OGH 2Ob29/94

OGH2Ob29/9421.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Radomir M*****, vertreten durch Dr.Kurt Hanusch und Dr.Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagten Parteien 1. Josef T*****, 2. Josef T*****, beide vertreten durch Dr.Bernd Fritsch, Dr.Klaus Kollmann, Dr.Günter Folk und Dr.Emil Knauer, Rechtsanwälte in Graz, und 3. ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Folk und Dr.Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wegen Leistung von S 292.019 sA sowie Zahlung einer Rente (Streitwert S 203.256) und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14.Jänner 1994, GZ 2 R 206/93-38, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 30.Juli 1993, GZ 3 Cg 116/92-32, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 29.7.1989 bei einem Verkehrsunfall in Österreich schwer verletzt. Das Alleinverschulden des Erstbeklagten als Lenker eines LKWs, dessen Halter der Zweitbeklagte ist, sowie die Haftung der drittbeklagten Partei sind unbestritten.

Der Kläger machte restliches Schmerzengeld, Zahlung von Verdienstentgang sowie Zahlung einer Rente geltend.

Im Revisionsverfahren ist lediglich das Verdienstentgangsbegehren in der Höhe von S 179.660 sowie die Leistung einer monatlichen Rente ab dem 1.3.1993 in der Höhe von S 5.646 strittig.

Der Kläger führte hiezu aus, gelernter Kfz-Mechaniker zu sein und im Jahre 1985 die Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt zu haben. Er sei zum Unfallszeitpunkt als Facharbeiter bei der Firma Karl L*****GmbH tätig gewesen und wäre weiterhin beschäftigt worden. Er hätte ohne den Unfall vom 8.9.1989 bis zum 30.4.1992 insgesamt DM 81.050,86 verdienet. In diesem Zeitraum habe er an Krankengeld, Arbeitslosengeld sowie Sozialhilfe DM 54.532,14 erhalten. Umgerechnet ergebe sich ein Verdienstentgang in der Höhe von S 185.618, worauf die Drittbeklagte ein Aconto in der Höhe von S 70.000 geleistet habe. Es hafte daher ein restlicher Verdienstentgang von S 115.618 aus. In der Folge "präzisierte" der Kläger sein Vorbringen dahin, daß er in der Zeit vom 25.1.1991 bis zum 28.2.1993 insgesamt DM 66.602,15 (S 466.215) ins Verdienen gebracht hätte, während er tatsächlich nur S

278.731 bezogen habe. Insgesamt sei ihm im gesamten relevanten Zeitraum (8.9.1989 bis 28.2.1993) ein Verdienstentgang in der Höhe von S 249.660 entstanden, worauf die drittbeklagte Partei eine Akontozahlung von S 70.000 geleistet habe, weshalb der geltend gemachte Verdienstentgang S 179.660 betrage.

Zum Rentenbegehren führte der Kläger aus, daß er ab dem 1.3.1993 bei seinem Arbeitgeber monatlich DM 2.659,07 erhalten hätte. Vom Arbeitsamt Ahlen beziehe er monatlich DM 1.852,50. Die Differenz von DM 806,57 (umgerechnet S 5.646) werde als monatliche Rente ab dem 1.3.1993 begehrt.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei zur Geltendmachung eines Verdienstentgangsanspruches nicht legitimiert, weil seine Ansprüche zufolge der gesetzlichen Legalzession auf den Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Das Erstgericht gab unter anderem dem Verdienstentgangsbegehren mit einem Betrag von S 179.660 sowie dem Rentenbegehren im Betrag von monatlich S 5.646 statt.

