Normen
Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z6
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z6
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
Spruch:
Spruchrepertorium Nr. 30.
1. Für den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. ist es ohne Belang, ob zwischen dem Untervermieter und dem Untermieter eine räumliche Gemeinschaft besteht.
2. Eine Interessenabwägung hat bei diesem Kündigungsgrund zu unterbleiben.
Entscheidung vom 29. Juni 1951, 2 Ob 420/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die klagende Partei, die Hauptmieterin der im ersten Stockwerk des Hauses ..... gelegenen Räume ist, hat am 27. Juli 1946 dem Beklagten mehrere Büroräume untervermietet, die einen eigenen Eingang vom Stiegenhaus haben, zum Teil wohl an Räume der klagenden Partei anschließen, jedoch vollkommen getrennt und selbständig benützbar sind. Am 8. Oktober 1948 kundigte die Klägerin das Untermietverhältnis gerichtlich auf; von den in der Aufkündigung angeführten Gründen ist nur der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. verblieben.
Das Prozeßgericht erkannte die Kündigung für unwirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und erklärte eine Revision für zulässig.
Der Oberste Gerichtshof erklärte die Kündigung für rechtswirksam.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Sowohl das Prozeß- als auch das Berufungsgericht haben den von der Klägerin behaupteten Eigenbedarf anerkannt. Das Prozeßgericht hat die Aufhebung der Kündigung damit begrundet, daß der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. ein "Naheverhältnis" voraussetze, daß im vorliegenden Fall mangels eines solchen Verhältnisses nur der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 6 MietG. zur Prüfung des Eigenbedarfes heranzuziehen und daß dem Beklagten in der Kündigung ein Ersatzlokal nicht angeboten worden sei. Das Berufungsgericht hat unter grundsätzlicher Billigung der Rechtsansicht des Prozeßgerichtes ausgesprochen, daß bei abgesonderter Benützbarkeit untervermieteter Geschäftsräume die Erwägungen wegfallen, die zur Kündigungsmöglichkeit nach dem § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. führen, und daraus, daß auf die untervermieteten Räume alle objektiven Merkmale der abgesonderten Benützbarkeit zutreffen, gefolgert, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund des Eigenbedarfes nach den Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 MietG. zu prüfen sei, von denen aber hier nur der des § 19 Abs. 1 in Frage kommen könne; nach der Ansicht des Berufungsgerichtes setzt jedoch eine Aufkündigung von Geschäftsräumen ohne Beistellung von Ersatzräumen nach § 19 Abs. 1 "gewichtige, existenzbedrohende Fälle", nicht aber bloß einen dringenden Eigenbedarf voraus.
Das Revisionsgericht kann der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht beipflichten. Nach § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. ist es bei Untermietverhältnissen als ein wichtiger Grund, den Bestandvertrag zu kundigen, anzusehen, wenn durch die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzt würden, namentlich wenn der Untervermieter den Mietgegenstand für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt oder wenn ihm nach den Umständen die Aufrechterhaltung der Wohnungsgemeinschaft mit dem Untermieter billigerweise nicht zugemutet werden kann. Da das Gesetz bei diesem Kündigungsgrund nicht unterscheidet, ob Wohnräume oder Geschäftsräumlichkeiten in Untermiete überlassen worden sind, ist er auch auf Geschäftsräumlichkeiten anwendbar, ohne daß der Untervermieter zur Beschaffung eines nach Lage und Beschaffenheit angemessenen Ersatzes, wie bei dem Kündigungsgrund nach Z. 6 gefordert, verpflichtet ist. Das Gesetz verlangt aber auch nur den Nachweis, daß wichtige Interessen des Untervermieters durch die Fortsetzung der Untermiete verletzt werden, jedoch nicht, wie beim Kündigungsgrund nach Z. 5 für Hauptmieten, den weiteren Nachweis, daß dem Untervermieter aus der Aufrechterhaltung des Bestandvertrages ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwüchse als dem Untermieter aus der Kündigung. Schließlich fehlt im Gesetz jeder Anhaltspunkt für die Annahme, daß Untermietverhältnisse, bei denen die Räume völlig abgesondert benützbar sind, im Fall einer Kündigung nach Z. 12 einer anderen rechtlichen Beurteilung unterliegen als solche, bei denen eine Gemeinschaft zwischen Untervermieter und Untermieter besteht. Denn der Begriff der Untermietverhältnisse ist dem allgemeinen bürgerlichen Recht zu entnehmen, das hiefür die Bezeichnung Aftermiete gewählt hat, und zwar ohne Unterschied auf die Art der Benützbarkeit der Räume. Das Mietengesetz selbst erwähnt eine engere Gemeinschaft zwischen Untervermieter und Untermieter nur anläßlich der Anführung eines Falles der erleichterten Kündigungsmöglichkeit nach Z. 12, nämlich dann, wenn dem Untervermieter die Aufrechterhaltung der "Wohnungsgemeinschaft" billigerweise nicht zugemutet werden kann. Der Begriff der Wohnungsgemeinschaft ist allerdings nicht wörtlich auszulegen und es wird schlechtweg in jedem Fall einer räumlichen Gemeinschaft, mag sie auch nicht nur durch das "Wohnen" begrundet worden sein, die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses für den Untervermieter einen wichtigen Kündigungsgrund bilden. Wenn aber die Kündigung des Untermietverhältnisses auf einen Eigenbedarf des Untervermieters gestützt wird, kommt eine Zumutbarkeit der Fortsetzung der Untermiete überhaupt nicht in Betracht und ist vom Gesetz in diesem Fall nur gefordert, daß der Untervermieter den Mietgegenstand - sei es für sich, sei es für nahe Angehörige - dringend benötigt.
Die Rechtsprechung hat in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des Mietengesetzes die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 12 in dem vorstehenden Sinn ausgelegt, eine Kündigung untervermieteter Geschäftsräumlichkeiten wegen Eigenbedarfes ohne Ersatzbeschaffung zugelassen (Ob III 109/23, SZ. V/96 und 141) und auch eine Interessenabwägung in allen Fällen ausgeschlossen (Ob I 383/23). Erst seit dem Jahre 1935 ist die Rechtsprechung schwankend geworden. Den Anlaß hiezu haben die Fälle gebildet, in denen der Mietgegenstand zur Gänze dem Untermieter überlassen worden ist; dem Untermieter ist in diesen Fällen eine einem Hauptmieter ähnliche Stellung eingeräumt und der Erfolg einer Kündigung wegen Eigenbedarfes davon abhängig gemacht worden, daß die Interessenabwägung zugunsten des Untervermieters ausgefallen ist (ZBl. 1935, Nr. 308; JBl. 1935, S. 348 und 1936, S. 83). Seit dem Jahr 1947 ist die Rechtsprechung nicht mehr einheitlich, und zwar sowohl in den Fällen, in denen ein sogenanntes "Naheverhältnis" zwischen Untervermieter und Untermieter bestanden hat, als auch dort, wo ein solches gefehlt hat. Während in den Entscheidungen 1 Ob 353/47 und 2 Ob 338/49 die alte Auffassung, daß beim Kündigungsgrund der Z. 12 eine Interessenabwägung zu entfallen hat, übernommen worden ist, ist in den Entscheidungen 1 Ob 300/46, 1 Ob 286/48, 1 Ob 21/50 und 1 Ob 239/50 die einen Mittelweg einschlagende Rechtsansicht vertreten worden, daß zwar eine Interessenabwägung nicht ausdrücklich vorgeschrieben sei, daß aber doch eine "gewisse" Interessenabwägung insofern stattzufinden habe, als auf die beiderseitigen Verhältnisse billigerweise Rücksicht zu nehmen sei; im Sinn der Entscheidung 2 Ob 434/50 kann allerdings die Interessenabwägung nicht so weit gehen, daß eine Kündigung nur im Fall eines "unverhältnismäßig" größeren Nachteiles für den Untervermieter zulässig wäre. Eine Interessenabwägung ist jedoch ausdrücklich in den Entscheidungen 1 Ob 88/48 und 3 Ob 180/49 (SZ. XXII/116) verlangt worden, in letzterer unter der Voraussetzung, daß eine räumliche Gemeinschaft zwischen Untervermieter und Untermieter nicht bestanden hat. Noch weiter ist schließlich die Entscheidung 3 Ob 593/50 gegangen, nach der dann, wenn der untervermietete Raum im Wohnungsverbande des Untervermieters liegt, der Kündigungsgrund der Z. 12, wenn aber der Untermieter außerhalb des Wohnungsverbandes des Untervermieters lebt, der Kündigungsgrund der Z. 5 für die Beurteilung maßgebend sein soll.
Das Revisionsgericht hält in der Erwägung, daß nach Ansicht des Gesetzgebers der Untervermieter durch die Schaffung des Kündigungsgrundes der Z. 12 gegenüber dem Hauptvermieter begünstigt werden sollte, den Standpunkt, den die jüngere Rechtsprechung - wenigstens zum Teil - eingenommen hat, nicht für weiterhin vertretbar, soweit über den Wortlaut des Gesetzes hinaus dem Untervermieter die Kündigung seines Untermieters erschwert werden soll. Bei geltendgemachtem Eigenbedarf hat der Untervermieter lediglich nachzuweisen, daß er den Mietgegenstand dringend benötigt; eine Berücksichtigung der Interessen des Untermieters ist ebensowenig zulässig als eine Unterscheidung der Untermietverhältnisse, je nachdem eine räumliche Gemeinschaft mit dem Untervermieter vorliegt oder nicht.
Da im vorliegenden Fall das Berufungsgericht die Feststellung des Prozeßgerichtes übernommen hat, daß sich der Umfang des Geschäftsbetriebes der klagenden Partei seit dem Abschluß des Mietvertrages mit dem Beklagten wesentlich vergrößert hat, daß der klagenden Partei für ihren Betrieb nur 10 Räume zur Verfügung stehen, obwohl sich die Zahl der Angestellten von ursprünglich 30 auf nunmehr 37 vermehrt hat, daß die zur Verfügung stehenden Räume zur Unterbringung der Angestellten nicht mehr hinreichen, daß ein Teil von ihnen die Mittagspause in einem Telephonkabinett verbringen muß und daß schließlich nicht einmal der Leiter des Betriebes in einem abgesonderten Raum untergebracht werden kann, ist das Revisionsgericht - gleich dem Berufungsgerichte - der Ansicht, daß die Voraussetzungen des dringenden Eigenbedarfes auf die klagende Partei zutreffen und daß bereits aus diesem Gründe die Aufkündigung gerechtfertigt gewesen ist.
Es war daher in Abänderung des Urteiles des Berufungsgerichtes die Aufkündigung für wirksam zu erkennen.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Unter einem hat der Senat die Eintragung nachstehender Rechtssätze unter Nr. 30 in das Spruchrepertorium beschlossen:
1. Für den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG. ist es ohne Belang, ob zwischen dem Untervermieter und dem Untermieter eine räumliche Gemeinschaft besteht.
2. Eine Interessenabwägung hat bei diesem Kündigungsgrund zu unterbleiben.
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