Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.195,-- (darin enthalten S 2.032,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erwarb im April 1998 40 Stück Rieger Bank-Anleihen im Nominale von zusammen S 400.000,--. Im "Kurzportrait der 7,5 % Rieger Bank-Anleihe" ist vermerkt:
"7,5 % Riegerbank-Schuldverschreibung 1989 bis 2002/A
Daueremission-Zeichnungsbeginn 15. 3. 1998
...
Emissionsvolumen: voraussichtlich Nominale ATS 175 Mio.
Verzinsung: 7,5 % p.a.
Laufzeit: 30. 4. 1998 bis 29. 4. 2002 (= 4 Jahre)
...
Ausgabekurs: 100 %
Tilgung: Die Rückzahlung der Rieger Bank-Anleihe 1998 - 2002/A erfolgt per 30. 4. 2002 zum Nennwert.
Kündigung: Sowohl seitens der Emittentin als auch seitens des Inhabers ist eine Kündigung der Anleihe ausgeschlossen.
Haftung (Sicherheit): Die Rieger Bank haftet für den Dienst dieser Anleihe mit ihrem gesamten Vermögen.
Weitere Sicherheiten für die Erfüllung der Anleihe bestehen nicht.
Börseneinführung: Die Anleihe wird zum Sonstigen Wertpapierhandel an der Wiener Börse angemeldet werden. Im Sonstigen Wertpapierhandel gelten nicht die Anforderungen, die an Emittenten und andere Wertpapiere im amtlichen Handel oder im geregelten Freiverkehr gestellt werden.
Zahlstelle: Rieger Bank Aktiengesellschaft
KMG-Prospekt: Als Daueremission unterliegt die Anleihe gem. § 3 Abs 1 Z 3 KMG nicht der Prospektpflicht.
Risikohinweis
Der Zeichner der Anleihe erhält eine Verzinsung von ca. 3 % über der derzeitigen Verzinsung von österreichischen Staatsanleihen mit vergleichbarer Laufzeit. Die höhere Verzinsung spiegelt die geringe Liquidität der Anleihe im Sekundärmarkt sowie die geringere Bonität der Emittentin wieder. Die Emittentin benötigt den Anleiheerlös zur Finanzierung des Umlaufvermögens (Valutenhandel) und zur teilweisen Substitution von strittigen Banklinien. Sofern das Anleihevolumen nicht in vollem Umfang aufgebracht werden kann, ist die Emittentin gezwungen, ihr Geschäftsvolumen zu reduzieren bzw einzelne Filialen (Wechselstuben) zu verkaufen. Dies würde die ausgezeichnete Ertragslage der Emittentin negativ beeinflussen.
Die Anleihe hat eine Laufzeit bis 29. 4. 2002. Aufgrund der bevorstehenden Einführung des Euro als gemeinsame europäische Währung wird der Valutenhandel und damit der Hauptgeschäftszweig der Emittentin ab dem Jahr 2002 stark abnehmen. Das Anleihekapital unterliegt daher den wirtschaftlichen Risken der Emittentin. Die Finanzierung des Umlaufvermögens wird ab diesem Zeitpunkt nicht mehr benötigt und daher die Anleihe rückgeführt. Weitere Sicherheiten für die Erfüllung der Anleihe bestehen nicht.
Der Anleger wird darauf hingewiesen, dass die Emittentin die vom Gesetz geforderte Mindestpubliziät garantiert. Weitergehende Erfordernisse an die Publizität des Unternehmens bzw an die Publizität des Wertpapierhandels können nicht angeboten werden".
§ 1 Abs 2 der Bedingungen der 7,5 % Rieger-Anleihe lautet:
"Die Schuldverschreibungen werden im Nennwert von je ATS 10.000,-- in einem Gesamtvolumen von bis zu ATS 175,000.000,-- begeben. Die Schuldverschreibungen lauten auf den Inhaber".