Es ging dabei von nachstehenden Feststellungen aus:

Der Kläger lebt seit 15 Jahren in Deutschland und war ab dem 14.12.1988 bei der Firma Karl L***** als Möbellackierer beschäftigt. Er wäre ohne den Unfall auch weiterhin in diesem Unternehmen beschäftigt worden. Das Beschäftigungsverhältnis wurde wegen der schweren Unfallsfolgen im beiderseitigen Einvernehmen zum 24.1.1991 beendet. Der Kläger ist nach dem Unfall keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. Er erhielt von der Innungskrankenkasse Beckum-Warendorf für die Zeit vom 8.9.1989 bis 24.1.1991 Krankengeld im Betrag von DM 28.736,63 und weiters für den Zeitraum vom 13.12.1989 bis 7.2.1990 Übergangsgeld in der Höhe von DM 3.543,10. Die Krankengeldzahlung wurde mit 24.1.1991 eingestellt. Ab dem 25.1.1991 bezog der Kläger vom Arbeitsamt Ahlen bis zum 14.8.1992 insgesamt DM 25.535 an Arbeitslosengeld bzw Arbeitslosenhilfe. Seit dem 15.8.1992 bezieht er ebenfalls vom Arbeitsamt Ahlen laufend Übergangsgeld in der Höhe von DM 1.852,50. In der Zeit vom 12.4.1991 bis 31.8.1991 sowie vom 5.2.1992 bis 30.7.1992 empfing der Kläger vorübergehend zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes Sozialhilfe von der Stadt Warendorf. Diese Leistungen wurden der Stadt Warendorf bis auf einen Betrag von DM 2.119,08 rückerstattet.

Der Kläger hat bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz in Landshut einen Antrag auf Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Dieser Antrag wurde mangels der medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt. Ein Klageverfahren beim Sozialgericht München ist anhängig. Der Kläger hätte in der Zeit vom 8.9.1989 bis einschließlich 28.2.1993 ein fiktives Nettoeinkommen von DM 119.419,04 (S 835.933,42) ins Verdienen bringen können.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß von diesem fiktiven Nettoeinkommen im Rahmen der Vorteilsausgleichung die während des gleichen Zeitraumes erhaltenen Empfänge von DM 71.975,06 (umgerechnet S 503.825,42) in Abzug zu bringen seien. Abzüglich der Akontozahlungen der drittbeklagten Partei ergebe sich ein Betrag von S 248.108. Der vom Kläger begehrte Betrag von S 179.660 finde darin Deckung und sei daher zuzusprechen.

Auch das Rentenbegehren sei berechtigt, weil der Kläger nach der wahrscheinlichen künftigen Entwicklung ab März 1993 DM 2.631,52 (S 18.420,64) erhalten hätte. Darauf sei das vom Arbeitsamt Ahlen bezogene Übergangsgeld von monatlich DM 1.852,50 (S 12.953,50) anzurechnen. Die Differenz von S 5.467,14 führe zum Ergebnis, daß das Rentenbegehren des Klägers im Umfang von S 5.646 berechtigt sei.

Der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach § 116 des deutschen Sozialgesetzbuches gehe ein Regreßanspruch auf den Sozialhilfeträger erst in dem Moment über, ab dem dieser Leistungen tatsächlich erbringe. Der Verletzte sei gehalten, zunächst selbst den Ersatzanspruch zu realisieren, um so den Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit zu vermeiden. Der Einwand der beklagten Parteien gehe sohin ins Leere.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Parteien diese Entscheidung dahingehend ab, daß es das Begehren auf Zahlung von Verdienstentgang in der Höhe von S 179.660 sA sowie das Rentenbegehren abwies.

