Spruch:
Maßgeblich im Sinne des § 418 ABGB. ist nicht das Wissen, sondern der Wille des Gründeigentümers.
Zum Eintritt der Haftung nach § 1409 ABGB. genügt leichtes Verschulden.
Wurde die Verjährungseinrede im Revisionsverfahren nicht aufrechterhalten, so darf auf sie auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung Bedacht genommen werden.
Entscheidung vom 17. Dezember 1964, 2 Ob 321/64. I. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach den für das Revisionsverfahren bedeutsamen Feststellungen der Untergerichte sind die Kläger Eigentümer der Liegenschaft EZ. 13 KG. N., Gerichtsbezirk T., zu deren Gutsbestand u. a. die Grundstücke Nr. 165/1, 169 und 170 je Acker gehören. Während der NS. Herrschaft wurden in der Umgebung von N. im Zusammenhang mit der Errichtung kriegswirtschaftlicher Bauten Wohnhäuser für Arbeiter und Angestellte geschaffen, mit deren Errichtung der Rechtsvorgänger der beklagten Partei, nämlich die Zweigniederlassung M. des Gemeinnützigen Wohnungsunternehmens Ges. m. b. H. L. (im folgenden Wohnungsunternehmen genannt) befaßt war. Die für die Bauten erforderlichen Grundstücke wurden durch Kauf notfalls durch Enteignung erworben. Das Wohnungsunternehmen trat wegen des Kaufes von Liegenschaften auch an den Erstkläger heran, doch kam ein Vertrag trotz mehrfacher Bemühungen des mit der Errichtung der Verträge beauftragten Notars nicht zustande. Auch ein Enteignungsverfahren wurde nicht durchgeführt. Trotzdem errichtete das Wohnungsunternehmen unter teilweiser Verwendung der eingangs genannten Grundstücke der Kläger sowie auch anderer Grundstücke den von ihr geplanten Wohnblock. In der Folge wurde dieses Gebäude völlig zerstört. Derzeit befinden sich auf den Grundstücken der Kläger nur noch die Betonfundamente, Eisenteile, Sand und sonstige Baureste. Gegen die Bauführung setzte sich der Erstkläger entschieden zur Wehr, indem er bei verschiedenen Funktionären der Gesellschaft Protest erhob. Auf die Kläger persönlich wurde wegen Übertragung des Eigentums an ihren Liegenschaften kein Druck ausgeübt.
Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei zur im einzelnen näher dargestellten Wiederherstellung des vorigen Zustandes der mehrfach genannten Grundstücke sowie zur Zahlung von 3600 S als Ersatz für die Unmöglichkeit, die Grundstücke in den letzten 3 Jahren zu bewirtschaften.
Das Erstgericht beschränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches. Es gab mit Teil- und Zwischenurteil dem Wiederherstellungsbegehren mit Ausnahme der Forderung nach Aufschütten eines Humusbodens statt und sprach aus, daß das Zahlungsbegehren dem Grund nach zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Beisatz, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.
Beide Untergerichte beurteilten das Wohnungsunternehmen als unredlichen Bauführer (§ 418 ABGB.), der als Geschäftsführer ohne Auftrag (§ 1038 ABGB.) zu behandeln sei. Während das Erstgericht die Haftung der beklagten Partei aus der Bestimmung des § 25 (3) HGB. ableitete, kam das Berufungsgericht in Anwendung der Vorschrift des § 1409 ABGB. zu demselben Ergebnis.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision bemängelt, daß nicht erwogen worden sei, was zu gelten habe, wenn - wie hier - einem unredlichen Bauführer ein wissender Gründeigentümer gegenüberstehe. Der - offensichtlich auf den Ausführungen Ehrenzweigs[2] I/2 S. 278 beruhende - Einwand ist nicht stichhältig. Wohl spricht § 418 ABGB. von dem Fall, daß jemand ohne Wissen und Willen des Eigentümers auf fremden Grund mit eigenen Materialien gebaut hat. Allein auf das Wissen des Gründeigentümers kommt es hiebei nicht maßgeblich an. Denn abgesehen davon, daß die Kläger ja nicht geflissentlich geschwiegen haben, ist es ohne weiteres denkbar, daß der Gründeigentümer von der Bauführung weiß, diese aber dennoch gegen seinen Willen geschieht. Gerade der vorliegende Fall beweist dies.
Einen Rechtsfehler erblickt die Revision weiter in der Annahme, der gegenüber "Funktionären" des Wohnungsunternehmens erklärte Protest des Erstbeklagten sei der Geschäftsführung des Unternehmens bekanntgeworden. Da jedoch nicht festgestellt ist, daß jene Personen, denen gegenüber der Erstkläger seine mangelnde Einwilligung zur Bauführung zum Ausdruck gebracht hat, diesem etwa ihre Unzuständigkeit zur Entgegennahme dieser Erklärung bekundeten, hieße es die Beweispflicht der Kläger überspannen, wollte man von ihnen einen weitergehenden Nachweis verlangen.
Auch der weitere Vorwurf, die Kläger hätten gegen die Bauführung nichts unternommen, ist unberechtigt. Das Gesetz fordert vom Gründeigentümer nicht mehr, als daß er dem redlichen Bauführer die Bauführung sogleich untersage.
