Spruch:
Wesen und Erscheinungsformen des Leasing-Vertrages
OGH 13. März 1979, 2 Ob 501/79 (LG Feldkirch R 558/78; BG Feldkirch C 2229/77)
Text
Die Klägerin begehrte 61 116.67 S samt 1.4% Zinsen pro Monat seit dem "Klagstag" und brachte im wesentlichen folgendes vor:
Sie habe der Beklagten aufgrund eines Mietvertrages vom 3. Jänner 1977 einen Telefoncomputer "Madison 1100" vermietet und sei gemäß Punkt 19 des Mietvertrages berechtigt, neben dem schon rückständigen Mietzins von 1056.69 S auch noch die gesamte künftig fällig werdende Miete für die gesamte Vertragsdauer fällig zu stellen. Die Beklagte habe die ordnungsgemäße Übernahme des Gerätes bestätigt. Es sei unrichtig, daß das Madison-Gerät gesetzlichen Bestimmungen nicht entspreche. Eine Irreführung der Beklagten durch Vertreter der Klägerin scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin keine Vertreter beschäftige.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen folgendes ein:
Der gelieferte Telefoncomputer "Madison 1100" habe nie funktioniert. Ein Gerät mit dieser Typenbezeichnung entspreche auch nicht den fernmeldegesetzlichen Bestimmungen. Der Vertreter der Klägerin habe die Beklagte über die Funktionstüchtigkeit und den Wert des Gerätes in Irrtum geführt. Die einzelnen Vertragsbedingungen laut Mietvertrag vom 3. Jänner 1977 seien nicht wirksam, weil Kurt H, der Vertreter der Klägerin, erklärt habe, die Beklagte müsse darauf nicht Bedacht nehmen. Der Vertrag werde daher wegen Irreführung und Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes angefochten, die Beklagte begehre wegen der vorhandenen unbehebbaren Mängel Wandlung und erkläre auch gemäß § 1117 ABGB den Rücktritt vom Vertrag.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Beklagte über Vermittlung des Vertreters der Firma Madison, Kurt H. von der Klägerin einen Telefoncomputer "Madison 1100" gemietet habe. Ein weiterer Vertreter der Firma Madison habe dann das Gerät geliefert und angeschlossen. Durch den Trick, hintereinander eine ganz bestimmte dreistellige Nummer zu wählen, wodurch immer die Verbindung zu einer bestimmten Person zustande kam, habe er erreicht, daß die Beklagte im Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit des Gerätes eine Übernahmsbestätigung gefertigt habe, wonach das Gerät fabriksneu, ordnungsgemäß und funktionsfähig und allen getroffenen Vereinbarungen entsprechend abgenommen worden sei. Tatsächlich sei aber das Gerät von Anfang an völlig unbrauchbar gewesen. Die Beklagte habe dies dann unverzüglich bei der Klägerin gerügt; trotz mehrfacher Aufforderung sei es nie zu einer Behebung der Mängel gekommen.
In rechtlicher Hinsicht leitete das Erstgericht daraus ab, daß die Beklagte berechtigt sei, den abgeschlossenen Bestandvertrag gemäß § 1117 ABGB vorzeitig aufzulösen, was auch einredeweise gegen die Klage auf Vertragszuhaltung geltend gemacht werden könne. Die von der Beklagten unterfertigte Übernahmsbestätigung könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, weil sie irrtümlich abgegeben worden sei. Der Irrtum sei durch den Vertreter der klagenden Partei veranlaßt worden. Der Beklagten stehe im übrigen auch ein Rücktrittsrecht nach § 918 ff. ABGB zu.