Über das Vermögen der Rieger Bank AG wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 26. 10. 1998, 6 S 796/98w-1, der Konkurs eröffnet. Die Beklagte ist die zuständige Einlagensicherungseinrichtung im Sinn des § 93 Abs 3 BWG für den Bankensektor.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Beklagte schuldig zu erkennen, S 260.000,-- samt 4 % Zinsen seit 27. 1. 1999 zu bezahlen. Sie führte aus, sie sei Gläubigerin der Rieger Bank AG mit S 400.000,--. § 93 BWG gewähre Gläubigern im Konkursfall eines Kreditinstitutes die Sicherung von Einlagen und Forderungen bis zu einem Höchstbetrag von S 260.000,--. Die Beklagte sei zur Leistung dieses Betrages verpflichtet, weil die Schuldverschreibung gemäß § 93 Abs 2 Z 3 BWG zu den sicherungspflichtigen Einlagen gehöre. § 93 Abs 5 Z 10 BWG schließe für die Anleihe die Einlagensicherung nicht aus. Die Wortfolge "aus eigenen Akzepten und Solawechseln" beziehe sich nicht bloß auf das vorangehende Wort "Verbindlichkeiten", sondern auf die voranstehend gleichwertig genannten beiden Worte "Schuldverschreibungen ... und Verbindlichkeiten", weshalb nur jene Schuldverschreibungen und Verbindlichkeiten von der Einlagensicherung auszunehmen seien, die wechselmäßig unterlegt seien.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, dass gemäß § 93 Abs 5 Z 10 BWG Schuldverschreibungen von der Sicherung durch die Einlagensicherungseinrichtung ausgeschlossen seien. Die Rieger Bankanleihe sei eine auf Inhaber lautende Schuldverschreibung. Der Begriff "Anleihe" sei synonym mit "Schuldverschreibungen". Es handle sich um das Zahlungsversprechen eines Kaufmanns, bei welchem der Zahlungsanspruch des Gläubigers in einem Wertpapier verbrieft sei. Dies entspreche dem kaufmännischen Verpflichtungsschein im Sinn des § 363 Abs 1 Z 2 HGB. Die Ausnahme der Einlagensicherung entspreche Art 7 Abs 2 der Einlagensicherungsrichtlinie in Verbindung mit Anhang I Z 12. Der Gesetzgeber habe den Text der Einlagensicherungsrichtlinie wörtlich übernommen. Abgesehen davon, dass kein Normenwiderspruch vorliege, sei die Interpretation der Klägerin von § 93 Abs 5 Z 10 BWG durch den klaren Wortlaut ausgeschlossen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus dem Gesetzeswortlaut gehe klar hervor, dass § 93 Abs 5 BWG die Ausnahme der in § 93 Abs 2 BWG genannten sicherungspflichtigen Einlagen darstelle. Der Begriff der Schuldverschreibung sei sowohl in Z 3 des Abs 2 als auch in Z 10 des Abs 5 enthalten. Bereits im Abs 2 werde die Bankschuldverschreibung als Ausnahme von der gesicherten Forderung, die vom Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft sei, bezeichnet. Es bestehe daher zwischen dem Text des § 93 Abs 2 und Abs 5 BWG kein Widerspruch betreffend die Sicherung von Forderungen aufgrund von Schuldverschreibungen. Dies entspreche der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme, wonach die Mitgliedstaaten auch die Ausnahme bestimmter Einleger oder bestimmter Einlagen vorsehen könnte. Im Anhang I seien unter Punkt 12 die Schuldverschreibungen des Kreditinstitutes genannt. Da die Anleihe der Rieger Bank die wesentlichen Charakteristika einer Schuldverschreibung enthalte, falle sie richtlinienkonform unter die Ausnahmebestimmung des § 93 Abs 5 BWG.