OGH 2Ob39/95

OGH2Ob39/9524.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der klagenden Partei 1. Eva M*****, und 2. Gerda H*****, beide vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie 3. Ulrike H*****, vertreten durch Dr.Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Hans W*****, vertreten durch Dr.Dieter Gorscheg, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen S 159.717,80 sA, aus Anlaß des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 22.Juli 1994, GZ 2 R 78/94-64, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 22. Jänner 1994, GZ 21 Cg 385/93-51, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß des Rekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen sowie das diesen vorangegangene Verfahren als nichtig behoben. Die Klage wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Vertragsarzt der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse. In dem vom ihm betriebenen Dialyseinstitut wurde ab 1987 Herta H***** (im folgenden "Patientin" genannt) wegen eines Nierenleidens einer Dialysebehandlung unterzogen. Versichert in der Krankenversicherung ist ihr Ehemann, wobei für ihn aufgrund seines Wohnsitzes die klagende Salzburger Gebietskrankenkasse örtlich zuständig ist. Die Dialysebehandlung wurde beim Beklagten in den Zeiten durchgeführt, in denen sich die Patientin an einem in der Nähe seines Instituts gelegenen Ort aufhielt. Der Beklagte verrechnete die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen mit der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, die ihrerseits den Aufwand der klagenden Partei verrechnete.

Der chefärztliche Dienst der klagenden Partei genehmigte der Patientin die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeuges für den Transport zum und vom Ort der Dialysebehandlung, wobei für jede Behandlung vier Fahrten, nämlich zwei Fahrten für die Hin- und Rückfahrt, um die Patientin zur Behandlung zu bringen, und zwei Fahrten für die Hin- und Rückfahrt, um sie vom Ort der Behandlung abzuholen, genehmigt wurden. Der Transport wurde vom Ehemann der Patientin mit seinem Kraftfahrzeug durchgeführt. Zum Nachweis der Transportkosten war bei der klagenden Partei ein von ihr aufgelegtes Formular vorzulegen, auf dem vom behandelnden Arzt mit Datum, Stampiglie und Unterschrift zu bestätigen war, daß die Patientin behandelt wurde. Unter dem dafür vorgesehenen Raum befand sich zum Teil ein Vermerk mit dem Wortlaut "Auszahlung-Anweisung für die bestätigte(n) Fahrt(en)", der jedoch erkennbar von den Bediensteten der klagenden Partei auszufüllen war. Aus dem Formular war jeweils auch zu ersehen, daß eine Dialysebehandlung durchgeführt wurde.

Von den Angestellten des Beklagten wurde auf den Formularen für ein und dasselbe Datum zum Teil eine Stampiglie, zum Teil wurden hiefür aber auch zwei oder vier Stampiglien angebracht und jeweils unterschrieben. Dies führte dazu, daß der Patientin für eine Behandlung Transportkosten zum Teil für 8 und zum Teil für 16 Fahrten ersetzt wurden, weil die Bediensteten der klagenden Partei jeden Stampiglienabdruck als Bestätigung einer gesonderten Behandlung ansahen.

Mit der am 24.Oktober 1990 eingelangten Klage begehrt die klagende Partei (unter Anerkennung eines Mitverschuldens ihrer Bediensteten) einen Betrag von "höchstens" 50 % vom Beklagten und zuletzt die Bezahlung von S 159.717,80 sA "gemeinsam" mit der Patientin, das ist die Hälfte des von der klagenden Partei mit S 319.435,60 behaupteten Schadens. Der Beklagte habe zu Unrecht mehrere Behandlungen für ein und denselben Tag bestätigt. Außerdem habe er auch Bestätigungen ohne Angabe des Datums der Behandlung ausgestellt. Dies habe im Zusammenhang mit den Abrechnungsfehlern ihrer Bediensteten und mangelnder Kontrolle dazu geführt, daß die Patientin Transportkosten beansprucht und erhalten habe, denen keine Behandlung gegenübergestanden sei.

Der Beklagte bestritt ein schuldhaftes Verhalten. Zur Ausstellung von Bestätigungen mit Stampiglienabdrücken für ein und denselben Tag sei es deshalb gekommen, weil die Patientin glaubhaft versichert habe, daß die klagende Partei für jede einzelne Fahrt eine Bestätigung verlange. Bestätigungen ohne Angabe des Datums seien nicht ausgestellt worden. An Tagen, an denen keine Dialysebehandlung stattgefunden habe, seien Leistungen erbracht worden, die dem Versicherungsträger nicht verrechnet werden könnten und ihm daher auch nicht bekanntgegeben worden seien, wie Infusionen, Instillationen, interne Untersuchungen und der Wechsel des Verbandes. Die Zahlung von nicht gebührenden Transportkosten sei allein darauf zurückzuführen, daß die klagende Partei entweder keine Kontrollen durchgeführt oder sich nicht geeigneter Mitarbeiter bedient habe, weil diesen auffallen hätte müssen, daß die von der Patientin geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der Transportkosten nicht berechtigt sein könnten. Der klagenden Partei sei überdies kein Schaden entstanden, da sie sämtliche Leistungen nach dem Opferfürsorgegesetz vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ersetzt erhalten habe.