Die Klägerin brachte in ihrer Berufungsschrift vor, es handle sich beim Vertrag zwischen den Streitteilen um eine bloße Leasingfinanzierung. Sie verwies auf verschiedene Vertragsbedingungen laut dem schriftlichen Mietvertrag vom 3. Jänner 1977 (Beilage C), wonach unter anderem die Klägerin für allfällige Mängel des übernommenen Gerätes nicht einzustehen habe.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung nicht Folge. Schon auf Grund der unbestritten gebliebenen Tatsache, daß der gelieferte Telefoncomputer völlig funktionsuntüchtig gewesen sei, ergebe sich, daß die Beklagte zu Recht gemäß § 1117 ABGB vom Mietvertrag zurückgetreten sei. Die Klägerin habe nämlich als Vertragspartner der Beklagten für die Firma Madison als ihren Erfüllungsgehilfen einzustehen. Da die Klägerin die Lieferung des Gerätes an die Beklagte veranlaßt habe, könne sie sich auch nicht auf die wegen Irreführung unwirksame Übernahmsbestätigung berufen. Auch das Verhalten des Kurt H müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen, weil sie sich seiner Dienste zwecks Zustandekommens des Mietvertrages bedient habe. Auf alle weiteren von der Klägerin in ihrer Berufung aufgeworfenen Fragen sei nicht einzugehen, weil es sich dabei um unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen handle. All diese Umstände seien nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz gewesen, ja nicht einmal der Mietvertrag Beilage C.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge, hob das angefochtene Urteil sowie das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Streitsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revision kommt Berechtigung zu.
Unter dem Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO macht die Klägerin mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht unzutreffend angenommen hat, die verschiedenen Behauptungen der Klägerin im Berufungsverfahren über die Rechtsnatur des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages stellten eine unzulässige Neuerung im Sinne des § 482 ZPO dar. Die Klägerin hat sich nämlich immerhin von Anfang an auf den als Mietvertrag bezeichneten Vertrag vom 3. Jänner 1977, Beilage C, berufen und diesen Vertrag auch vorgelegt. Damit hat sie implizite auch die Behauptung aufgestellt, daß die einzelnen Vertragsbedingungen Punkte 1-24 laut diesem Vertrag zwischen den Streitteilen vereinbart waren, was übrigens auch die Beklagte so auffaßte, weil sie auf diese Bedingungen ausdrücklich einging. Wenn daher die Klägerin in ihrer Berufungsschrift auf einzelne Punkte dieses Vertrages erstmals auch ausdrücklich hinwies und daraus rechtliche Schlüsse zog, machte sie weder einen neuen Anspruch im Sinne des § 482 Abs. 1 ZPO geltend, noch stützte sie sich im Sinne des § 482 Abs. 1 ZPO auf Tatumstände, die nach Inhalt der Prozeßakten in erster Instanz nicht vorgekommen waren. Ein Eingehen auf den Inhalt des zwischen den Parteien unstrittigerweise zustande gekommenen Vertrages ist daher unumgänglich.
Aus den Vertragsbedingungen des Vertrages vom 3. Jänner 1977 ergibt sich aber, daß es sich unbeachtet der gewählten Bezeichnung um ein Leasing-Geschäft handelte. Dieser Sachüberlassungsvertrag ganz eigener Art weicht in seiner vertraglichen Ausgestaltung in vielen Punkten vom Mietrecht des ABGB so ab, daß es nicht angeht, entsprechend der Beurteilung der Vorinstanzen nur einfach dieses noch dazu oft dispositive Mietrecht anzuwenden.
