Normen
CIM - Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Art27 §2
CIM - Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr Art27 §2
Spruch:
Sind leicht verderbliche Güter infolge einer Verzögerung des Transportes teilweise oder völlig verdorben und wurde die Lieferfrist aber trotz der Verzögerung eingehalten, dann ist eine Haftung der Eisenbahn für den inneren Verderb ausgeschlossen
OGH 6. Feber 1975, 2 Ob 293/74 (OLG Wien 2 R 95/74; HG Wien 12 Cg 86/72)
Text
Die Klägerin (VersicherungsAG in Köln) verlangt von der Beklagten (protokollierte Firma "Österreichische Bundesbahnen (ÖBB)") Zahlung des Gegenwertes von 45.509.40 DM samt Anhang in österreichischen Schilling, umgerechnet zum Kurse des Zahlungstages. Sie brachte dazu im wesentlichen vor:
Die Farbenfabriken X AG hätten am 2. Dezember 1969 der Deutschen Bundesbahn eine für die Österreichische M Ges. m. b. H. bestimmte Sendung von 200 Trommeln hochempfindlicher Chemikalien zum Transport von Dormagen nach Wien-Donauuferbahnhof übergeben. Bei Öffnung des Waggons am Donauuferbahnhof am 10. Dezember 1969 sei festgestellt worden, daß die Sendung total verdorben gewesen sei. Die Verpackung sei sachgemäß und beim Öffnen des Waggons in Ordnung gewesen. Die Sendung habe die Aufschrift "Frostempfindlich ab plus 4 Grad" getragen. Die Bahn hätte den Absender darauf aufmerksam machen müssen, daß die Verpackung wegen der Frostempfindlichkeit des Gutes ungenügend sei. Da dies nicht geschehen sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die annehmende Bahn die Verpackung als ausreichend angesehen habe. Um ein Absinken der Temperatur unter plus 4 Grad zu verhindern, seien im Waggon 2 Ofen aufgestellt gewesen, für deren Nachheizung in Passau gesorgt worden sei. Der Frachtbrief habe den Vermerk "Eilbedürftig auf den Strecken der ÖBB" getragen. Die am 4. Dezember 1969 durch das Zollamt Schärding abgefertigte Sendung sei auf der 298 km langen Strecke von Passau nach Wien nicht innerhalb von 36 Stunden gelangt, wie dies Art. 11 § 2 lit. a Z. 2 CIM vorschriebe, sondern erst am 10. Dezember 1969. Die Fristüberschreitung von 4 Tagen sei maßgebend dafür gewesen, daß trotz der getroffenen Vorkehrungen das Gut verdorben sei. Die Haftung für die Nichteinhaltung der Lieferzeit und die dadurch verursachte Beschädigung des Gutes treffe die Beklagte. Die Ursache der Gefahr, die das Gut bedroht habe, sei nicht in der Natur desselben gelegen gewesen. Im übrigen könne sich die Bahn bei schuldhafter Verlängerung der Beförderungsdauer nicht auf eine Haftungsbefreiung berufen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, entweder für eine zügige Beförderung zu sorgen oder durch Kontrolle des Waggons eine ausreichende Beheizung sicherzustellen.
Die Klägerin habe auf Grund der bei ihr über die Farbenfabriken X AG eingedeckten Transportversicherung den Schaden reguliert. Mit Schreiben vom 4. November 1970 sei der Schaden bei der Beklagten angemeldet worden.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Auf Grund der vom Absender gewählten Beförderungsart sei das "Internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM)" anzuwenden. Nach der vom Beauftragten des Empfängers anerkannten Tatbestandsaufnahme sei der Inhalt von 3 Trommeln völlig gefroren gewesen, nicht aber der Inhalt der 4. vorgezeigten Trommel. Weitere Schäden seien der Bahn innerhalb der siebentätigen Frist des Art. 46 § 2 Abs. 2 lit. d CIM nicht gemeldet worden. Soweit der eingeklagte Anspruch über die in der Tatbestandsaufnahme festgehaltene Schäden hinausgehe, sei er nach Art. 46 § 1 CIM erloschen. Die Beklagte hafte für den Schaden außerdem überhaupt nicht, weil die transportierten Güter schon ihrer natürlichen Beschaffenheit nach besonderen Gefahren ausgesetzt gewesen seien (Art. 27 § 3 lit. e CIM) und weil der Absender trotz der zu gewärtigenden Frostgefahr keine besondere Verpackung gewählt habe (Art. 27 § 3 lit. b CIM). Dem im Frachtbrief enthaltenen