Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit S 18.937,50 (darin enthalten weder Umsatzsteuer noch Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Alleinerbin nach Elsie A***** (in der Folge nur mehr als Elsie A***** bezeichnet), welche in vorangehender Ehe mit dem Architekten Adolf Loos verheiratet war. Elsie A***** war testamentarische Erbin nach dem 1933 verstorbenen Adolf Loos. Sie bevollmächtigte Prof. Dr. Ludwig M*****, welcher zuletzt Direktor der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien war, "in allen künstlerischen Fragen in Sachen Loos Verfügungen zu treffen". In den folgenden Jahren wurde das "Loos-Archiv" durch Prof. M***** und Franz G***** erweitert.
1957 verstarb Prof. M*****. Sein gesamter Nachlaß wurde seiner Witwe Maria M***** eingeantwortet. Diese verstarb 1965. Deren Verlassenschaftsabhandlung wurden vier letztwillige Verfügung zugrunde gelegt, wovon zwei die Einsetzung von vier Erben enthielten. Der Abhandlung lag ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis dieser Erben zugrunde, in welchem unter Punkt 8 "Architekt Loos-Archiv" im Schätzwert von S 20.000 und unter Punkt 9 Graphische Sammlung im Schätzwert von S 12.000 angeführt sind. Die vier Erben boten kurz nach dem Tod der Maria M***** das "Loos-Archiv" der Graphischen Sammlung Albertina zum Kauf an. Deren Direktor übermittelte den für die Erbengemeinschaft verhandelnden Stefan F***** nachstehendes Schreiben: " .... Ersucht die Graphische Sammlung Albertina um käufliche Überlassung des aus dem Nachlaß Ludwig M***** stammenden sogenannten Adolf Loos-Archives, bestehend aus den im Werksverzeichnis bei L. M***** und G. K***** "Der Architekt Adolf Loos", Schroll Verlag Wien 1964, P. 182-195 genannten 112 Nummern umfassenden Objekten. Als Kaufpreis wurde der Betrag von öS 60.000 vereinbart. .... Es wird ferner ersucht, die Bestände der Graphischen Sammlung Albertina zu baldmöglicher wissenschaftlicher Behandlung übergeben zu wollen. ....". Mit Schreiben vom 21. 3. 1966 an die Graphische Sammlung "Albertina" machte Elsie A***** ihre Eigentumsrechte am sogenannten Loos-Archiv geltend.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe des sogenannten "Adolf Loos-Archives" der Albertina, bestehend aus den im Spruch des erstgerichtlichen Urteiles wiedergegebenen Gegenständen mit der Begründung, Alleinerbin nach Adolf Loos zu sein. Es seien niemals irgendwelche Gegenstände aus dem Nachlaß des Adolf Loos an Prof. M***** geschenkt worden. Dieser sei nur Verwalter-Verwahrer des "Loos-Archives" gewesen. Da er niemals Eigentümer des Archives geworden sei, habe er es auch nicht vererben können. Ein Eigentumserwerb der Verkäufer des Archives, nämlich der Erben nach Maria M*****, habe nicht stattgefunden, weshalb diese auch nicht zur Eigentumsübertragung berechtigt gewesen seien. Zumindest seit dem Jahr 1966 sei den beklagten Parteien der Mangel dieser Verfügungsmacht auch bekannt gewesen.
Die beklagten Parteien wendeten ein, Prof. M***** habe einen Teil des Archives von Elsie A***** geschenkt erhalten, der übrige Teil sei im Laufe von nahezu drei Jahrzehnten teilweise durch Ankauf, teilweise durch Schenkungen zusammengetragen worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt.
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht wies das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 260.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Im übrigen (hinsichtlich des gegen die erstbeklagte Partei gerichteten Klagebegehens) wurde das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Zur Abweisung des gegen die zweitbeklagte Partei gerichteten Klagebegehrens führte das Berufungsgericht aus, diese sei im Hinblick auf ihre beschränkte Rechtsfähigkeit über den Loos-Nachlaß nicht verfügungsberechtigt, weshalb ihr die passive Klagslegitimation fehle. Gemäß § 31a FOG seien Bundesmuseen berechtigt, durch unentgeltliche Rechtsgeschäfte Vermögen und Rechte zu erwerben und mit Ausnahme der Veräußerung von Sammlungsobjekten hievon Gebrauch zu machen, Arbeitsaufträge zu vergeben, Druckwerke, Ton- und Bildträger, Repliken, Andenkenartikel und ähnliche Gegenstände zu vertreiben so wie Mitgliedschaften zu "Museumsfördervereinen" zu erwerben. Die Herausgabe von Sammlungsobjekten (Loos-Archiv) falle somit nicht in die eigenständige Verfügungsberechtigung der zweitbeklagten Partei.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher einen vergleichbaren Fall nicht entschieden habe.
Gegen das klagsabweisende Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren hinsichtlich der zweitbeklagten Partei stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben. Wenngleich die Revisionsbeantwortung von beiden beklagten Parteien erstattet wurde, ergibt sich doch aus dem Zusammenhang, daß es sich nur um eine Gegenschrift der zweitbeklagten Partei handelt, weil doch die erstbeklagte Partei vom klagsabweisenden Urteil des Berufungsgerichtes und der Revision der klagenden Partei nicht betroffen ist.
Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die mit der gegenständlichen Klage begehrte Herausgabe der von der zweitbeklagten Partei innegehabten Objekte falle nicht unter die in § 31a Z 1 FOG enthaltene Ausnahme der "Veräußerung von Sammlungsobjekten". Diese Norm schließe den Erwerb, Besitz oder die Innehabung von Sammlungsobjekten im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit nicht aus, sondern setze diese vielmehr voraus. Es werde nicht eine Veräußerung von Sammlungsobjekten begehrt, sondern lediglich die (faktische) Herausgabe durch den Inhaber. Die Herausgabe von Gegenständen sei aber nicht gleichzusetzen mit deren Veräußerung. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Berufungsgericht von einer Teilrechtsfähigkeit der zweitbeklagten Partei ausgehen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Die Eigentumsklage ist gegen den Besitzer oder bloßen Inhaber der Sache zu richten (Klicka in Schwimann**2, ABGB, Rz 7 zu § 366). Voraussetzung ist also eine Rechtsfähigkeit, die die Fähigkeit zum Besitz oder der Innehabung der Gegenstände, deren Herausgabe begehrt wird, umfaßt. Nur teilrechtsfähige juristische Personen sind zwar selbst dann parteifähig, wenn gegen sie Ansprüche außerhalb ihrer Teilrechtsfähigkeit geltend gemacht werden; die Frage nach der materiellen Sachlegitimation, deren Mangel die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge hat, hängt aber davon ab, ob der Partei in diesem Belang Rechtsfähigkeit zukommt (SZ 70/10). Die Rechtsfähigkeit zum Besitz oder der Innehabung der hier klagsgegenständlichen Kunstwerke fehlt aber der zweitbeklagten Partei. Bei ihr handelt es sich um ein Bundesmuseum (s § 1 des Bundesgesetzes über die Rechtstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen [Bundesmuseen-Gesetz BGBl I 1988/115]). Sie wird erst mit Inkrafttreten der Museumsordnung nach § 6 leg cit (spätestens bis zum 31. 12. 2002 mit spätester Wirksamkeit zum 1. 1. 2003) eigene Rechtspersönlichkeit erlangen (§ 2 Abs 1 leg cit); der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, gleichzeitig mit der Erlassung der Museumsordnung und im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten das bereits vorhandenen sowie das vom Bund gemäß § 31a FOG und das gemäß § 4 Abs 1 Bundesmuseen-Gesetz erworbene Sammlungsgut dem jeweiligen Bundesmuseum als Leihgabe zu überlassen (§ 5 Abs 1 Bundesmuseen-Gesetz). Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei ist bisher aber noch keine Museumsordnung in Kraft getreten, bei ihr handelt es sich daher um eine unselbständige Einrichtung des Bundes mit eingeschränkter Teilrechtsfähigkeit gemäß § 31a Z 1 bis 5 FOG. Die Teilrechtsfähigkeit bedeutet, daß sie berechtigt ist
1. durch unentgeltliche Rechtsgeschäfte, gemischte Schenkungen (mit Ausnahme von Förderungen aus Bundesmitteln) oder Sponsorverträge Vermögen und Rechte zu erwerben oder Überschüsse zu erzielen, die in den jährlichen Rechnungsabschlüssen auszuweisen sind, und hievon mit Ausnahme der Veräußerung von Sammlungsobjekten im eigenen Namen zur Erfüllung ihrer Zwecke Gebrauch zu machen;
2. Verträge über die Durchführung von Arbeiten im Auftrag Dritter in sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs 2 bis 4 FOG abzuschließen;
3. außerbudgetäre Sonderausstellungen und sonstige Fachveranstaltungen auf der Grundlage vorausschauender Planung und im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung durchzuführen;
4. Druckwerke, Ton- und Bildträger, Repliken, Andenkenartikel und ähnliche Gegenstände, die mit ihrer Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, herzustellen bzw zu verlegen und in Bundesmuseen sowie im Rahmen ihrer Ausstellungstätigkeit zu vertreiben. Soweit Rechte des Bundes berührt sind, ist deren Verwertung für die vorangeführte Zwecke unentgeltlich zu gestatten;
5. mit Genehmigung des zuständigen Bundesministers die Mitgliedschaft zu Vereinen, anderen juristischen Personen und zwischenstaatlichen Organisationen zum Zwecke der Förderung von Museumsaufgaben zu erwerben.
Nach der derzeit geltenden Rechtslage umfaßt also die Rechtsfähigkeit der zweitbeklagten Partei ua die Fähigkeit, von Überschüssen mit Ausnahme der Veräußerung von Sammlungsobjekten im eigenen Namen zur Erfüllung ihrer Zwecke Gebrauch zu machen. Ihre Rechtsfähigkeit umfaßt daher auch den Besitz und die Innehabung der aufgrund des § 31a Abs 1 Z 1 FOG erworbenen Gegenstände und daher auch die Fähigkeit, diese (mit Ausnahme der Veräußerung) wieder herauszugeben. Die Einräumung einer Teilrechtsfähigkeit erfolgte aber erst durch FOG-Novelle 1989 (BGBl 1989/246); diese wurde mit der FOG-Novelle 1991 (BGBl 1991/689) auf das oben wiedergegebene Ausmaß ausgeweitet. Zum Zeitpunkte des inkriminierten Erwerbes im Jahre 1966 war die zweitbeklagte Partei aber überhaupt noch nicht rechtsfähig; daß ihr nach Erlangung der Teilrechtsfähigkeit die erstbeklagte Partei Besitz oder Innehabung eingeräumt hätte, wurde von der Klägerin nicht behauptet.
Der Revision der Klägerin war deshalb keine Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)