Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §932
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §932
Spruch:
Voraussetzungen für eine Preisminderung im Falle der Unbrauchbarkeit der gekauften Sache.
Entscheidung vom 8. Mai 1953, 2 Ob 345/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Dornbirn; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.
Text
Der Kläger hatte vom Beklagten eine Kuh als Nutz- und nicht als Schlachtkuh gekauft. Da sich nachträglich herausstellte, daß die Kuh bei der Übergabe bereits tuberkulös und mit einem Eierstockleiden behaftet war, begehrte er vom Beklagten den Betrag von 1418 S als Preisminderung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich wohl, daß der dem Kläger übergebenen Kuh unbehebbare Mängel anhaften und daß ihr die ausdrücklichbedungene Eigenschaft einer Nutzkuh fehlt. Doch kann der Meinung des Rekurswerbers nicht beigepflichtet werden, daß die Mängel den ordentlichen Gebrauch der Sache hindern, da eine Kuh auch als Zugtier verwendet oder als Schlachtkuh verwertet werden kann. Dadurch, daß der Kläger die Kuh als Nutzkuh erworben hat, hat er gegenüber dem Beklagten keineswegs die Verpflichtung übernommen, die Kuh nicht zu einem anderen Zweck als zur Rinderzucht zu verwenden. Die Verwendung als Zuchttier oder zu Schlachtzwecken widerstreitet nicht dem Begriff des ordentlichen Gebrauches, weil Kühe vielfach zu diesen Zwecken verwendet werden oder so ihre Verwertung finden. Und selbst bei völliger Unbrauchbarkeit kann, wie das Berufungsgericht mit Hinweis auf die Lehrmeinung Ehrenzweigs zutreffend ausführt, Preisminderung verlangt werden, wenn der Käufer die Sache behalten will; doch muß in einem solchen Fall die Annahme zugrunde gelegt werden, daß die Sache für den Käufer - wenn auch nicht zu dem ursprünglich beabsichtigten oder vereinbarten Gebrauch - so doch immerhin noch brauchbar ist (vgl. 2 Ob 438/30 = ZBl. 1930 Nr. 320).
Die Annahme des Rekurses, das als Nutzkuh gekaufte Rind sei für den Kläger überhaupt nicht brauchbar, weil er gezwungen ist, die Kuh entweder unverzüglich zu schlachten oder unverzüglich weiter zu veräußern, ist wegen der oben dargestellten Verwendungsmöglichkeiten verfehlt.
Dem Berufungsgerichte ist auch zuzustimmen, daß der Minderungsanspruch im gegebenen Fall nicht in einer Herabsetzung der eigenen Leistung bestehen kann, sondern in einer Erhöhung der dem Beklagten obliegenden Gegenleistung geltend zu machen ist. Aus der im Rekurse erhobenen Einwendung, daß die streitgegenständliche Kuh bei Abschluß des Tauschvertrages ohnedies mit einem Preis taxiert wurde, welcher lediglich dem ungefähren Schlachtpreis entspricht, könnte nur geschlossen werden, daß der Beklagte das Tier als ausgesprochene Nutzkuh um einen verhältnismäßig niedrigen Preis verkauft oder vertauscht hat; der Beklagte hätte also wegen der festgestellten Mängel dem Wert nach weniger geleistet, als vereinbart war. Das kann jedoch den Minderungsanspruch nicht schmälern, denn dieser richtet sich nicht nach dem gemeinen Wert der Sache, sondern nach dem vereinbarten Preis. Hat der Kläger tatsächlich die Kuh um einen billigen Preis erworben, dann kann ihm dieser Vorteil nicht deshalb entzogen werden, weil der Beklagte entgegen der Vereinbarung ein mit Mängeln behaftetes Stück Vieh übergeben hat.
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