Vermerk, den Waggon in Passau der Firma S und Co. zur Vornahme der Nachbeheizung bereitzustellen, sei entsprochen worden. Es sei diese Nachbeheizung auch durchgeführt worden. Vermutlich sei der Schaden aus den genannten besonderen Gefahren (hohe Frostempfindlichkeit des Gutes und unzureichende Verpackung) entstanden (Art. 28 § 2 CIM). Der Absender könne nicht verlangen, daß seine Sendung auf einer Teilstrecke als gewöhnliche Fracht und auf einer anderen Teilstrecke als Eilfracht befördert werde. Die gegenständliche Sendung sei mit dem für Frachtgut vorgesehenen Frachtbrief aufgegeben worden (Art. 6 § 1 letzter Absatz und § 4 CIM). Die für Frachtgut vorgesehenen Lieferfristen (Art. 11 § 2 lit. b CIM) seinen eingehalten worden. Die Verzögerung des Transportes sei insbesondere auf die damals äußerst ungünstigen Witterungsverhältnisse zurückzuführen, die die beabsichtigte schnellere Beförderung nicht zuließen. Nach dem Wegfall dieser Hindernisse sei die Beförderung schnellstens erfolgt. Die Überschreitung der Lieferfrist würde im übrigen nur die Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe nach sich ziehen (Art. 34, 36 und 37 CIM). Ein allfälliger Anspruch darauf sei aber erloschen, weil er nicht innerhalb von 60 Tagen bei der Bahn geltend gemacht worden sei (Art. 46 § 2 lit. b CIM). Abgesehen davon sei aber das Frachtgut trotz des Frostschadens noch verwendbar gewesen.
Außer Streit steht, daß die Österreichische M Ges. m. b. H. die gegenständlichen Schadenersatzansprüche der Klägerin abgetreten hat.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren (auch im 2. Rechtsgang) ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Mit Frachtbrief vom 2. Dezember 1969 übergaben die Farbenfabriken X AG der Deutschen Bundesbahn 200 Trommeln mit Prenotekt-Latex 58% zum Transport von Dormagen nach Wien-Donauuferbahnhof. Es handelte sich um einen weißen Frachtbrief ohne roten Rand, auf dem ein Hinweis auf das CIM aufscheint. Der Frachtbrief weist nunmehr eine aufgeklebte, rot umrandete Etikette mit dem Aufdruck "Eilbedürftig auf den Strecken der ÖBB" auf. (In der Berufungsverhandlung wurde dazu außer Streit gestellt, daß diese Etikette von Bediensteten der ÖBB angebracht wurde.) Unter der Bezeichnung der Ware enthält der Frachtbrief in Maschinschrift einen rot unterstrichenen Vermerk "Frostempfindlich ab plus 4 Grad". Ferner weist er die Vermerke auf:
"Zum Schutz der Ladung wurden dem Waggon Heizöfen mit den Nr. 445 und 446 (zusammen 80 kg) beigefügt. Die Öfen entsprechen den Zulassungsbedingungen der DB" und "Wir bitten bei Durchlaufen des Waggons in Passau die Heizöfen durch die Firma S & Co. Passau neu auffüllen zu lassen. Ersatzfüllung anbeiÜ". Die Spalte "Interesse an der Lieferung" ist nicht ausgefüllt.
Der Waggon mit der Ware ging am 2. Dezember 1969 von Dormagen ab und langte am 4. Dezember 1969 in Passau ein. Dort wurden die beiden Öfen, in denen sich noch Glut befand, von Anneliese S im Auftrag der Firma S und Co. mit je 25 Holzkohlenbriketts nachgeheizt. Noch am 4. Dezember 1969 wurde der Waggon der Beklagten übergeben. Er langte am 9. Dezember 1969 am Donauuferbahnhof in Wien ein. Die Strecke Dormagen-Passau ist 686 km, die Strecke Passau-Wien 300 km lang.
In der Zeit vom 4. Dezember bis 9. Dezember 1969 herrschte im Bereich der Bahnstrecke von Passau nach Wien durchwegs eine Temperatur unter plus 3 Grad, vom 5. Dezember bis 9. Dezember 1969 eine solche von minus 10 Grad bis minus 2 Grad. Am 10. Dezember 1969 trat eine Frostmilderung ein, wobei die Temperatur bis zum 17. Dezember 1969 nicht über plus 2 Grad anstieg.
Vom 5. Dezember bis 7. Dezember 1969 gab es in Österreich starke Schneefälle, die zu beträchtlichen Betriebsbehinderungen der Bundesbahnen führten. Der Güterverkehr konnte zum Teil nicht mehr aufrecht erhalten werden. Auch nach dem Aufhören der Schneefälle am 8. Dezember und 9. Dezember 1969 kam es im Güterverkehr noch zu starken Behinderungen.
