Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.034,40 EUR (darin enthalten 4.938 EUR Barauslagen und 849,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 6. 12. 1996 ereignete sich in Lausanne, in der Schweiz, ein Verkehrsunfall, in dessen Zug ein Fahrzeug auf das Heck des PKWs auffuhr, in dem sich der Kläger als Beifahrer befand. Nach dem Unfall wurde der Kläger im Krankenhaus in Lausanne ambulant behandelt. Der auffahrende PKW war im Unfallszeitpunkt bei der schweizerischen Versicherungsgesellschaft B*****, deren Universalsukzessorin die A***** AG ist, haftpflichtversichert.
Am 2. 3. 1999 teilte der Haftpflichtversicherer dem Kläger mit, dass seine Ansprüche aus diesem Verkehrsunfall verjährt seien, weshalb seinen Forderungen nicht Folge geleistet werden könne.
Am 29. 6. 1999 beauftragte der Kläger die mit internationalen Schadensregulierungen befasste Beklagte mit seiner Vertretung in dieser Angelegenheit. Am 10. 8. 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihr eine Stellungnahme der schweizerischen Versicherungsanstalt vorliege, wonach diese auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Die Beklagte werde versuchen, die Forderung des Klägers auf außergerichtlichem Weg einzutreiben.
Da der Kläger in der Folge den Eindruck hatte, in seiner Angelegenheit passiere nichts, schaltete er den Mediator der Privatversicherung und der SUVA für die französische Schweiz ein, der ihm am 3. 11. 2003 seine „berechtigte Angst“ mitteilte, dass die Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Jahr 1996 verjährt sein könnten. Am 3. 3. 2004 übermittelte der Mediator dem Kläger eine Telekopie, in der sich nachstehende Passage fand:
„Ich beziehe mich auf die oben erwähnte Sache, nachdem ich mit der Direktion der A*****, ehemals „B*****“, Kontakt aufgenommen habe. Nach dem Stand der Information, die ich von der Versicherungsgesellschaft erhalten habe, ist die Sache leider für Sie tatsächlich verjährt.
Es ist völlig richtig, dass auf Ersuchen der A***** [Anmerkung: der Beklagten] die Gesellschaft mit Schreiben vom 5. August 1999 akzeptiert hat, auf die Geltendmachung der Verjährung zu verzichten, jedoch ist dieser Verzicht entsprechend dem schweizer Rechtsgebrauch erfolgt. Der Verzicht war zeitlich begrenzt (bis zum 30. Juni 2000), war nur für den Fall gegeben, dass er nicht bereits vorher erlangt wurde, und beinhaltete keinerlei Anerkennung der Verantwortlichkeit.
Nach den im Besitz der Versicherungsgesellschaften stehenden Informationen ist die A***** nur einmal eingeschritten, nämlich am 20. März 2001, das heißt sehr lange nach Ablauf der verlängerten Verjährungsfrist. Die Gesellschaft hat seit diesem Zeitpunkt keine Nachricht mehr erhalten.
Unabhängig vom Grund scheint es mir, wenn alles Vorgesagte richtig ist, dass Ihr Mandat schwer nachlässig gewesen ist. Der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung hätte erneuert werden müssen oder es wäre notwendig gewesen, gerichtliche Schritte einzuleiten, das wurde nicht gemacht - aus Gründen, die ich nicht weiß.“
Am 10. 6. 2005 unterrichtete die Beklagte den Kläger davon, dass die schweizerische Haftpflichtversicherung des am Unfall schuldtragenden Fahrzeuglenkers dem Kläger eine „Prozessablöse“ von 10.000 CHF angeboten habe. Der Kläger lehnte dieses Angebot als unangemessen ab.
