OGH 2Ob50/85

OGH2Ob50/8512.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Wolfgang A, Angestellter, Gmunden, Sternstraße 3, vertreten durch Dr. August Lansteiner sen. und Dr. August Lansteiner jun., Rechtsanwälte in Ebensee, wider die beklagte Partei B C Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dkfm. DDr. Waldemar Buchberger, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 30.208,20 s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 24. April 1985, GZ. R 305/85-28, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 9. Jänner 1985, GZ. 2 C 10/84-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.959,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 240,-- Barauslagen und S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. September 1983 ereignete sich in Gmunden auf der Kreuzung der Bahnhofstraße mit der Stelzhamerstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW Steyr Fiat, pol. Kennzeichen O 278.239, und der am 7. März 1967 geborene Robert D mit seinem bei der beklagten Partei gegen Haftpflicht versicherten Motorfahrrad, pol. Kennzeichen O 263.708, beteiligt waren. Der Kläger, der von der Bahnhofstraße nach links in die Stelzhamerstraße einbiegen wollte, stieß im Zuge des Einbiegevorganges mit dem auf der Bahnhofstraße aus der Gegenrichtung kommenden, seine Fahrtrichtung beibehaltenden Motorfahrrad zusammen. Der Kläger erlitt bei diesem Unfall einen Schaden von S 40.277,60. Unter Zugeständnis eines Mitverschuldens von 1/4 begehrt er den Ersatz von S 30.208,20 s.A.

Nach der Auffassung der beklagten Partei treffe den Kläger wegen seiner Vorrangverletzung das überwiegende Verschulden. Gegen die Klagsforderung und bis zu deren Höhe wendet die beklagte Partei überdies, gestützt auf eine Zession, die Schadenersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers von S 50.500 (darunter S 45.000 Schmerzengeld) aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht sprach, ausgehend von einem gleichteiligen Verschulden beider Lenker, aus, daß die Klagsforderung und die Gegenforderung mit S 20.138,80 zu Recht bestehen, und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufrechnungseinrede abwies, und demgemäß dem Klagebegehren mit S 20.138,80 s.A. stattgab und das Mehrbegehren von S 10.069,40 s.A. abwies. Das Berufungsgericht erklärte die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach den für das Revisionsverfahren, in dem nur mehr die Rechtswirksamkeit der Forderungsabtretung des mj. Robert D an die beklagte Partei strittig ist, noch relevanten Feststellungen wird der Minderjährige von seiner Mutter Eveline E, der das alleinige Erziehungsrecht zusteht, vertreten.

Eveline E trat die Forderung ihres Sohnes aus dem Unfall vom 2. September 1983 an die beklagte Partei ab. Die Gesamtansprüche des Minderjährigen betragen nach den Feststellungen des Erstgerichtes S

46.500.

Das Erstgericht bejahte auf Grund der festgestellten Zession die Berechtigung der beklagten Partei zur Erhebung des Aufrechnungseinwandes.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichts gehäre die Übertragung einer Schadenersatzforderung aus einem Verkehrsunfall an den Haftpflichtversicherer nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb. Die von der Mutter des Minderjährigen vorgenommene Zession hätte daher zu ihrer Wirksamkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft. Mangels einer solchen sei die Zession unwirksam. Die beklagte Partei sei daher zur aufrechnungsweisen Geltendmachung der Forderungen des Minderjährigen nicht berechtigt, und ihr Aufrechnungseinwand sei abzuweisen.

Die beklagte Partei vertritt dagegen den Standpunkt, daß die Zession in den ordentlichen Wirtschaftsbetrieb falle, weil es sich nicht um eine Verfügung über den Anspruch selbst handle, sondern nur um 'die Zurverfügungstellung des Anspruches' an den Haftpflichtversicherer aus prozessualen Gründen. Bediene sich der Haftpflichtversicherer zur Abwehr eines Haftpflichtanspruches der Forderung seines Versicherungsnehmers, müsse er diesem den entsprechenden Betrag ersetzen. Im vorliegenden Fall komme der Aufrechnungseinwand dem Minderjährigen zugute, weil er in der Prämienzahlung säumig geworden sei.

Bei Abtretung einer Forderung nur aus 'prozessualen Gründen' könnte deren Rechtswirksamkeit schon mangels eines gültigen Grundgeschäftes fraglich sein (vgl. Koziol-Welser, Grundriß 7, I 263), weil die bloße Übertragung des Prozeßführungsrechtes dem österreichischen Recht fremd ist (SZ 42/105). Dem Standpunkt der beklagten Partei kann aber auch sonst nicht gefolgt werden. Nach § 154 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten der Zustimmung des anderen Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehärt. Unter dieser Voraussetzung sind die im § 154 Abs 3 ABGB nur beispielsweise aufgezählten Handlungen zustimmungs- und genehmigungspflichtig. Zum Unterschied vom Vorläufer dieser Bestimmung, dem § 233 ABGB alt, ist hier die Zession nicht angeführt. Auch nach § 233 ABGB alt gehärte eine Forderungsabtretung dann nicht zu den genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäften, wenn sie dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzurechnen oder nicht von gräßerer Wichtigkeit war (Wentzel-Piegler in Klang 2 I/2 233). Der Begriff des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Mit Rücksicht auf die weitgehende Annäherung des § 154 Abs 3 ABGB an § 233 ABGB alt kann zu seiner Auslegung die frühere Rechtsprechung und Lehre herangezogen werden (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 13). Nach Wentzel-Piegler (aaO 411) ist unter Wirtschaftsbetrieb jedes Unternehmen, aber auch die Hauswirtschaft zu verstehen. Ob die Vertretungshandlung dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzuordnen ist, richtet sich nach dem Gegenstand und dem Umfang der Vertretungshandlung. Eine Klage auf Schadenersatz wird regelmäßig nicht dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zugezählt (EFSlg 38.323 mwN; 8 Ob 149/81, 8 Ob 104/79 ua). Nichts anderes kann auch für die Abtretung von Schadenersatzansprüchen gelten. Die Meinung der beklagten Partei, daß hiebei keine Verfügung über den Anspruch erfolge, ist unzutreffend. Eine solche Abtretung birgt auch die Gefahr einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Minderjährigen in sich, wenn etwa das vom Versicherer behauptete kranke Versicherungsverhältnis tatsächlich nicht vorliegt oder wenn dem Aufrechnungseinwand mangels Entscheidung über die Gegenforderung nicht die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung zukommt (vgl. Klang in Klang 2 VI, 655, insbesondere Fußnote 61). Es ist daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu billigen, daß die Abtretung einer Schadenersatzforderung an den Haftpflichtversicherer in der Regel nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehärt. Eine gerichtliche Genehmigung der Abtretung wurde aber von der hiefür beweispflichtigen beklagten Partei in erster Instanz nicht einmal behauptet und bis zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz auch nicht dargetan. Die erst in der Revision aufgestellte Behauptung der nachträglichen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und die Vorlage der den Genehmigungsbeschluß enthaltenden Eingabe an das Pflegschaftsgericht verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO (vgl. JBl 1953, 521; im gleichen Sinn auch 1 Ob 650/80 und 6 Ob 87/68 zur devisenbehördlichen Genehmigung). Anders wäre dies nur, wenn ohne Verschiebung des für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhaltes das Fehlen der behördlichen Genehmigung vom Gegner im Rechtsmittel geltend gemacht wird, weil die Ausführung von bisher nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkten bei unveränderten Tatumständen keine Neuerung darstellt (Fasching IV, 162 und 165; vgl. auch JBl 1935, 276).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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