Das in Rede stehende Frachtgut sollte von der Firma B AG im Auftrag der Österreichischen M Ges. m. b. H. zur weiteren Bearbeitung übernommen werden. Der Waggon wurde am 10. Dezember 1969 um etwa 10 Uhr auf dem Anschlußgleis der Firma B AG im Beisein von Organen der Zollbehörde abgenommen. Die Übernahme der Ware wurde zunächst abgelehnt, weil beim Öffnen des Waggons sofort festgestellt worden war, daß der Waggon nicht geheizt war und weil bei der niedrigen Außentemperatur Schäden an der Ware befürchtet wurden. Es waren im Waggon noch 26 Holzkohlenbriketts vorhanden. Am 11. Dezember 1969 wurde der Frachtbrief eingelöst. Es erfolgte auch die Tatbestandsaufnahme durch einen Bundesbahnbediensteten in Anwesenheit des Betriebsleiters der Firma B und der Österreichischen M Ges. m. b. H. Es wurden 4 der 200 Trommeln geöffnet und dem erwähnten Bundesbahnbediensteten vorgezeigt. Dabei wurde festgestellt, daß der Inhalt von 3 Trommeln völlig gefroren war. Bei dem Inhalt der 4. Trommel konnte eine Gefrierung nicht beobachtet werden. In der Tatbestandsaufnahme wurde außer diesem Sachverhalt auch noch festgehalten, daß die Schadenshöhe später nachgewiesen werde. Es steht nicht fest, daß damals auch noch weitere Trommeln geöffnet wurden.
In der Folge blieb die Ware noch 2 bis 3 Tage in dem ungeheizten Waggon in Wien. Dann wurde sie mit Lastkraftwagen zur Österreichischen M Ges. m. b. H. nach L gebracht und dort in einem frostsicheren Keller gelagert. Bei der Besichtigung durch Dr. E, den Chemiker der Erzeugerfirma, am 17. Dezember 1969 wurden 10 bis 12 Trommeln geöffnet. Dabei wurde festgestellt, daß Latex aus der Emulsion ausgefällt worden war. Da Dr. E erklärte, die Chemikalien könnten wahrscheinlich nicht weiterverarbeitet werden, wurde die Ware von der Österreichischen M Ges. m. b. H. mit Zustimmung der Erzeugerfirma vernichtet.
In dem von der Klägerin ausgefüllten und unterfertigten Havarie-Zertifikat vom 18. Dezember 1969, das erst am 7. Dezember 1970 bei der Beklagten einlangte, wurde angezeigt, daß der Schaden über die in der Tatbestandsaufnahme angeführten 3 Trommeln hinausgehe und daß es sich um einen Totalschaden bezüglich aller 200 Trommeln handle.
Es gibt keine Verpackung, die eine Ware längere Zeit hindurch vor Frost schützen könnte. Im gegebenen Fall wäre das Frachtgut spätestens 2 Tage nach dem Ende der Beheizung des Waggons unter null Grad abgekühlt, wobei sich die Ware von außen nach innen abkühlt, so daß der Großteil auf der Bahnfahrt nach Wien mindestens 2 Tage lang dem Frost ausgesetzt war. Nach dem Eintreffen der Ware in Wien milderte sich der Frost. Am 10. Dezember und 11. Dezember 1969 stieg die Lufttemperatur auf plus 2 Grad an. Um das Ladegut auf einer für dieses ungefährlichen Temperatur zu halten, hätte der Waggon während der gesamten Bahnfahrt mindestens einmal in 24 Stunden entsprechend aufgeheizt werden müssen. Die Abkühlung von Prenotekt-Latex 58% unter plus 3 Grad führt, wenn diese nicht sofort nach Beginn der Ausscheidung vom festen Latex beendet wird, zur Koagulation. Dadurch wird die Ware völlig unbrauchbar.
Die Firma Farbenfabriken X AG hat die in Rede stehende Ware mit
45.509.40 DM in Rechnung gestellt.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht im wesentlichen aus:
Die der Klägerin zedierten Ansprüche seien der M Ges. m. b. H. nach Art. 42 § 3 lit b CIM zugestanden. Aus der Art des verwendeten Frachtbriefes ergebe sich, daß die Sendung nur als Frachtgut und nicht als Eilgut zu befördern gewesen sei. Es sei nicht zulässig, die Beförderung auf einer Teilstrecke als Frachtgut und auf einer anderen Teilstrecke als Eilgut vorzuschreiben (Art. 6 § 4 CIM). Die auf dem Frachtbrief aufgeklebte Etikette "Eilbedürftig auf den Strecken der ÖBB" habe keine Verpflichtung der Beklagten zur Beförderung der Ware als Eilgut begrunden können. