Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 15.643,98 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.607,33 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 6.7.1985 fuhren der Kläger und der Erstbeklagte, zusammen mit zwei weiteren Freunden in ein Gasthaus in St.Georgen am Walde (Sengstbratl), wo sie sich - vorwiegend billardspielend - bis ca 23 Uhr aufhielten. Während dieser Zeit nahm der Erstbeklagte keine alkoholischen Getränke zu sich. Auch tagsüber hatte er keinen Alkohol konsumiert. Zwischenzeitig waren sie auch zu einem anderen Gasthaus nach Dimbach gefahren, um einen Freund zu suchen. Auch in diesem Gasthaus hatte der Erstbeklagte keinen Alkohol zu sich genommen. Gegen 23 Uhr beschlossen die vier Freunde, zum Waldfest nach Königswiesen zu fahren, wo sie etwa gegen 23,30 Uhr eintrafen. Sie setzten sich gemeinsam an einen Tisch; anfänglich saßen der Kläger und der Erstbeklagte etwa 1 1/2 Stunden beisammen, wobei aber zwischendurch der Erstbeklagte auch tanzen ging; er kehrte jedoch zum Tisch wieder zurück. Während dieser Zeit konsumierte er keine alkoholischen Getränke; er trank allerdings in Gegenwart des Klägers einmal aus dessen Bierglas einen Schluck. Der Erstbeklagte nahm in weiterer Folge - vom Kläger unbemerkt - noch ein paar Mal einen Schluck aus dem Bierglas des Klägers. Umstände, daß der Kläger davon hätte wissen müssen, ergab das Verfahren nicht. Daß der Erstbeklagte kurz nach der Ankunft am Waldfest ein Viertel gespritzten Wein getrunken hätte, ist nicht erwiesen. Der Erstbeklagte trank aber dann auch noch aus Biergläsern seiner Freunde gelegentlich mit, was dem Kläger allerdings nicht bekannt wurde, weil er getanzt und sich mit Freunden unterhalten hatte und auch nebenan etwas essen gegangen war. Der Erstbeklagte hatte an diesem Tag an Zahnschmerzen gelitten und deswegen zwei schmerzstillende Tabletten (Duan) eingenommen, was dem Kläger aber nicht bekannt war. Da sich die Streitteile getrennt unterhalten hatten, konnte der Kläger nicht beobachten, wieviel der Erstbeklagte konsumiert hatte. Es bestand für den Kläger auch kein besonderer Anlaß, darauf zu achten, weil der Erstbeklagte normalerweise eher keinen Alkohol zu sich nimmt. Gegen 3,15 Uhr teilte der Erstbeklagte seinen Freunden mit, daß er nun heimfahren wolle. Da diese noch nicht fahren wollten, bestellte der Erstbeklagte eine "Halbe Bier". Bald darauf wollten jedoch auch die Freunde heimfahren, weshalb der Erstbeklagte das Bier austrank und gemeinsam mit dem Kläger und den beiden anderen Freunden zum Auto ging. Vor Antritt der Fahrt machte er auf seine Freunde keinen alkoholisierten oder übermüdeten Eindruck. Daß er kurz vor Antritt der Heimfahrt eine Halbe Bier getrunken hatte, hatten alle Mitfahrer wahrgenommen. Der Erstbeklagte selbst fühlte sich fahrtauglich. Etwa eine Viertelstunde nach Beginn der Fahrt kam es im Ortschaftsbereich Ottenschlag, in einer unübersichtlichen Kurve bei Straßenkilometer 3,248 zum Unfall, und zwar dadurch, daß der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW (O 747.648) von der Fahrbahn abkam und gegen die Leitschiene prallte. Dabei wurden alle Mitfahrer schwer verletzt. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §§ 88 Abs 1 und 4 (81 Z 2) StGB rechtskräftig verurteilt. Das Strafgericht ging davon aus, daß der Erstbeklagte durch Einhalten einer für sein Fahrkönnen überhöhten Geschwindigkeit nach rechts von der Fahrbahn abkam und gegen die Leitschiene prallte. Die etwa 3 Stunden nach dem Unfall durchgeführte Blutentnahme ergab einen Blutalkoholwert von 1,22 Promille, was einem Wert zur Unfallszeit (3,30 Uhr) von etwas über 1,52 Promille entsprach. Dabei hatte sich auch die Tabletteneinnahme ungünstig auf die Fahrtüchtigkeit ausgewirkt. Bei diesem Unfall erlitt der Kläger, der die Sicherheitsgurten angelegt hatte, eine traumatische Amputation des linken Oberschenkels, einen offenen Bruch der linken Elle, einen offenen Trümmerbruch des rechten Unterschenkels mit Beteiligung des Sprunggelenkes, eine Dehnung des linken Kreuzdarmbeingelenkes, eine Dehnung des inneren Seitenbandes und des äußeren Seitenbandes sowie eine starke Banddehnung der Kreuzbänder im rechten Kniegelenk, mehrfache Prellungen und Hautabschürfungen sowie einen Unfallsschock. Der Kläger wurde nach dem Unfall in das Krankenhaus Amstetten gebracht; bei der Aufnahme war er pulslos und drucklos, bewußtlos und nicht ansprechbar. Nach einer Schockbekämpfung wurde eine Nachamputation des linken Beines im Oberschenkel durchgeführt. Der offene Bruch der Elle und der offene Trümmerbruch des rechten Schienbeines, mit Beteiligung des Sprunggelenkes wurden operativ behandelt. Die übrigen Wunden wurden gereinigt und genäht, das rechte Bein und der linke Arm im Gipsverband ruhig gestellt. Die weitere Behandlung des Klägers erfolgte zuerst an der Intensivpflegestation, der Kläger wurde beatmet und nach Besserung des Allgemeinbefindens am 20.7.1985 auf die Normalstation verlegt, wo regelmäßige Verbandwechsel durchgeführt werden mußten, und zwar wegen einer Wundinfektion und Wundrandnekrose am linken Oberschenkel und andererseits auch am rechten Unterschenkel. In der Folge kam es auch zu stärkeren Beschwerden im Brustkorb und zu Phantomschmerzen sowie zum Absterben der Weichteile, was weitere operative Behandlungen erforderlich machte. Am 6.8.1985 wurde eine Nachreposition am rechten Unterschenkel, eine Nekroseabtragung am Oberschenkelstumpf und eine Nachreposition am linken Unterarm erforderlich. Auch nach diesem Eingriff waren weitere Verbandwechsel notwendig und wegen einer Wundinfektion weitere Behandlungen mit Antibiotika. Nach knöcherner Konsolidierung des Ellenbruches wurde der Gipsverband abgenommen und mit Bewegungsübungen begonnen. Bei einer weiteren Operation am 5.9.1985 wurden die Drähte von der linken Elle entfernt, eine Spalthautdeckung am Oberschenkelstumpf vorgenommen, ein Teil des Fixationsmateriales am rechten Unterschenkel entfernt und eine Anbohrung des Schienbeinknochens durchgeführt. Trotz weiterer Verbandwechsel und medikamentöser Behandlung blieb die Wundinfektion bestehen; sie konnte jedoch langsam zum Abklingen gebracht werden. Es kam dann auch zum Wundliegen der rechten Ferse im Gipsverband, was ebenfalls weitere Behandlungen erforderlich machte. Am 9.10.1985 wurde das restliche Fixationsmaterial vom rechten Schienbein entfernt. Nach diesem Eingriff blieb die Wundsekretion bestehen und mußten weitere Verbandwechsel durchgeführt werden. Am 14.11.1985 konnte der Kläger erstmals in ambulante Pflege entlassen werden. Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung folgten ambulante Kontrollen und weitere stationäre Behandlungen, jeweils zur Wundbehandlung. Nach regelmäßigen ambulanten Kontrollen waren weitere stationäre Aufenthalte im Krankenhaus Amstetten vom 26.2. bis 4.3.1986 und vom 6.3. bis 29.3.1986 notwendig. Im Anschluß daran wurde der Kläger zur weiteren stationären Behandlung (bis 10.7.1986) an die chirurgische Universitätsklinik in Wien verlegt, wo im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 11.4. bis 15.5.1986 mehrere operative Eingriffe vorgenommen wurden (Lappendeckung am 15.4.1986, Lappenprävision am 16.4.1986, Nekroseabtragung am rechten Schienbein am 27.5.1986 und Entfernung der antibiotischen Kugeln und Ketten am 27.6.1985). In der Folge wurde eine weitere ambulante Behandlung im Krankenhaus Amstetten notwendig. Vom 23.10.1986 bis 30.1.1987 stand