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass nicht mehr strittig sei, dass die 7,5 % Rieger Bankanleihe eine Inhaberschuldverschreibung sei, weil dem Inhaber des Papiers der Anspruch auf Rückzahlung eines festen Geldbetrages nach einer Laufzeit von vier Jahren mit einem fixen Zinssatz von 7,5 % p.a verbrieft werde. Zwischen den Parteien sei nur strittig, ob durch die Bestimmung in § 93 Abs 5 Z 10 BWG die Sicherungspflicht nach § 93 Abs 2 Z 3 BWG ausgeschlossen sei. Nach § 93 Abs 2 Z 3 BWG seien Forderungen, die vom Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft seien, ausgenommen Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und fundierte Bankschuldverschreibungen, sicherungspflichtige Einlagen. Nach § 93 Abs 5 Z 10 BWG seien Schuldverschreibungen des Kreditinstitutes und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln von der Sicherung ausgenommen. Der Gesetzestext folge wörtlich der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme Art 1 Z 1 und Art 7 Abs 2 iVm dem Anhang I Z 12. Nach Art 7 Abs 2 der Richtlinie könnten Mitgliedsstaaten vorsehen, dass bestimmte Einleger oder bestimmte Anlagen von dieser Sicherung ausgenommen oder in geringerem Umfang gesichert würden. Im Anhang I seien unter Z 2 Schuldverschreibungen des Kreditinstituts und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln genannt. Nach den erläuternden Bemerkungen entspreche der Gesetzestext der genannten Richtlinie; daraus erhelle das Ziel des Gesetzgebers, bei der Fassung des hier relevanten Textes des § 93 BWG die genannte Richtlinie wortgetreu umzusetzen und von der Möglichkeit uneingeschränkt Gebrauch zu machen, Ausnahmen im Sinn des Anhang I Z 12 vorzusehen. Dies bedeute, dass der Gesetzgeber zwar zunächst (nicht fundierte) Schuldverschreibungen nach § 93 Abs 2 Z 3 BWG als sicherungspflichtige Einlagen bezeichne, aber im § 93 Abs 5 Z 10 BWG die durch die Richtlinie zulässige Einschränkung bei Schuldverschreibungen und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln dennoch unverändert vornehme. Die zugrundeliegende legistische Überlegung, zunächst weit gefasst eine Sicherung anzuordnen, um sie dann erheblich wiederum einzuschränken, könne wohl nur in dem vom Gesetzgeber erklärten Ziel begründet liegen, die Richtlinie wortwörtlich umzusetzen. Bei wörtlicher Auslegung schließe § 93 Abs 5 Z 10 BWG einerseits Schuldverschreibungen des Kreditinstituts und andererseits Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln aus.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob die Sicherungspflicht gemäß § 93 Abs 2 Z 3 BWG durch § 93 Abs 5 Z 10 BWG derart eingeschränkt werde, dass Schuldverschreibungen keine sicherungspflichtigen Einlagen seien.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung von der klagenden Partei erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
§ 93 Abs 2 BWG in der Fassung der am 1. 8. 1996 in Kraft getretenen Novelle BGBl 1996/445 lautet "Sicherungspflichtige Einlagen sind:
...
...
3.) Forderungen, die vom Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft sind, ausgenommen Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und fundierte Bankschuldverschreibungen".
§ 93 Abs 5 BWG lautet:
"Folgende Einlagen sind von der Sicherung durch die Einlagensicherung ausgeschlossen:
...
Z 10. Schuldverschreibungen des Kreditinstitutes und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln."
