichts zu tun. Dieses nachfolgende Verhalten, durch welches der Klägerin die ihr gehörigen Pensionen entzogen wurden, steht somit der begehrten Aufrechnung gegenüber den Klagsansprüchen im Sinne der obigen Darlegungen von vornherein entgegen. Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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