Die Nebenintervenientinnen, die dem Rechtsstreit auf seiten der klagenden Partei beigetreten sind, brachten im wesentlichen vor, es sei auch bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht zu erkennen gewesen, daß der Patientin der begehrte Ersatz von Transportkosten zum Teil nicht zustehe, zumal dies auch trotz laufender Prüfung durch die "Innenrevision" der klagenden Partei erst im März 1990 festgestellt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war rechtlich der Meinung, daß den Beklagten kein Verschulden an dem der klagenden Partei entstandenen Schaden treffe, weil er nicht zuletzt aufgrund der Gestaltung der Formulare der Meinung sein habe dürfen, es müsse je Fahrt eine Stampiglie abgedruckt werden. Es wäre allein Sache der klagenden Partei gewesen, durch Einsatz ausreichend ausgebildeter Bediensteter den Eintritt des Schadens zu vermeiden.

Das Berufungsgericht trug infolge Berufung der klagenden Partei dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des rechtzeitigen und zulässigen Rekurses der beklagten Parteien ist folgendes zu erwägen:

Gemäß § 129 Abs 2 ASVG gilt die im vorangehenden Abs 1 vorgesehene Regelung entsprechend für den Versicherten und seine Angehörigen, wenn sie während eines vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Sprengels ihres zuständigen Versicherungsträgers erkranken. Nach dem Abs 1 ist bei Versicherten oder deren Angehörigen, die ihren ordentlichen Wohnsitz außerhalb des Sprengels des für sie zuständigen Versicherungsträgers haben, auf dessen Ersuchen der für den Wohnsitz zuständige Versicherungsträger verpflichtet, die aus der Krankenversicherung gebührenden Leistungen gegen Kostenersatz zu gewähren. Nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle sind die mit dem Versicherungsträger des Wohnsitzes in vertraglicher Beziehung stehenden Personen und Einrichtungen (Ärzte, Apotheker, Krankenanstalten usw) zur Leistung nach den für sie geltenden Verträgen auch in diesen Fällen verpflichtet. Hier bedeutet dies, daß der Beklagte aufgrund des Gesetzes in Verbindung mit dem mit der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse abgeschlossenen Vertrag gegenüber der klagenden Partei verpflichtet war, ärztliche Leistungen an die Patientin zu erbringen. Die klagende Partei fällt daher in den Schutzbereich des zwischen dem Beklagten und der steiermärkischen Gebietskrankenkasse geschlossenen Einzelvertrages.

Die klagende Partei macht mit ihrer Klage Schadenersatzansprüche aus diesem Vertragsverhältnis geltend.

Dazu ist zu bemerken:

Mit der am 1.Jänner 1990 in Kraft getretenen 48. Novelle zum ASVG BGBl 1989/642, wurden die §§ 344 bis 347 neu gefaßt. Nach § 344 Abs 1 ist zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, eine Paritätische Schiedskommission berufen. Zu deren Kompetenz gehören insbesondere Schadenersatzstreitigkeiten zwischen den Vertragspartnern (Souhrada, Die neue Schiedskommissionsorganisation, SoSi 1990, 20). Über Berufungen gegen Bescheide der Paritätischen Schiedskommission entscheidet die Landesberufungskommission (§ 345 Abs 2 Z 1 ASVG); diese ist eine Verwaltungsbehörde gemäß § 133 Z 4 B-VG, deren Entscheidungen gemäß § 346 Abs 7 ASVG iVm § 345 Abs 3 ASVG weder einer Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungswege unterliegen.

Für die von der klagenden Partei geltend gemachte Schadenersatzforderung war daher der Rechtsweg von vornherein unzulässig (vgl SZ 63/11 = SoSi 1991, 72). Da die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges von den Vorinstanzen gar nicht erörtert wurde und daher eine bindende Entscheidung im Sinne des § 42 Abs 3 JN nicht vorliegt, war gemäß § 42 Abs 1 JN die Nichtigerklärung des durchgeführten Verfahrens einschließlich der bereits gefällten Entscheidungen auszusprechen und die Klage zurückzuweisen (EvBl 1995/89).

Die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens waren gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegeneinander aufzuheben.

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