Normen
AHG §1
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §§1
AHG §1
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §§1
Spruch:
Führt ein Beamter, der in Vollziehung der Gesetze tätig ist, mit seinem eigenen Kraftwagen bei dieser Tätigkeit einen Verkehrsunfall herbei, so ist zwar seine zivilrechtliche Deliktshaftung wegen Verschuldens gemäß § 1 AHG. ausgeschlossen. Er haftet dem Beschädigten aber persönlich als Halter des Kraftwagens im Sinne der §§ 1 ff. EKHG. Die Gefährdungs- und die Deliktshaftung bestehen in diesem Falle nebeneinander.
Entscheidung vom 29. Oktober 1964, 2 Ob 328/64. 1. Instanz:
Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die klagende Partei hat in ihrer Klage behauptet, daß der Beklagte mit seinem Kraftwagen am 31. Oktober 1963 in Wien auf der Kreuzung Währinger Gürtel - Nußdorfer Straße einen Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ihr Kraftwagen beschädigt worden sei. Der Beklagte habe die für ihn gesperrte Kreuzung bei Rotlicht zu überqueren versucht. Sie behauptete einen Schaden von 362.50 DM = 2356.25 S und begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieses Betrages.
Der Beklagte hat eingewendet, daß er sich vorschriftsmäßig verhalten habe, da er bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und bei Gelblicht nach links abbiegen wollte. Dabei sei ihm das Fahrzeug der klagenden Partei hineingefahren. Dieses Verhalten des Führers des klägerischen Fahrzeuges habe für ihn ein unabwendbares Ereignis dargestellt, das seine Haftung ausschließe. Der Beklagte wendete schließlich noch die Unzuläsgigkeit des Rechtsweges ein und behauptete, daß er am Unfallstag im dienstlichen Auftrag unterwegs gewesen sei. Er hatte einige Polizeiwachstuben zu kontrollieren. Diese Fahrt habe er in seinem eigenen Kraftwagen ohne Auftrag hiezu seitens seiner Dienstbehörde unternommen.
Das Erstgericht hat mit Beschluß die Einrede verworfen und mit Urteil in der Sache selbst dahin entschieden, daß es dem Klagebegehren stattgegeben hat. Seinen Beschluß begrundete es damit, daß kein Fall der Amtshaftung vorliege. Der Beklagte habe seinen eigenen Kraftwagen benützt und habe dabei als Verkehrsteilnehmer nicht in Vollziehung der Gesetze gehandelt.
Gegen diese Entscheidungen des Erstgerichtes brachte der Beklagte Rekurs und Berufung ein. Die zweite Instanz gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß und das Urteil des Erstgerichtes sowie das vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Mit seiner Berufung verwies sie den Beklagten auf diese Entscheidung.
Die zweite Instanz ging von der Feststellung des Erstgerichtes aus, die im übrigen unangefochten geblieben ist, daß der Beklagte als Kontrollinspektor der Polizei den Auftrag hatte Wachzimmer zu kontrollieren. Er benützte hiezu ohne Auftrag seiner Dienstbehörde seinen eigenen Kraftwagen und erhielt dafür keine Vergütung. Er hätte ein Dienstfahrzeug benützen können. Sie war auf Grund dieses Sachverhaltes der Ansicht, daß der Beklagte in Vollziehung der Gesetze gehandelt habe, wobei es nicht ausschlaggebend sei, daß er hiezu seinen eigenen Kraftwagen verwendete. Der Beklagte hafte daher gemäß den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes nicht persönlich für den aus dem Verkehrsunfall der klagenden Partei zugefügten Schaden und könne daher auch nicht geklagt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge, behob den angefochtenen Beschluß, stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her und verwies die Sache an das Berufungsgericht mit dem Auftrag zurück, nunmehr über die Berufung der beklagten Partei zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die klagende Partei macht geltend, daß der Beklagte den Kraftwagen nicht nur gelenkt habe, sondern daß er auch Halter des Kraftwagens gewesen sei und daher in dieser Eigenschaft für den beim Verkehrsunfall verursachten Schaden hafte.