Die Revision meint auch, es sei durch die gegenständliche Bauführung Miteigentum entstanden, das auch durch die spätere Zerstörung des Gebäudes nicht wieder aufgelöst worden sei. Diese Zerstörung könne auch nicht eine Ausweitung der Ansprüche des Gründeigentümers gegen den Bauführer zur Folge haben. Vergeblich beruft sich die Revision diesfalls auf rechtliche Erwägungen, die der Oberste Gerichtshof in der in SZ. XXIX 60 veröffentlichten Entscheidung angestellt hat. Denn die Bestimmung des § 415 ABGB., nach der bei Vorliegen der sonstigen dort genannten Voraussetzungen Miteigentum entsteht, käme erst bei Unanwendbarkeit der in § 418 ABGB. getroffenen Sonderregelung des Falles der Bauführung auf fremdem Grund (oder mit fremdem Material) zum Tragen. Der im vorliegenden Fall festgestellte Sachverhalt ist jedoch dem § 418 ABGB. zu unterstellen. An der Verpflichtung des unredlichen Bauführers, die Sache in den vorigen Stand zurückzuversetzen (§§ 1038, 418, zweiter Satz, zweiter Halbsatz ABGB.), ändert sich dadurch nichts.
Auch der Einwand, daß es am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der unredlichen Bauführung und dem derzeitigen Zustand der Grundstücke fehle, woraus die Revision folgern will, daß sie zur Wiederherstellung nicht verpflichtet sei, ist nicht stichhältig. Denn nach den anzuwendenden Grundsätzen, betreffend die Geschäftsführung ohne Auftrag, haftet die beklagte Partei auch für gemischten Zufall und es trifft sie die Verpflichtung, die für die bisherigen Zwecke des Geschäftsherrn unbrauchbar gewordene Sache wieder dafür gebrauchsfähig zu machen (Stanzl in Klang[2] IV S. 903 und 907 f.). Daß dies untunlich wäre, wurde gar nicht behauptet.
Soweit es sich um die Anwendung der Bestimmung des § 1409 ABGB. handelt, wendet sich die Revision einzig und allein gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, die beklagte Partei hätte die gegenständliche, den Klägern gegenüber bestehende Verpflichtung kennen müssen. Diesfalls ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Dr. P. war zur Zeit der Inanspruchnahme der klägerischen Grundstücke Sachbearbeiter der seit vielen Jahrzehnten bestehenden "X. Wohnungsgesellschaft m. b. H.", deren Firma nach Fusion mit einer anderen Gesellschaft "X. Y. Wohnungsgesellschaft m. b. H." lautet, und in dieser Eigenschaft mit den Bauvorhaben befaßt, die diese Gesellschaft im Auftrag des Wohnungsunternehmens durchführte. Er selbst gab dem Notar die Namen der Kläger zwecks Errichtung eines Kaufvertrages bekannt, wußte, daß es zur Unterfertigung eines solchen nicht gekommen war und leitete ein Enteignungsverfahren nicht ein. Im August 1945 richtete er, damals Prokurist der beklagten Partei, an den Erstkläger ein Schreiben, in dem er unter Bezugnahme auf einen "seinerzeit zur Unterfertigung übersandten Kaufvertrag" dringend um "die Nachholung des Versäumten" bat. Gleichfalls im Jahre 1945 wurde Dr. P. zum öffentlichen Verwalter des Wohnungsunternehmens bestellt. In der Folge wechselten die öffentlichen Verwalter, bis zuletzt (1951) wieder Dr. P. bestellt wurde. Im Oktober 1957 wurde das Vermögen des Wohnungsunternehmens, dessen Firmenwortlaut inzwischen geändert worden war, mit Genehmigung des Bundesministeriums für Finanzen auf Grund einer bestimmten Vermögensaufstellung in die beklagte Partei, deren Geschäftsführer Dr. P. war, eingebracht.
Dem Dr. P. war somit bekannt, daß die Grundstücksangelegenheit der Kläger noch nicht erledigt war. Wenn er im Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe - dieser ist nach einhelliger Lehre maßgeblich (vgl. Wellacher, Die Schuldenhaftung des Übernehmers beim Übergange von Vermögen und Unternehmungen, Manz 1951 S. 65 f.) - des Vermögens des Wohnungsunternehmens an die beklagte Partei darauf nicht Bedacht nahm, dann beruht dies auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt (Ehrenzweig II/1 S. 283), die die beklagte Partei zu vertreten hat. Hieran vermag auch der Hinweis der Revision nichts zu ändern, daß zwischen dem Schreiben Dris. P. an die Kläger und dem Vermögensübergang ein Zeitraum von mehreren Jahren lag, in dem das Wohnungsunternehmen zwischenweilig von der USIA verwaltet wurde. Die Behauptung, der Mangel an schriftlichen Unterlagen habe dazu geführt, daß die Angelegenheit außer Evidenz geraten sei, wird durch das von der beklagten Partei selbst vorgelegte Schreiben vom August 1945 widerlegt. Der Entwurf dieses Schreibens befand sich im Besitz der beklagten Partei. Bei gehörigem Fleiß und gehöriger Aufmerksamkeit hätte dieses Schreiben ihrem Geschäftsführer nicht entgehen dürfen und es hätte ihn veranlassen müssen, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in Ansehung der Grundstücke der Kläger im Zuge der Übernahme des Wohnungsunternehmens durch die beklagte Partei zu klären. Dieses Übersehen war keineswegs unvermeidbar, sondern begrundete ein wenn auch nur leichtes Verschulden, das zum Eintritt der Haftung nach § 1409 ABGB. genügt (Wellacher a. a. O. S.67).
Die Frage der Verjährung des Klagsanspruches war in dritter Instanz nicht mehr zu behandeln, weil die beklagte Partei diesen Einwand in ihrer Revision nicht mehr aufrecht erhalten hat (SZ. XIX 262; Klang[2] VI S. 669).
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