der Kläger mit kurzer Unterbrechung im Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg in Behandlung; im Rahmen dieses stationären Aufenthaltes wurde der Kläger mit einem orthopädischen Schuh für den rechten Fuß und mit einer Kniekappe mit Seitenverstärkung wegen der Bandlockerung des rechten Kniegelenkes sowie mit einem Kunstbein versorgt. Subjektiv klagt der Kläger über eine Behinderung durch den weitgehenden Teilverlust des linken Beines sowie über Stumpfschmerzen und Phantomschmerzen, über Schmerzen im rechten Sprunggelenk und rechten Kniegelenk und über eine Gangstörung mit dem rechten Bein. Er konnte sich an die Beinprothese noch nicht gewöhnen, er empfindet sie auf dem Beinstumpf als schmerzhaft, sodaß er sich ohne Prothese mit zwei Krücken fortbewegt. Objektiv bestehen beim Kläger (Untersuchung am 1.6.1988) eine ausgedehnte Narbe an der linken Brustkorbwand nach der Entnahme des Weichteillappens zur Deckung des Hautdefektes am rechten Sprunggelenk, weiters eine relativ zarte, doch ausgedehnte Narbe am linken Vorderarm, ausgedehnte Narben und spalthautgedeckte Felder am rechten Unterschenkel in Sprunggelenksnähe und Narben am rechten Unterschenkel. Weiters sind ausgedehnte Narben am Stumpf des linken Oberschenkels vorhanden. Es bestehen eine beträchtliche Bewegungseinschränkung des Oberschenkelstumpfes und des rechten oberen Sprunggelenkes, eine Bandlockerung des rechten Kniegelenkes und eine Bewegungseinschränkung der Zehen des rechten Fußes und des rechten unteren Sprunggelenkes, eine geringe Bewegungseinschränkung des linken Vorderarmes und des linken Handgelenkes. Die vorhandenen Unfallsfolgen wären, als Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgedrückt, mit 90 % zu bewerten. Spätfolgen im Sinne von medizinischen Komplikationen sind wegen des Prothesendruckes am Oberschenkelstumpf und an den spalthautgedeckten Feldern und auch nach der Verletzung des rechten Sprunggelenkes infolge einer Zunahme der derzeit bestehenden arthrotischen Veränderung möglich; es könnte auch eine operative Versteifung des rechten oberen Sprunggelenkes erforderlich werden. Auch nach der Knieverletzung, als deren Folge eine Bandlockerung des rechten Kniegelenkes verblieben ist, sind Spätfolgen nicht auszuschließen. Beim Unfall selbst und auch unmittelbar danach hatte der Kläger sehr starke und quälende Schmerzen gerafft in der Dauer von 1 bis 2 Tagen, sodann nach jedem der operativen Eingriffe und auch beim Auftreten der Phantomschmerzen starke Schmerzen gerafft in der Dauer von 4 bis 6 Wochen und mittelstarke Schmerzen bei der wegen der Verletzungskombination (Verlust des linken Beines, schwere Verletzung des rechten Sprunggelenkes) verzögerten Mobilisation für die Dauer eines gerafften Zeitraumes von 8 bis 12 Wochen. Daran schlossen sich leichte Schmerzen an, die auch in Zukunft immer wieder auftreten werden, und die einschließlich der derzeit überschaubaren Restbeschwerden mit 5 bis 6 Monaten anzusetzen sind. Dazu kommen die bei den Schmerzperioden nicht berücksichtigten schweren und schwersten psychischen Beeinträchtigungen, die sich einerseits aus dem Verlust des linken Beines in Hüftnähe ergeben und anderseits aus der beträchtlichen Behinderung des rechten Beines. Eine wesentliche Besserung der Unfallsfolgen ist nicht zu erwarten, es besteht die Möglichkeit, daß der Prozentsatz der Erwerbsminderung auf 100 % ansteigt. Der Kläger ist naturgemäß in seinem Fortkommen dadurch gemindert, daß er sich nicht wie ein normaler junger Mann in der Gesellschaft bewegen kann. Er ist gelernter Fleischhauer und derzeit arbeitslos. Ein beruflicher Aufstieg ist ihm weitgehend verwehrt, die Möglichkeit, einen passenden Ehepartner zu finden, sehr eingeschränkt.
Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage aus dem Titel des Schadenersatzes aus diesem Unfall den Zuspruch des Betrages von 758.478 S sA (Schmerzengeld von 600.000 S, Verunstaltungsentschädigung von 280.000 S sowie Ersatz des Kleiderschadens, der Kosten für Besuchsfahrten und von Pflegekosten von insgesamt 38.478 S, abzüglich einer Akontozahlung von 150.000 S und bezahlter Privatbeteiligtenkosten von 10.000 S) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus diesem Unfall.
Die Beklagten anerkannten ein Mitverschulden des Erstbeklagten im Ausmaß von 2/3, wendeten ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 1/3 ein, weil er sich einem erkennbar alkoholisierten und übermüdeten Lenker anvertraut habe, bestritten die Höhe des begehrten Schmerzengeldes sowie der verlangten Verunstaltungsentschädigung und beantragten diesbezüglich die Abweisung des Klagebegehrens.
Mit Teilurteil vom 7.1.1987 (ON 9 dA) wurde über das Feststellungsbegehren im Ausmaß von 2/3 rechtskräftig abgesprochen. Mit (End-)Urteil (ON 22 dA) sprach das Erstgericht dem Kläger den Betrag von 678.478 S sA (Punkt 1. des Spruches) unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 80.000 S sA (Punkt 4. des Spruches) zu. Außerdem gab es dem Feststellungsbegehren zu einem weiteren Drittel, somit zur Gänze, statt, wobei es die Haftung der Zweitbeklagten nach Maßgabe des für den unfallsgegenständlichen PKW bestandenen Haftpflichtversicherungsvertrages der Höhe nach beschränkte (Punkt 2. des Spruches).
Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß den Beklagten der Nachweis eines Mitverschuldens des Klägers nicht gelungen sei. Den unfallsgegenständlichen Verletzungen erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von 550.000 S und der daraus sich ergebenden Beeinträchtigung des besseren Fortkommens des Klägers eine Verunstaltungsentschädigung von 250.000 S als angemessen. Vom alleinigen Verschulden des Erstbeklagten ausgehend gelangte es daher unter Bedachtnahme auf die erfolgten Akontozahlungen zum Zuspruch eines Betrages von 678.478 S sA.
Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten bloß teilweise Folge, und zwar dahin, daß es das erstgerichtliche Urteil in seinem Ausspruch über das restliche Feststellungsbegehren (Punkt 2.) bestätigte, hinsichtlich seines Ausspruches über das Leistungsbegehren jedoch dahin abänderte, daß es die beklagten Parteien insgesamt zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, dem Kläger 628.478 S sA unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 130.000 S sA zu bezahlen.
Bei der Erledigung der hinsichtlich der Unterlassung des Erstgerichtes, dem Kläger ein Mitverschulden im Ausmaß von 1/4 anzulasten, erhobenen Rechtsrüge ging das Berufungsgericht davon aus, daß die bloße Kenntnis eines Fahrgastes vom Alkoholkonsum des Lenkers des ihn befördernden Kraftfahrzeuges zur Annahme eines Mitverschuldens nicht ausreiche. Den Fahrgast treffe nur dann ein Mitverschulden, wenn er von einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis gehabt habe oder aus den Umständen Kenntnisse hätte haben müssen. Die Erkennbarkeit einer derartigen Alkoholisierung könne sich für den Fahrgast entweder aus dem wahrnehmbaren Verhalten des Lenkers oder daraus ergeben, daß ihm die vom Lenker genossene Alkoholmenge bekannt gewesen sei. Zweifel darüber, ob der Fahrgast damit habe rechnen müssen, daß sich der Lenker durch Alkoholgenuß in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befindet, gingen zu Lasten des Haftpflichtigen, den die Beweislast für das Mitverschulden des Fahrgastes treffe. Nach den (vom Berufungsgericht übernommenen) Feststellungen des Erstgerichtes habe für den Kläger weder auf Grund des Verhaltens des Erstbeklagten, noch auf Grund der von ihm genossenen Alkoholmenge Veranlassung dafür bestanden, daß er von einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten hätte ausgehen oder aus den Umständen hievon hätte Kenntnis haben müssen. Eine darüber hinausgehende Erkundungspflicht habe für ihn jedenfalls nicht bestanden. Es wäre vielmehr Sache des Erstbeklagten gewesen, von sich aus von der Inbetriebnahme und vom Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand Abstand zu nehmen. Da die Rechtsmittelwerber den erforderlichen Nachweis eines Mitverschuldens des Klägers nicht erbracht hätten, könne in der erstinstanzlichen Entscheidung diesbezüglich kein Rechtsirrtum erblickt werden.
Das Berufungsgericht erkannte auch der hinsichtlich der Höhe des vom Erstgericht ausgemessenen Schmerzengeldes, und zwar dahin ausgeführten Rechtsrüge, daß ein solches von lediglich 350.000 S angemessen sei, keine Berechtigung zu. Unter Berücksichtigung der mehrfachen schweren Verletzungen, des nicht unkomplizierten Heilungsverlaufs mit Krankenhausaufenthalten bis Mitte 1986 und weiteren ambulanten Behandlungen bis Anfang 1987, der verbliebenen Dauerfolgen, der beträchtlichen Schmerzperioden und der ohne Zweifel besonders tiefgreifenden psychischen Beeinträchtigungen, die sich einerseits für den in jungen Jahren verunglückten Kläger aus dem Verlust des linken Beines in Hüftnähe und anderseits aus der beträchtlichen Behinderung des rechten Beines ergeben, könne in der Bemessung des Schmerzengeldes mit 550.000,-- S - auch unter Bedachtnahme auf vergleichbare Fälle - eine Fehlbeurteilung des Erstgerichtes nicht erblickt werden.
Hinsichtlich der Höhe der dem Kläger zuerkannten Entschädigung nach § 1326 ABGB erkannte es der Rechtsrüge der Beklagten teilweise Berechtigung zu. Wesentlich für die Annahme einer Verunstaltung des Verletzten sei die nachteilige Veränderung seiner Gesamterscheinung, die Beeinträchtigung seines äußeren Aussehens für den Beschauer, und zwar nicht nach medizinischen Begriffen, sondern unter Zugrundelegung eines ästhetischen Maßstabes nach allgemeiner Lebensanschauung. Für die Höhe dieser Entschädigung seien insbesondere das Ausmaß der Entstellung sowie die Größe der Wahrscheinlichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens maßgebend. Der Kläger werde auf Grund seiner durch den Unfall herbeigeführten Verunstaltung an seinem besseren Fortkommen im gesamten Berufs- und Privatleben mit Benachteiligungen zu rechnen haben; insbesondere seien die Chancen zur Verbesserung seiner Lebenslage durch eine Eheschließung wesentlich vermindert. Ausgehend von den Umständen des Einzelfalles und unter Bedachtnahme auf vergleichbare Zusprüche zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erscheine dem Berufungsgericht der Zuspruch eines Entschädigungsbetrages von 200.000 S den erhobenen Umständen gerechter zu werden als der vom Erstgericht ausgemessene Betrag. Insoweit erweise sich die Berufung als berechtigt.
Gegen dieses berufungsgerichtliche Urteil, insoweit es die Haftung der Beklagten für mehr als 2/3 der Unfallsfolgen feststellte und ein Schmerzengeld von mehr als 350.000 S sowie eine Verunstaltungsentschädigung von mehr als 150.000 S der Höhe nach als angemessen erachtete, richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Kläger lediglich ein Betrag von 234.858,50 S sA zugesprochen und die Haftung der Beklagten lediglich für 3/4 der Unfallsfolgen festgestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, zulässig, aber nicht berechtigt.
In ihrer Rechtsrüge halten die Beklagten vorerst an ihrem in der Berufung vertretenen Standpunkt fest, die Vorinstanzen hätten dem Kläger ein Mitverschulden im Ausmaß eines Viertels anlasten müssen. Da der Kläger und der Erstbeklagte verwandt und überdies ständig beisammen gewesen seien, sei es für den Haftpflichtigen äußerst schwierig, den Nachweis zu erbringen, daß der Erstbeklagte alkoholisiert und dieser Zustand den Insassen des Fahrzeuges bekannt gewesen sei. Es sei daher überspitzt, wenn die Vorinstanzen die diesbezügliche Beweispflicht den Haftpflichtigen zuweise. Es sei allgemein bekannt, daß ein halber Liter Bier und ein Seidel Bier ausreichten, die Fahruntüchtigkeit herbeizuführen. Da der Kläger überdies erklärt habe, er wolle nach Hause fahren, weil er müde sei, seien hier so viele Indizien vorhanden, die eine Fahruntüchtigkeit des Erstbeklagten annehmen ließen, sodaß der Kläger zumindest eine Erkundungspflicht hinsichtlich der tatsächlichen Fahrtauglichkeit des Erstbeklagten gehabt hätte. Dem Kläger sei daher jedenfalls ein Mitverschulden im Ausmaß von 1/4 anzulasten. Dem kann nicht gefolgt werden.
Es entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß den ein Mitverschulden des Geschädigten einwendenden Beklagten dafür die Behauptungs- und Beweislast trifft und alle sich dabei ergebenden Zweifel zu seinen Lasten geht. Davon abzugehen bieten auch Unfälle wie der gegenständliche keinen Anlaß (ZVR 1978/134, 1981/52, 1985/8 uva).
Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß die bloße Kenntnis des Verletzten, der Lenker des ihn befördernden Kraftfahrzeuges habe Alkohol zu sich genommen, zur Annahme eines Mitverschuldens nicht ausreicht (ZVR 1983/11, 1985/8, 1989/3, 24 und 119 uva), und einen solchen Fahrgast nur dann ein Mitverschulden trifft, wenn er von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis hatte oder aus den Umständen Kenntnis haben mußte (ZVR 1985/8, 1989/3 und 119). Daß der Kläger von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten keine Kenntnis hatte, stellt eine Tatfrage dar und ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Für die nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfende Frage, ob der Kläger bei Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens damit rechnen mußte, daß sich der Erstbeklagte durch den Alkoholgenuß in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befinde, ist entscheidend, daß der Erstbeklagte nach den Wahrnehmungen des Klägers nur einmal aus seinem, des Klägers, Bierglas einen Schluck genommen und geraume Zeit vor Antritt der Heimfahrt eine "Halbe Bier" getrunken hat. Da der Erstbeklagte vor Antritt der Fahrt keinen alkoholisierten oder übermüdeten Eindruck machte und dem Kläger auch bekannt war, daß der Erstbeklagte normalerweise eher keinen Alkohol zu sich nimmt, ist das Berufungsgericht mit Recht vom Fehlen von Anhaltspunkten dafür ausgegangen, daß für den Kläger eine die Fahrtüchtigkeit des Erstbeklagten beeinträchtigende erkennbare Alkoholisierung bestand, weshalb das Berufungsgericht auch zutreffend zur Ansicht gelangte, für den Kläger habe keine Verpflichtung bestanden, den Erstbeklagten über die genossene Alkoholmenge zu befragen. Insofern die Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch die Kenntnis des Klägers von einer Müdigkeit des Erstbeklagten mitberücksichtigt wissen wollen, gehen sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, wonach die diesbezügliche Erklärung des Erstbeklagten lediglich im Sinne des Wunsches, nach Hause zu fahren und nicht als Ausdruck seiner Beeinträchtigung beim Lenken eines Fahrzeuges zu verstehen war.
In der Annahme der Vorinstanzen, den Kläger treffe kein Mitverschulden an dem Unfall, kann daher kein Rechtsirrtum erblickt werden.
In ihrer Rechtsrüge wenden sich die Revisionswerber weiters gegen die Höhe des von den Vorinstanzen ausgemittelten Schmerzengeldes und der dem Kläger vom Berufungsgericht zuerkannten Verunstaltungsentschädigung. Abgesehen von der inhaltsleeren und damit unbeachtlichen Verweisung auf die "Ausführungen in der Berufung zu dem den Unterinstanzen auch der Höhe nach unterlaufenen Rechtsirrtum" (vgl EvBl 1987/100 uva) und der Erklärung, nicht zu verkennen, daß "hier wesentliche und äußerst schwere Verletzungen eingetreten seien, die natürlich auch eine psychische Beeinträchtigung nach sich ziehen", erschöpfen sich die Revisionsausführungen der Beklagten zur Darlegung des ihrer Ansicht nach angemessenen Schmerzengeldes - wie der Anfechtungserklärung entgegen den Ausführungen in der Rechtsrüge selbst zu entnehmen ist - von bloß 350.000 S und der Verunstaltungsentschädigung von nur 150.000 S in dem Hinweis, daß die "psychische Komponente, die ja im wesentlichen aus der Verunstaltung resultiere", bei der Ausmessung des Schmerzengeldes nicht nochmals herangezogen (berücksichtigt) werden, sondern nur einmal "Eingang finden" dürfe. Auch hier kann den Revisionswerbern nicht gefolgt werden. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß eine Verunstaltung sowohl bei der Bemessung des Schmerzengeldes wie auch bei Ausmessung der Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB berücksichtigt werden kann (ZVR 1961/250; ZVR 1976/19; SZ 51/63 uva). Das Berufungsgericht hat die von der Rechtsprechung für die Höhe des Schmerzengeldes ebenso wie der Entschädigung nach § 1326 ABGB als maßgeblich erkannten Umstände eingehend dargestellt. Dem konnten die Revisionswerber nichts entgegensetzen und ist auch nichts hinzuzufügen. Ausgehend von den im einzelnen zutreffend dargelegten, hier maßgeblichen Kriterien (Anzahl und Art der schweren Verletzungen des Klägers, komplizierter und langwieriger Heilungsverlauf, verbunden mit zahlreichen Operationen, Art und Umfang der verbliebenen Dauerfolgen sowie der körperlichen Schmerzen und psychischen Beeinträchtigungen hinsichtlich des Schmerzengeldes sowie des Ausmaßes der Entstellung infolge Amputation des linken Beines in Hüftnähe und erhebliche Bewegungseinschränkung des linken Beines, samt der daraus abzuleitenden Größe der Wahrscheinlichkeit der Behinderung des Klägers in seinem besseren Fortkommen und der Minderung seiner Heiratschancen) muß doch gesagt werden, daß die dem Kläger zuerkannten Beträge erforderlich sind, um diesem im Hinblick auf sein Alter für das infolge des Unfalles erlittene Ungemach und die sich aus den Unfallsfolgen ergebende Beeinträchtigung des besseren Fortkommens einen angemessenen Ausgleich zu verschaffen. Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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