Das Leasing-Geschäft tritt in folgenden Formen auf: Beim sogenannten unmittelbaren Leasing (Hersteller- oder Händler-Leasing) wird das Leasing-Geschäft direkt zwischen dem Hersteller oder Händler als Leasing-Geber und dem am zeitlichen Gebrauch des Gegenstandes Interessierten als Leasing-Nehmer abgeschlossen. Beim sogenannten mittelbaren Leasing tritt hingegen zwischen den Hersteller oder Händler und den Leasing-Nehmer als dritter Vertragspartner ein selbständiges Unternehmen als Leasing-Geber. Nach der Funktion des Leasing-Geschäftes ist weiters zu unterscheiden zwischen einem kurzfristigen Leasing-Vertrag, dem sogenannten Operating-Leasing, einerseits und einem langfristigen Leasing-Vertrag, dem sogenannten Finance-Leasing, andererseits. Im ersten Fall geht es darum, daß der Leasing-Nehmer das Leasing als eine ganz bestimmte Investitionsform wählt, indem er den benötigten Gegenstand nach seiner jeweiligen Bedarfslage für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt erhält und von vornherein nur den Teil vom Gesamtgebrauchswert der Sache zahlen muß, der der von ihm in Anspruch genommenen Nutzungsdauer entspricht. Beim Finanzierungsleasing hingegen steht nicht die vorübergehende Verschaffung der Gebrauchsmöglichkeit des Wirtschaftsgutes im Vordergrund, sondern hier geht es darum, daß sich der Leasing-Nehmer an sich für den dauernden Einsatz eines bestimmten Gutes entschieden hat, aber aus Gründen der Finanzierung den Leasing-Vertrag wählt. Der Leasing-Geber hat daher hier mehr oder weniger vor allem die Funktion eines Kreditgebers. Die Laufzeit solcher Leasing-Verträge wird im allgemeinen der sicheren Gesamtnutzungsdauer (der sogenannten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) des jeweiligen Objektes angepaßt, der Vertrag ist für den Leasing-Nehmer meist unkundbar, dem Leasing-Nehmer wird oft eine Kaufoption eingeräumt, und - was vor allem auch für diesen Rechtsstreit von Bedeutung ist - der Leasing-Nehmer übernimmt in aller Regel hier (vor allem, wenn die Rechtsform des mittelbaren Leasing gewählt wird) die volle Sachgefahr (s. zu allen diesen Unterscheidungen ausführlich Frotz in Hämmerle - FS (1972), 97; Nitsche in ÖJZ 1974, 29 und 61).
Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen handelt es sich zwischen den Streitteilen um den Fall eines mittelbaren Finanzierungsleasing. Ein sogenanntes Operating-Leasing scheidet nämlich wegen der vereinbarten langen Mietdauer, der Unkundbarkeit und auch wegen des Hinweises der Beklagten auf den Wert des gemieteten Gerätes (was nur sinnvoll ist, wenn dieses für dauernd angeschafft werden soll) aus, und gegen ein unmittelbares Leasing spricht die Anführung einer von der klagenden Partei verschiedenen Lieferfirma im Mietvertrag Beilage C aber auch in der Übernahmsbestätigung Beilage 6.
Nicht restlos geklärt ist, ob der in den Punkten 3 und 4 der Vertragsbedingungen in Beilage C genannte Fall gegeben ist, daß der Hersteller oder Lieferant über Auftrag der Klägerin direkt an die Beklagte lieferte; denn die bisher allein getroffene Feststellung, daß ein Monteur der Lieferfirma den Telefoncomputer "mitbrachte" und "anschloß", besagt nicht unbedingt, in wessen Auftrag er dies tat. Es könnte sein, daß er dies über Weisung der klagenden Partei unternahm, dann würde eine Lieferung durch die klagende Partei selbst vorliegen. Nur in diesem jetzt noch nicht endgültig auszuschließenden Fall einer Lieferung des Gerätes durch die Klägerin könnte mit dem Berufungsgericht gesagt werden, daß die Klägerin für den Vertreter der Firma Madison als ihren Erfüllungsgehilfen einzustehen hätte. Für diesen Fall ist ja auch nach den Vertragsbedingungen des Vertrages Beilage C die Haftung der Klägerin für die erstmalige Verschaffung der Gebrauchsmöglichkeit am gemieteten Gegenstand gar nicht ausgeschlossen, denn die diesbezüglichen Punkte 3 und 4 setzen eine Direktlieferung des von der Klägerin verschiedenen Herstellers oder Händlers an den Leasing-Nehmer voraus. Würde sich also nach entsprechender Ergänzung des Verfahrens herausstellen, daß keine solche Direktlieferung vorläge, dann käme es schon auf Grund der festgestellten Untauglichkeit des Gerätes allein wieder zur Abweisung der Klage.
Für den Fall, als jedoch eine solche Direktlieferung im Sinne der Punkte 3 und 4 des Vertrages Beilage C erwiesen werden sollte, hätte die Klägerin grundsätzlich das Recht, die Bezahlung der Miete für die ganze Vertragsdauer trotz des Umstandes zu verlangen, daß das Gerät für die Beklagte unbrauchbar ist. Es ist dann jedoch erforderlich, auf die einzelnen Einwendungen der Beklagten einzugehen.