Mit der am 25. 4. 2008 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger nunmehr 100.000 EUR sA mit der Begründung, die Beklagte habe seine berechtigten Ansprüche aus dem Verkehrsunfall gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht ordnungsgemäß geltend gemacht. Trotz zahlreicher Anfragen und Urgenzen des Klägers habe sie keine Klage eingebracht, um die Verjährung der Ansprüche zu vermeiden. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom 10. 6. 2005 habe der Kläger erfahren, dass die Beklagte den ihr erteilten Vertretungsauftrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, und erst dadurch Kenntnis vom Schaden erlangt. Der Kläger schlüsselte seine ursprünglich pauschal geltend gemachte Klagsforderung im Verfahren auf wie folgt:
Schmerzengeld 70.000 EUR, Verdienstentgang 5.000 EUR, Arztkosten/Behandlungskosten 10.000 EUR, Pflegekosten 12.000 EUR, Reisekosten 3.000 EUR.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass nach dem Schweizer Straßenverkehrsgesetz die dort normierte zweijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei, als ihr der Auftrag zur Schadensregulierung vom Kläger erteilt wurde. Der Kläger habe davon durch die Mitteilung der Haftpflichtversicherung auch gewusst. Ausgehend davon, dass der Kläger durch das Schreiben des Mediators vom 3. 3. 2004 Kenntnis von (vermeintlich rechtswidrig) unterlassenen rechtlichen Schritten der Beklagten zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung der Ansprüche des Klägers gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners erlangt habe, sei auch die dreijährige Verjährungsfrist nach österreichischem Schadenersatzrecht gegenüber der Beklagten bei Einbringung der nun vorliegenden Klage bereits abgelaufen gewesen. Im Übrigen habe sich der Verjährungsverzicht der unfallgegnerischen Haftpflichtversicherung vom August 1999 nur auf jene Ansprüche beschränkt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen seien.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall seien im Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Beklagte nach schweizer Recht bereits verjährt gewesen. Durch die Mitteilung vom August 1999 über den Verjährungsverzicht, ohne dem Kläger auch dessen Befristung mitzuteilen, sei kein weiterer Schaden eingetreten. Neun Jahre nach der Erklärung der Haftpflichtversicherung vom März 1999, wonach der gegen sie gerichtete Anspruch verjährt sei, und mehr als drei Jahre nach Mitteilung des Mediators vom 3. 3. 2004 sei der mit der Klage vom 25. 4. 2008 geltend gemachte Anspruch jedenfalls verjährt.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf. Zwar habe der Kläger aufgrund der Mitteilung des Mediators der Versicherung vom 3. 3. 2004 über die schwer nachlässige Mandatsabwicklung der Beklagten ausreichend Kenntnis von einem möglichen schuldhaften schadensverursachenden Verhalten erlangt, um auf Basis dieses Informationsstands zumindest eine Feststellungsklage mit Aussicht auf Erfolg einbringen zu können, die Beklagte habe aber durch das Schreiben vom 10. 6. 2005 über die von der gegnerischen Haftpflichtversicherung angebotene „Prozessablöse“ ihr Bewusstsein zum Ausdruck gebracht, dem Kläger weiterhin aus dem Auftrag verpflichtet zu sein und mit der Erwirkung der Prozessablöse zumindest einen Teil ihrer Schuld aus diesem Auftrag erfüllen zu wollen. Dadurch sei es zu einer Anerkennung iSd § 1497 ABGB und damit zur Unterbrechung der Verjährung gekommen.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, ob die bloße Mitteilung des Schadensregulierers über eine „Prozessablöse“ ein Anerkenntnis iSd § 1497 ABGB bedeute, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn derjenige, der sich darauf berufen will, vor dem Verlauf der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkannt hat. Anerkennung iSd § 1497 ABGB ist nach der Rechtsprechung jede Rechtshandlung des Schuldners, die eine Anerkennung des Rechts des Gläubigers denknotwendig voraussetzt oder seine Absicht, die Schuld anzuerkennen, deutlich erkennen lässt (RIS-Justiz RS0034477; M. Bydlinski in Rummel 3 § 1497 ABGB Rz 2). Für die Unterbrechung der Verjährung genügt jede Handlung des Schuldners, die sein Bewusstsein, aus dem betreffenden Schuldverhältnis dem Gläubiger verpflichtet zu sein, zum Ausdruck bringt, wobei es auf den objektiven Erklärungswert der Willensäußerung ankommt (RIS-Justiz RS0034516; M. Bydlinski aaO).
Im vorliegenden Fall hat nun die Beklagte als Schadensregulierer einen vom gegnerischen Haftpflichtversicherer angebotenen „Prozessablöse“-Vorschlag an den Kläger weitergeleitet. Inwiefern darin die Anerkennung eines aus der Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen resultierenden Schadenersatzanspruchs gegen die Beklagte selbst liegen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Dies umso weniger, als ein solcher Schaden damals nicht einmal noch geltend gemacht war. Dieses Schreiben war daher nicht geeignet eine Unterbrechungswirkung iSd § 1497 ABGB zu erzeugen.
Mit den Vorinstanzen ist aber davon auszugehen, dass der Kläger durch die explizite Aussage des Mediators über die schwere Nachlässigkeit der beklagten Partei in der Verfolgung der Ansprüche des Klägers in der Schweiz ausreichend Kenntnis von einem schuldhaften schadensverursachenden Verhalten und dem Eintritt eines tatsächlichen Schadens iSd § 1489 ABGB erlangte, führt der Mediator in diesem Schreiben doch ausdrücklich aus, dass der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung erneuert oder gerichtliche Schritte eingeleitet hätten werden müssen.
Demgegenüber kann der Argumentation des Klägers, er habe erstmals aus dem Schreiben vom 10. 6. 2005, mit dem die vom Versicherer angebotene „Prozessablöse“ mitgeteilt wurde, erkennen können, dass die Beklagte den ihr erteilten Vertretungsauftrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, nicht gefolgt werden. Einerseits hat die Beklagte mit diesem Schreiben gerade einen - wenn auch nur teilweisen - Erfolg ihrer Tätigkeit mitteilen können. Selbst wenn daraus ein Misserfolg hinsichtlich der übrigen Ansprüche gefolgert werden konnte, war dies aber nicht erstmals, sondern eben bereits früher erkennbar.
Es ist daher davon auszugehen, dass bereits mit dem Schreiben (Fax) des Mediators vom 3. 3. 2004 die Verjährungsfrist zu laufen begann, sodass sie im Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits abgelaufen war.
Da es somit der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung nicht bedarf, war in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass das abweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.
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