OGH 2Ob37/67

OGH2Ob37/673.2.1967

SZ 40/16

Normen

ABGB §180
ABGB §180

 

Spruch:

Die Bestimmung, "eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes ist unbeachtlich, wenn ..." gilt auch für die Frist von 16 Jahren im letzten Satz des § 180 ABGB.

Entscheidung vom 3. Februar 1967, 2 Ob 37/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.

Text

Das Erstgericht hat den Antrag des Magistrates der Stadt Wels, des Amtsvormundes der mj. Renate O., geboren am 19. September 1945, den zwischen ihr und Franz O., dem Gatten ihrer Mutter, abgeschlossenen Adoptionsvertrag gemäß § 179a ABGB. zu bewilligen, mit der Begründung abgewiesen, daß die Voraussetzungen des § 180 ABGB. nicht erfüllt seien. Der Altersunterschied zwischen dem Wahlvater und dem Wahlkind müsse gemäß § 180 ABGB. 16 Jahre betragen. Tatsächlich sei der Altersunterschied aber nur 15 Jahre, 11 Monate und 15 Tage, sodaß noch 15 Tage fehlen. Die Bestimmung des § 180 ABGB., wonach eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes unbeachtlich sei, beziehe sich nur auf den Altersunterschied von 18 Jahren. Der 16jährige Altersunterschied stelle bereits die unterste Grenze der gesetzlichen Nachsichtmöglichkeiten dar. Eine auch nur geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes sei ausgeschlossen.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Wahlvaters Folge gegeben, den angefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, nach Ergänzung des Verfahrens die Adoption unter Abstandnahme von dem gebrauchten Abweisungsgrund zu bewilligen.

Das Rekursgericht war der Meinung, daß der 16jährige Altersunterschied an die Stelle des 18jährigen trete, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Auch für diesen geringeren Altersunterschied komme daher die Bestimmung über die Zulässigkeit einer geringfügigen Unterschreitung dieses Zeitraumes in Betracht. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Zeitraum von 16 Jahren die unterste Grenze der gesetzlichen Nachsichtmöglichkeit darstelle, sei im Gesetz nicht zweifelsfrei gedeckt. Die Unterschreitung des Zeitraumes von 16 Jahren um bloß 15 Tage sei kein hinreichender Grund für die Abweisung des Antrages. Hingegen seien noch nicht alle Grundlagen für die Genehmigung des Antrages festgestellt, weshalb das Verfahren ergänzungsbedürftig sei und daher aus diesem Grund die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen werden müsse.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zulässig (SZ. XXXIV 42), aber nicht gerechtfertigt.

Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung wendet sich gegen die oben dargelegte Ansicht des Rekursgerichtes, indem es auf die Erläuternden Bemerkungen zu § 180 ABGB. hinweist. Darin heißt es u. a: "In diesem Fall (Mindestaltersunterschied von 16 Jahren) gibt es selbstverständlich nicht die Möglichkeit einer weiteren, wenn auch nur geringfügigen, Unterschreitung." Die Auffassung des Rekursgerichtes widerspreche daher dem Gesetz. Durch diese Auslegung werde auch der Zweck und das Ziel dieser Gesetzesbestimmung vereitelt. Durch die Adoption soll eine möglichste Nachbildung er Familie geschaffen werden. Es müsse daher dafür gesorgt werden, daß der Annehmende auf Grund eines altersmäßigen Übergewichtes die nötige Autorität besitze, um die Erziehung wirksam zu leiten. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn der im Gesetz vorgeschriebene Altersunterschied bei der Bewilligung eines Adoptionsvertrages genauestens eingehalten werde.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Nach der Auslegungsregel des § 6 ABGB. darf einer gesetzlichen Bestimmung bei der Anwendung kein anderer Verstand (Sinn) beigelegt werden als der, der sich aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang ergibt und der aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Bei der Auslegung von Gesetzen werden verschiedene Methoden angewendet. Grundsätzlich ist aber nur der in gehöriger Form kundgemachte Wille des Gesetzgebers maßgebend. Ein Rechtssatz, für den das Gesetz keinen Anhaltspunkt gibt, kann auch nicht aus der Entstehungsgeschichte entnommen werden. Auf diese ist erst zurückzugreifen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist. Insbesondere kann aber ein Rechtssatz, der nur in den Materialien (Erläuternden Bemerkungen) enthalten ist, nicht durch Auslegung Geltung erlangen (2 Ob 464/60 in JBl. 1961 S. 425, EvBl. 1963 Nr. 22 u. a.). Das kundgemachte Gesetz steht in seinem Wortlaut über der Meinung der Redaktoren. Letztere ist nur ein Behelf der Auslegung, keineswegs der einzige, geschweige denn der wichtigste (Plenissimarbeschluß vom 1. April 1908, GlUNF. 4185). Der Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zu § 180 ABGB. läßt für sich allein die vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vorgenommene Auslegung noch nicht für gerechtfertigt erscheinen. Auch können die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen nicht als Rechtssatz Geltung haben.

Aus dem Wortlaut des § 180 ABGB. ergibt sich, daß unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle des Altersunterschiedes von 18 Jahren ein solcher von 16 Jahren treten soll, nämlich dann, wenn das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden ist. Da im Gesetz eine Anwendung der Bestimmung über die Zulässigkeit einer geringfügigen Unterschreitung des Altersunterschiedes für den 16 jährigen Altersunterschied nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, besteht kein Anlaß, diese Erleichterung für die Bewilligung einer Adoption nicht auch für den kürzeren Zeitraum gelten zu lassen. Dadurch wird auch der Zweck der Adoption, nämlich die Herstellung eines familienähnlichen Autoritätsverhältnisses zwischen dem Wahlkind und dem Annehmenden in keiner Weise beeinträchtigt. Es kann sich immer nur um eine geringfügige Unterschreitung handeln. Eine solche kann sich auch bei einem Altersunterschied von nur 16 Jahren nicht nachteilig auswirken. Im vorliegenden Fall beträgt die geringfügige Unterschreitung lediglich 15 Tage. Dabei kann wohl nicht gesagt werden, daß durch das Fehlen dieser 15 Tage das zu begrundende Autoritätsverhältnis zwischen Wahlvater und Wahlkind nachteilig beeinflußt werde.

Die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen, daß auf diese Weise, Auslegungsschwierigkeiten bezüglich des Begriffes "geringfügige Unterschreitung" entstehen könnten, ist nicht überzeugend. Wohl beträgt der Unterschied der beiden Zeiträume zwei Jahre, aber es kann doch nicht angenommen werden, daß eine geringfügige Unterschreitung auf dieses Ausmaß ausgedehnt werden könnte. Hiebei kann es sich niemals um einen Zeitraum von Jahren, sondern doch nur um ganz geringfügige Zeiträume handeln. Mit Auslegungsschwierigkeiten ist daher auch in diesem Fall nicht zu rechnen.

Es bestehen daher keine Bedenken, das Gesetz so auszulegen, wie es das Rekursgericht getan hat, nämlich, daß die zulässige geringfügige Unterschreitung des Altersunterschiedes sowohl bei dem 18jährigen wie auch bei dem 16jährigen Zeitraum anzuwenden ist.

Aus den angeführten Gründen kann daher dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein. Das Erstgericht wird nunmehr die vom Rekursgericht für notwendig erachteten Ergänzungen vorzunehmen und sodann neuerlich zu entscheiden haben, wobei es von obiger Rechtsansicht auszugehen haben wird.

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