Damit, daß der Geschäftsführer der Beklagten die einzelnen Vertragsbedingungen vor der Unterfertigung des Vertrages Beilage C nicht durchgelesen hat, ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, auch wenn dies allenfalls über Empfehlung des möglicherweise auch für die Klägerin tätigen Vertreters Kurt H geschehen sein sollte. Als Kaufmann war die Beklagte nämlich hier zu einer entsprechenden Sorgfalt verpflichtet und kann sich nach herrschender Auffassung (vgl. HS 7213 und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung) wegen anzunehmender grober Fahrlässigkeit nicht darauf berufen, die einzelnen Vertragspunkte nicht gekannt zu haben.
Hingegen muß geklärt werden, welche Stellung Kurt H zur klagenden Partei hatte, ob er auch ihr Vertreter war oder ob sich die Klägerin seiner zumindest durch Mitgabe von Vertragsformularen regelmäßig als ihrer Hilfsperson bei der Anbahnung von Leasing-Verträgen bediente; denn dann müßte die Klägerin auch dafür einstehen, wenn er die Beklagte zu einem beachtlichen Irrtum veranlaßt oder listig getäuscht hätte (vgl. HS 6456 und die dort zitierte Judikatur).
Wäre hingegen Kurt H bei der beklagten Partei ausschließlich als Vertreter der Lieferfirma aufgetreten und hätte er deutlich gemacht, daß die Klägerin nur zu Zwecken der Finanzierung der von der Beklagten geplanten Investition als Leasing-Unternehmen eingeschaltet werde, aber selbst mit der Lieferung des Gerätes nichts zu tun habe, darauf keinen Einfluß nehme und damit auch nicht für allfällige Mängel des Gerätes einzustehen habe, dann wäre die nötige Trennung zwischen Lieferant und finanzierendem Leasing-Unternehmen gegeben, die die Überwälzung der vollen Sachgefahr auf die beklagte Partei rechtfertigen würde. Sittenwidrig im Sinne der Ausführungen der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung wäre die entsprechende Vertragsklausel nämlich nur, wenn die Klägerin mit der Lieferfirma wirtschaftlich so verbunden wäre, daß praktisch nicht mehr von einem echten mittelbaren Leasing die Rede sein könnte, oder wenn die Klägerin schon bei Vertragsabschluß Kenntnis von der Unbrauchbarkeit des gelieferten Madisongerätes hatte oder haben mußte (s. dazu die irgendwie vergleichbaren Fälle der Haftung eines Kreditinstitutes für Sachmängel des finanzierten Kaufgegenstandes, z. B. EvBl. 1964/364, JBl. 1964, 324, oder JBl. 1969, 663, oder ausführlich Bydlinski in Klang[2] IV/2, 405 ff.).
Beim echten mittelbaren Finanzierungsleasing verstieße es hingegen nicht gegen die guten Sitten (vgl. Frotz a. a. O.), wenn sich die Haftung der Klägerin nur darauf beschränken würde, der Beklagten ihre Recht gegen den Lieferanten abzutreten. In diesem Zusammenhang müßte erhoben werden, ob die Klägerin diese Abtretung erklärt oder zumindest angeboten hat; denn vor Erfüllung dieser wichtigen Vertragspflicht wäre auch die Beklagte nicht gehalten, ihrerseits zu erfüllen (§ 1052 ABGB). Weiters müßte dann geklärt werden, ob die Klägerin den Telefoncomputer wirklich im Oktober 1977 vorbehaltlos zurückgenommen hat; denn dann müßte dies als konkludente Zustimmung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages gewertet werden, und die Beklagte müßte - da keiner der Fälle des Punktes 19 der Vertragsbedingungen vorläge - die Miete nur bis zu diesem Vertragsauflösungszeitpunkt entrichten.
Auf die allfälligen Folgen der unrichtigen Übernahmsbestätigung der Beklagten (s. dazu ausführlich Bydlinski in Klang[2] IV/2, 442-448) ist nicht einzugehen, weil die Klägerin daraus bisher keine Ansprüche ableitete.
Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache im Sinne dieser Ausführungen spruchreif zu machen, waren die Urteile der beiden Vorinstanzen aufzuheben.
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