Es erörterte rechtlich, daß die Frage der Legalzession nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Nach diesem gehe ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen habe, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienten und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadenersatz bezögen. Der Ersatzanspruch gehe auf die Renten-, Kranken- und Unfallversicherungsträger schon im Zeitpunkt des Schadensereignisses über, und zwar unabhängig davon, ob ab diesem Zeitpunkt überhaupt Leistungen zu erbringen seien oder beantragt worden seien. Voraussetzung sei die Möglichkeit, daß der Träger irgendwann einmal wegen des Unfalles leistungspflichtig werde. Die Folge des Rechtsüberganges sei, daß der Verletzte, soweit sein Anspruch übergehe, in keinem Zeitpunkt zur Klageerhebung befugt sei, also auch nicht zu einer Zeit, zu der gar nicht feststehe, ob überhaupt Sozialleistungen gewährt würden oder nicht. Auch die drittbeklagte Partei könne sich auf den Forderungsübergang an den Sozialversicherungsträger berufen, weil sie ihre Haftung gegenüber dem Kläger gar nicht bestritten habe. Das Verdienstentgangs- und Rentenbegehren sei daher abzuweisen, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage bedürfe, welche Leistungen der Kläger von einem Sozialhilfeträger bereits erhalten und ohnehin berücksichtigt habe bzw welche Ansprüche ihm aus dem anhängigen Verfahren gegen den Sozialversicherungsträger erwachsen könnten. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revisionn zu, weil zur Frage des Forderungsübergangs nach deutschem Recht keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber verweist darauf, daß nach der dem § 332 Abs 1 öASVG vergleichbaren Bestimmung des § 116 Abs 1 dSGB X ein Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger nur in jenem Umfange bestehe, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses sachlich und zeitlich kongruente Sozialleistungen zu erbringen habe. Der Kläger habe keinerlei Anspruch auf Sozialleistung von dem deutschen Sozialversicherungsträger. Selbst wenn dies der Fall sei, wäre diese Leistung keineswegs höher als das vom Revisionswerber bereits berücksichtigte Arbeitslosengeld und Sozialhilfegeld.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich berechtigt.

Da es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsbeziehung handelt, ist zunächst auf die Frage des anzuwendenden Rechtes einzugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung wird ein hier streitgegenständlicher gesetzlicher Forderungsübergang dem Sachrecht jener Rechtsordnung unterstellt, die die Leistungspflicht des Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (Zessionsgrundstatut; vgl Schwimann in Rummel Rz 7 a vor § 35 IPRG; SZ 59/214).

Die Frage der behaupteten Legalzession ist daher nach deutschem Recht zu beantworten.

§ 116 des dSGB X regelt den Übergang eines auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhenden Anspruches auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe. Danach geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder den Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichenn Art dienen und sich auf denselben Zeitpunkt wie der vom Schädiger zu leistende Schadenersatz beziehen. Diese Regreßregelung zielt auf eine Entlastung der Solidargemeinschaft der Sozialversicherten, soweit die Gewährung einer Sozialleistung durch schädigendes Handeln Dritter notwendig wurde, ab. Das Regreßrecht soll sowohl eine Doppelleistung beim Verletzten als auch eine Begünstigung des Schädigers vermeiden (BGHZ 9, 179, 186; NJW 87, 1696; Plagemann in Geigel, Der Haftpflichtprozeß21 30 Rz 1). Es soll jedenfalls verhindert werden, daß dem Haftpflichtigen im wirtschaftlichen Ergebnis die Last des von ihm zu verantwortenden Schadens abgenommen und auf den Träger der Sozialversicherung endgültig verlagert wird.

Dem Berufungsgericht ist zunächst zuzustimmen, daß der Rechtsübergang auf die Renten-, Kranken- und Unfallversicherungsträger grundsätzlich im Zeitpunkt des Schadensereignisses selbst erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob ab diesem Zeitpunkt überhaupt Leistungen zu erbringen sind oder beantragt wurden (Geigel aaO Rz 31; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht13 Rz 1425). Dabei ist Voraussetzung, daß der Sozialversicherungsträger irgendwann einmal wegen des Unfalls leistungspflichtig wird, wobei eine weit entfernte Möglichkeit, die den Geschädigten selbst berechtigen würde, eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht wegen eines entsprechenden Zukunftsschadens zu erheben, genügt (BGH NJW 90, 2933). Die Entstehung solcher Leistungspflichten darf nur nicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen erscheinen. Der Schadenersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Schädiger geht aber nur in begrenztem Umfange auf den Versicherungsträger über, nämlich insoweit, wie der Versicherungsträger dem Verletzten Leistungen zu gewähren hat. Für den Umfang des Rechtsüberganges kommt es nicht darauf an, ob die Leistungen tatsächlich gewährt worden sind oder in Zukunft gewährt werden, sondern es kommt auf die gesetzliche Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten an (Wussow Rz 1427). Durch den Rechtsübergang dem Grunde nach entfällt eine Aktivlegitimation des Verletzten über den Anspruch insoweit, als dieser zur Deckung der Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers später gebraucht wird (Wussow Rz 1428). Demnach ist (nur) der Teilanspruch, der auf den Versicherungsträger übergeht, dem Grunde nach in keinem Zeitpunkt in der Verfügungsmacht des Verletzten selbst (BGH VersR 60.833; Wussow Rz 1425). Der vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsmeinung, der Verletzte sei in keinem Zeitpunkt zur Klageerhebung befugt, also auch nicht zu einer Zeit, zu der noch gar nicht feststehe, ob überhaupt Sozialleistungen gewährt werden oder nicht (Geigel aaO 30 Rz 37), ist daher mit der Einschränkung zuzustimmen, daß es sich dabei nur um solche Ansprüche handeln kann, die aufgrund der zu gewährenden Sozialleistung übergegangen sind, nicht jedoch um solche Ansprüche, die, weil sie in den zu gewährenden Sozialleistungen keine Deckung finden, weiterhin beim Verletzten verbleiben. Dementsprechend lehrt auch Wussow (Rz 1429), daß durch den Rechtsübergang die Schadenersatzforderung des Verletzten gegenüber dem Schädiger von vornherein in zwei Teile aufgespalten wird, und zwar in einen beim Verletzten verbleibenden Teil und einen Teil, der aufgrund der Legalzession auf den oder die Sozialversicherungsträger übergeht. Die Grenze zwischen diesen beiden Teilansprüchen könne sich je nach der Höhe der Aufwendungen der Sozialversicherungsträger ständig verschieben. Es handle sich dabei um eine Verschiebung der Grenze zwischen den beiden Teilansprüchen, ohne daß der Rechtsübergang als solcher dem Grunde nach erlösche oder später wieder auflebe (BGH VersR 60, 833). Erhöhe sich die Leistung des Sozialversicherungsträgers, so ermäßige sich entsprechend der beim Verletzten verbliebene Teilanspruch (Wussow Rz 1430).

Dies bedeutet zusammenfassend, daß bei möglichen Leistungen des Sozialversicherungsträgers der zeitlich und sachlich kongruente Schadenersatzanspruch des Verletzten in dem Umfang auf den Sozialversicherungsträger übergeht, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch verbleibt beim Verletzten (vgl das Beispiel in Wussow Rz 1472 b).

Auf die weiters in der Revision vertretene Rechtsmeinung, ein Geschädigter sei nach deutschem Recht jedenfalls immer dann klagslegitimiert, wenn er die Klage auf Schadenersatz im Ausland erheben müsse, ist zu erwidern, daß die dazu (auch von Plagemann in Geigel aaO 30, 37) zitierte Entscheidung des BGH VersR 1983, 874 (876) diese Behauptung nicht tragen kann. In dieser Entscheidung ging es um die Anerkennung des Urteiles eines die mangelnde Klagebefugnis des deutschen Klägers (infolge des gesetzlichen Forderungsüberganges nach § 1542 RVO) nicht berücksichtigenden italienischen Gerichts in Deutschland. Das deutsche Gericht (als das die Vollstreckbarkeit bestätigende Gericht) müsse die Rechtskraft einer italienischen Entscheidung hinnehmen und könne die Klagebefugnis nicht im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nachprüfen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Nichtbeachtung der fehlenden Klagebefugnis eines deutschen Geschädigten wegen des in den deutschen Gesetzen vorgesehenen Überganges auf den Sozialversicherungsträger einen Verstoß gegen den ordre public darstelle, weil Voraussetzung dafür in jedem Fall wäre, daß dem verurteilten deutschen Schädiger konkret eine Inanspruchnahme durch den deutschen Sozialversicherungsträger drohe. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, weil dem Sozialversicherungsträger die Prozeßführung in Italien bekannt gewesen sei und sie gebilligt habe. Die Billigung der Prozeßführung durch den Sozialversicherungsträger in Deutschland stehe einer (neuerlichen) Geltendmachung aus übergegangenem Recht entgegen. Daraus läßt sich aber die Rechtsmeinung, eine Prozeßführung im Ausland bewirke jedenfalls die Aktivlegitimation des Geschädigten, nicht ableiten. Diese Rechtsansicht wurde vom BGH nur unter den besonderen Umständen gebilligt, kann aber nicht verallgemeinert werden. Es ist daher daran festzuhalten, daß ein Aktivanspruch des Geschädigten auch bei Prozeßführung im Ausland nur insoweit besteht, als der Anspruch nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Schließlich ist noch auf die Behauptung einzugehen, der drittbeklagten Partei sei es jedenfalls verwehrt, den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation zu erheben, weil es sich im Verhältnis zur zweitbeklagten Partei um ein "notleidendes" Versicherungsverhältnis mangels Prämienzahlung handle. Nach § 3 Nr. 6 dPIVG und § 158 c Abs 4 dVVG hafte ein Haftpflichtversicherer dem Sozialversicherungsträger bei einem notleidenden Versicherungsverhältnis wegen Obliegenheitsverletzung überhaupt nicht.