Der Gesetzgeber der Novelle BGBl 1996/445 wollte damit (so Vorblatt und Erl Bem in der RV 94 BglNR 20. GP, 25 und 44 f so wie Berichte des Finanzausschusses 256 BlgNR 20. GP I) die "von der EG vorgenommenen rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllen". Nach der vom Gesetzgeber umzusetzenden Richtlinie RL 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme, ABl Nr L135 vom 31. 5. 1994, sollte "zum einen das in dieser Richtlinie festzusetzende Mindestdeckungsniveau so festgelegt werden, dass sowohl im Interesse des Verbraucherschutzes als auch der Stabilität des Finanzsystems möglichst viele Einlagen erfasst werden. Zum anderen wäre es unangebracht, gemeinschaftsweit ein Schutzniveau vorzuschreiben, das in manchen Fällen eine unsolide Geschäftsführung der Kreditinstitute fördern könnte "(Präambel). Nach Art 7 Abs 2 dieser Richtlinie können Mitgliedsstaaten vorsehen, dass bestimmte Einleger oder bestimmte Einlagen von dieser Sicherung ausgenommen oder im geringeren Umfang gesichert werden. Die Liste dieser Ausnahmen ist in Anhang I beigefügt. In Anhang I Z 12 sind als Ausnahmen aufgezählt:
"Schuldverschreibungen des Kreditinstituts und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln." Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, diente die Novellierung der wörtlichen Umsetzung der Richtlinie um sowohl die sicherungspflichtigen Einlagen zu umschreiben als auch die möglichen Ausnahmen richtliniengemäß umzusetzen. Da die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechtes insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes dieses nationale Recht im Lichte des Wortlautes und des Zwecks einer Richtlinie auszulegen (7 Ob 246/99y mwN) haben, ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber als sicherungspflichtig die in Art 1 der genannten Richtlinie umschriebenen Einlagen ansah, andererseits aber auch von der im Anhang I Z 12 vorgesehener Ausnahme von der Sicherungspflicht für Schuldverschreibungen des Kreditinstituts und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln Gebrauch machte.
Zutreffend haben daher auch die Vorinstanzen darauf verwiesen, dass nach der zunächst gebotenen wörtlichen Auslegung durch die Ausnahmebestimmung des § 93 Abs 5 Z 10 BWG einerseits Schuldverschreibungen des Kreditinstitutes und andererseits Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln von der zunächst in Abs 2 leg cit gebotene Einlagensicherung ausgeschlossen sind.
Die von der Revisionswerberin gewünschte Auslegung, dass die Ausnahmebestimmung des § 93 Abs 5 Z 10 BWG dahingehend zu verstehen sei, "Schuldverschreibungen, die aus eigenen Akzepten und Solawechsel rührten", seien von der Einlagensicherung ausgenommen, während "ungesicherte Schuldverschreibungen" Einlagensicherung genössen, lässt sich nach den Regeln der Grammatik nicht nachvollziehen. Die von der Revisionswerberin gewünschte "Teilmenge" von sicherungspflichtigen und nichtsicherungspflichtigen Schuldverschreibungen lässt sich daher nicht bilden. Wechselmäßig besicherte Schuldverschreibungen, die nach Meinung der Revisionswerberin die den Sicherungsausnahmetatbestand bestimmende Teilmenge an Schuldverschreibungen darstellen sollen, gibt es - im Gegensatz zu durch Grundpfandrechte oder Bürgschaften gesicherten Schuldverschreibungen - nicht. Eine solche Ausnahme von der grundsätzlichen Sicherungspflicht hätte daher keine Bedeutung. Einer Auslegung aber, die der Vorschrift ihren Anwendungsbereich nimmt, kann nicht der Vorzug gegeben werden (Koziol in Koziol/Welser I11, 22).
Zusammenfassend teilte der Oberste Gerichtshof die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, dass durch die Ausnahmebestimmung des § 93 Abs 5 Z 10 BWG Schuldverschreibungen wieder zur Gänze von der Einlagensicherung ausgenommen wurden (vgl auch Chini/Fröhlichsthal, Praxiskommentar zum BWG 2. Auflage FN 6 und 27 zu § 93 BWG; Nowotny, Gläubigerschutz bei Anleihen, RdW 1998, 717; Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Strobl, BWG2, 737).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 50 ZPO.
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