OGH 2Ob41/05a

OGH2Ob41/05a31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael N*****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 3.438,21 sA und Feststellung (Streitwert EUR 30.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 17. Jänner 2005, GZ 1 R 248/04b-8, womit der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 22. November 2004, GZ 15 Cg 67/04b-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger war als LKW-Fahrer bei der B***** Walter GmbH beschäftigt, die Halterin eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Containerzug-LKWs war. Er lenkte am 11. 9. 2002 diesen LKW-Zug, der in der Folge über eine Böschung stürzte, wodurch der Kläger schwer verletzt wurde.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Hälfte der von ihm behaupteten Schmerzengeld- und Verdienstentgangsansprüche sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei zumindest zur Hälfte für die künftig entstehenden unfallskausalen Schäden. Zum Unfall sei es durch das schuldhafte Unterlassen des Arbeitgebers gekommen, der trotz Kenntnis von Fahrzeugmängeln nicht für eine Reparatur gesorgt habe. Die Haftung der beklagten Partei stütze sich insbesondere auf § 2 Abs 1 KHVG.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und vertrat die Auffassung, für die Behandlung dieser Rechtssache sei nicht die allgemeine Zivilabteilung des Landesgerichtes Linz zuständig, sondern liege vielmehr die Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vor. Der Kläger mache im Prinzip Ansprüche gegenüber seinem Dienstgeber geltend, die er aus dem Arbeitsverhältnis ableite und wofür die beklagte Partei nach § 1014 ABGB haften solle.

Das Erstgericht sprach aus, dass das Landesgericht Linz für diesen Prozess in der Besetzung gemäß den §§ 10, 11 Abs 1 ASGG zuständig sei. Der Kläger mache in der Sache eigentlich Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber, die er aus seinem Dienstverhältnis ableite, geltend. Daran ändere sich auch nichts, dass er den Versicherer seines Arbeitsgebers klage. Solche Rechtssachen seien von den Arbeits- und Sozialgerichten zu entscheiden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der zuständige Einzelrichter des Landesgerichtes Linz das Verfahren durchzuführen habe und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Eine Heilung der Gerichtsbesetzung sei nicht eingetreten, weil diese bereits in der Klagebeantwortung bemängelt worden sei. Es liege keine Arbeitsrechtssache iSd §§ 50 ff ASGG vor. Die beklagte Partei werde als Haftpflichtversicherer des ehemaligen Arbeitgebers für dessen LKW in Anspruch genommen. Nach § 26 KHVG könne der Geschädigte den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages auch gegen den Versicherer geltend machen. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherte hafteten als Gesamtschuldner. Dieser Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer beruhe auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt, durch den die Schadenersatzansprüche des Geschädigten durch Hinzutritt eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt würden. Die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer des ehemaligen Arbeitgebers stehe im Zusammenhang mit dem ehemaligen Arbeitsverhältnis. Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Dritten fielen nicht in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte, soferne nicht die §§ 8, 52 ASGG zur Anwendung kämen. Ein Fall des § 8 ASGG (Gerichtsstand des Zusammenhanges) liege nicht vor, Nach § 52 ASGG gelte § 50 ASGG (Gegenstand der Arbeitsrechtssachen) auch für Fälle, in denen die Rechtsstreitigkeiten geführt werden durch einen Rechtsnachfolger (Z 1), durch eine Person, die kraft Gesetzes an Stelle der ursprünglichen Partei hiezu befugt sei (Z 2), durch Hinterbliebene des Arbeitnehmers (Z 3) und letztlich durch einen Versicherungsträger, der aus einer mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden unerlaubten Handlung eines Arbeitgebers oder eines diesem Gleichgestellten Ersatzansprüche ableitet (Z 4).

Beim Haftpflichtversicherer handle es sich nicht um einen „Rechtsnachfolger" iSd § 52 Z 1 ASGG. Als eine Person, die kraft Gesetzes zur Führung eines Prozesses an Stelle der ursprünglichen Partei dazu befugt sei (Z 2), werde nach Lehre und Rechtsprechung nur der Masseverwalter im Konkurs, der Zwangsverwalter oder der Überweisungsgläubiger, an den eine aus dem Arbeitsverhältnis entspringende und gepfändete Forderung des verpflichteten Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Einziehung oder an Zahlung statt überwiesen worden ist, angesehen.

Die gewillkürte Prozessstandschaft sei nach dem österreichischen Prozessrecht unzulässig, wohl werde hingegen die gesetzliche Prozessstandschaft anerkannt. Das Einschreiten von Masseverwalter, bzw Überweisungsgläubiger werde von § 52 Z 2 ASGG erfasst. Da § 52 Z 2 ASGG nur die Schuldübernahme erfasse und den Schuldbeitritt ausschließe und Z 2 leg cit nur Fälle der gesetzlichen Prozessstandschaft erfasse, sei der gesetzliche Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers, der auch zur Abwehr der eigenen Deckungspflicht den Prozess führe, vom Anwendungsbereich des § 52 ASGG ausgeschlossen. Mangels einer entsprechenden beklagten Partei liege daher keine Arbeitsrechtssache iSd §§ 50, 52 ASGG vor.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu § 52 Z 2 ASGG Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht aufgefunden werden konnte.

Die beklagte Partei beantragt in ihrem Rechtsmittel, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angegebenen Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt die Meinung, bei den Ansprüchen des Klägers handle es sich um solche aus dem seinerzeitigen Dienstverhältnis, weshalb eine Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG vorliege.

Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden.

Eine Arbeitsrechtssache iSd 50 Abs 1 Z 1 ASGG liegt dann vor, wenn bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. Die Bestimmung des § 52 ASGG soll jeden Zweifel darüber ausschließen, dass auch die von den Rechtsnachfolgern geführten Arbeitsrechtssachen iSd § 50 Abs 1 leg cit in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte fallen. Rechtsnachfolger ist etwa jene Partei, an die eine Forderung zediert oder an Zahlungs Statt überlassen wurden oder auf die eine Forderung durch Legalzession übergegangen ist, bzw jene Partei, auf die eine unter den § 50 fallende Forderung durch Schuldübernahme, nicht aber durch Schuldbeitritt übergegangen ist (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 333 f mwN). Rechtsnachfolger iSd Z 2 ist eine Person, die - wie das Rekursgericht zutreffend bemerkt hat - kraft Gesetzes an Stelle der ursprünglichen Partei zur Führung der Rechtsstreitigkeit befugt ist. Dies sind etwa der Masseverwalter im Konkurs, der Zwangsverwalter oder der Überweisungsgläubiger, an den eine aus dem Arbeitsverhältnis entspringende und gepfändete Forderung des verpflichteten Arbeitsnehmers gegen seinen Arbeitsgeber zur Einziehung oder an Zahlungs Statt überwiesen worden ist (Kuderna aaO).

Der im Sinne des § 26 KHVG direkt mit Klage zu belangende Haftpflichtversicherer zählt aber nicht zu den „Personen, die kraft Gesetzes an Stelle der ursprünglichen Partei zur Führung von Rechtsstreitigkeiten befugt ist". Der Direktanspruch beruht vielmehr auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt (Danzl, EKHG7 § 15 E 16) der nicht zu einer Rechtsnachfolge iSd § 52 ASGG führt.

Eine Anwendung des § 8 ASGG kommt nicht in Betracht, weil nur der Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen wurde.

Das Rekursgericht hat daher zutreffend das Vorliegens einer Arbeitsrechtssache verneint.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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