Darauf ist zu erwidern:

Gemäß § 158 c Abs 1 dVVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten bestehen, auch wenn der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. Nach Abs 4 leg cit haftet der Versicherer nicht, wenn und soweit der Dritte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens von einem anderenn Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Nach Abs 6 leg cit wird durch diese Vorschriften ein Recht des Dritten, den Versicherten, unmittelbar in Anspruch zu nehmen, nicht begründet.

Für den Bereich der KFZ-Pflichtversicherung ist Abs 1 leg cit durch § 3 Nr. 4, 5 dPlfvVersG ersetzt, die Absätze 3 bis 5 gelten analog gemäß § 3 Nr. 6 S1.PflVersG. § 3 Nr. 1 PlfVersG gibt anders als § 158 c Abs 6 dVVG einen direkten Anspruch (Prölss/Martin25 Rz 1 zu § 158 c dVVG). Dies bedeutet zunächst, daß der Kläger infolge der Bestimmung des § 158 c Abs 4 insoweit keinen Anspruch gegen die drittbeklagte Partei geltend machen kann, als er von einem Sozialversicherungsträger Leistungen erlangen kann. Der Versicherer haftet in diesem Umfang im Rahmen der Mindestversicherungssummen nur subsidiär (Prölss/Martin aaO Rz 6a). Im Rahmen der durch den Sozialversicherungsträger nicht abgedeckten Schäden bleibt aber der Versicherer dem Dritten gegenüber weiterhin haftbar (Prölss/Martin aaO Rz 7c). Auch daraus folgt, daß der Kläger hinsichtlich jener Ansprüche, für die er keine Leistungen aus der Sozialversicherung erlangen kann, auch gegen die drittbeklagte Partei weiterhin aktiv legitimiert ist. Der drittbeklagten Partei muß daher aus diesen Gründen zugebilligt werden - wenn auch erfolglos -, den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation dem Grunde nach zu erheben.

Der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß der Revisionswerber aufgrund des Forderungsüberganges an den Sozialversicherungsträger dem Grunde nach zur Gänze von der Geltendmachung weitergehender Verdientgangsansprüche ausgeschlossen werde, kann daher zusammenfassend nicht gefolgt werden.

Der Kläger ist trotz des Forderungsüberganges dem Grunde nach an den Sozialversicherungsträger im Umfang der Differenz zwischen dem als Rente zuzusprechenden Verdienstentgang (Wussow Rz 1303) und den möglichen Sozialleistungen des Sozialversicherungsträgers im Umfange dieses Teilanspruches weiterhin aktiv legitimiert.

Der Revisionswerber hat dazu vorgebracht, daß auch eine möglicherweise aufgrund des Unfalls zu gewährende Sozialrente nicht höher sei als die bereits berücksichtigten empfangenen Sozialleistungen.

Feststellungen dazu fehlen.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher festzustellen sein, welche möglichen Leistungen dem Revisionswerber aus der Sozialversicherung zustehen und inwieweit eine derartige Leistung mit den geltend gemachten Verdienstentgangsansprüchen auch zeitlich kongruent ist.

Diese Feststellungen sind zur Beurteilung der Aktivlegitimation des Revisionswerbers von Bedeutung.

Es war daher der Revision im Sinne des Eventualantrages Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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