Diese Ausführungen sind zutreffend. Geht man von dem festgestellten Sachverhalt aus, der unbestritten ist, dann hat der Beklagte als Polizeiorgan im Auftrag seiner Dienstbehörde zur Unfallszeit eine Dienstfahrt unternommen. Er hat somit bei der Lenkung des Kraftwagens in Vollziehung der Gesetze gehandelt, wobei es nicht ausschlaggebend ist, ob er dabei einen bundeseigenen Kraftwagen oder sein eigenes Fahrzeug benützte. Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz ist es aber für die Frage der Haftung des Beklagten aus dem Verkehrsunfall von wesentlicher Bedeutung, daß der Beklagte diese Dienstfahrt nicht in einem bundeseigenen Kraftwagen, sondern eigenmächtig und auf seine Kosten mit seinem eigenen Kraftwagen unternommen hat. Würde nämlich der Beklagte den Verkehrsunfall mit einem Kraftwagen seiner Dienstbehörde verschuldet haben, dann würde seine zivilrechtliche Deliktshaftung im Sinne der §§ 1295 ff. ABGB. in Betracht kommen. Nur in diesem Falle wäre die Zurückweisung der Klage gerechtfertigt, weil der Beklagte gemäß § 1 AHG. wegen dieser Haftung vom Geschädigten nicht in Anspruch genommen werden dürfte und eine Halterhaftung nicht in Betracht käme. Anders liegt der Fall hier, wo der Beklagte seinen eigenen Kraftwagen aus eigenem Entschluß und auf seine Kosten zur Ausführung der Dienstfahrt verwendet habe. In diesem Fall trifft ihn die Haftung als Halter des Kraftfahrzeuges im Sinne der Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes. Durch § 1 AHG. ist einzig und allein die zivilrechtliche Deliktshaftung des Beklagten ausgeschlossen. Nicht ausgeschlossen ist dadurch seine Haftung als Kraftfahrzeughalter im Sinne des oben angeführten Gesetzes. Die sich daraus ergebende Gefährdungshaftung besteht neben der Deliktshaftung (siehe Loebenstein - Kaniak, AHG., S. 50 und die deutsche Rechtsprechung, NJW. 1959 S. 481). Daß der Beklagte im Zeitpunkt des Unfalles Halter seines Kraftfahrzeuges war, ist eindeutig seinen eigenen Behauptungen zu entnehmen, wonach er seinen Kraftwagen aus eigenem Willensentschluß und auf seine Kosten im Betrieb hatte.
Die Haftung des Beklagten als Kraftfahrzeughalter ist auch nicht durch das Vorbringen in der Klage ausgeschlossen. Die klagende Partei hat ihren Anspruch weder ausdrücklich noch ausschließlich auf die Verschuldenshaftung des Beklagten nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gegrundet. Sie hat vielmehr, wozu sie berechtigt war, eine rechtliche Beurteilung in der Klage unterlassen, so daß diese in jeder Richtung den Untergerichten offen geblieben ist.
Der Beklagte ist aber auch selbst davon ausgegangen, daß die klagende Partei ihren Anspruch zumindest auch aus den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes ableite. Dies ergibt sich eindeutig aus seinen Einwendungen, daß das Verhalten des Lenkers des klägerischen Kraftwagens für ihn ein unabwendbares Ereignis dargestellt habe und daß es ihm trotz Anwendung äußerster Sorgfalt nicht möglich gewesen sei, den Unfall zu vermeiden. Diese Einwendung grundet sich auf § 9 EKHG. und hat die Eigenschaft des Beklagten als Kraftfahrzeughalter zur Voraussetzung.
Zusammenfassend ist darauf zu verweisen, daß nur die Haftung des Beklagten als Führer des Fahrzeuges auf Grund seiner zivilrechtlichen Deliktshaftung ausgeschlossen ist, nicht aber seine Haftung als Kraftfahrzeughalter nach den Bestimmungen des oben zitierten Gesetzes. Da die Klagsbehauptungen eine Beurteilung in dieser Richtung zulassen, ist die Zurückweisung der Klage nicht gerechtfertigt.
Aus den angeführten Gründen ist daher der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen, mit dem die Unzulässigkeitseinrede verworfen wurde. Die zweite Instanz hat nunmehr als Berufungsgericht über die Berufung des Beklagten zu entscheiden.
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