Spruch:
Das Gericht darf nicht überprüfen, ob öffentliche Interessen oder das Interesse des Kindes die Erhebung der Klage auf Bestreitung der ehelichen Geburt durch den Staatsanwalt rechtfertigen.
Entscheidung vom 29. September 1948, 2 Ob 296/48.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht wies die Klage des Staatsanwaltes wegen Bestreitung der ehelichen Geburt der Beklagten mit der Begründung ab, daß die Staatsanwaltschaft weder ein öffentliches noch ein Interesse des Kindes behauptet habe und daß ein solches Interesse an der vorliegenden Klage auch nicht vorliege; es könne nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, das Versäumnis des Ehemannes an der rechtzeitigen Erhebung der Klage auszubessern.
Das Berufungsgericht gab in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage Folge.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte dieses Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die Verordnung über die Angleichung familienrechtlicher Vorschriften vom 6. Februar 1943, durch die die Vorschriften über die Bestreitung der Ehelichkeit neu geregelt worden sind, ist von der Absicht getragen, den tatsächlichen Verhältnissen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Frist zur Bestreitung der Ehelichkeit eines Kindes wurde daher mit einem Jahr, beginnenden mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, festgelegt, wobei die Frist frühestens mit der Geburt des Kindes beginnt und ihr Lauf zugunsten des bestreitungsberechtigten Mannes unter Umständen nach § 156, Abs. 3, ABGB. gehemmt ist. Und selbst wenn der Mann die Ehelichkeit eines Kindes innerhalb der gesetzlichen Frist nicht bestritten hat, ist dem Staatsanwalt das Recht eingeräumt, die Ehelichkeit zu bestreiten.
Nach dem Wortlaut des § 158 ABGB. ("für geboten erachtet") besteht kein Zweifel, daß es in das Ermessen des Staatsanwaltes gestellt ist, die Bestreitungsklage zu erheben, so daß weder der Mann, der die Frist versäumt hat, den Staatsanwalt zur Erhebung der Bestreitungsklage zwingen, noch auch das Kind der Klage des Staatsanwaltes mit der Einwendung begegnen kann, sie sei nicht im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes gelegen. Daraus kann nicht gefolgert werden, daß der Nebensatz des § 158 ABGB. überhaupt überflüssig wäre; er gibt den Beteiligten die Möglichkeit, bei der dem Staatsanwalt übergeordneten Behörde die Zurücknahme der Klage anzuregen.
Eine Prüfung des Interesses, das den Staatsanwalt zur Klageerhebung veranlaßt hat, durch das Gericht ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht anzunehmen und auch von der Rechtsprechung im allgemeinen verneint worden (vgl. RG. 163/156 vom 18. März 1940).
Es ist daher entbehrlich, sich mit den Ausführungen der Revision zu befassen, die dartun wollen, daß die Bestreitungsklage nicht im Interesse des Kindes gelegen wäre.
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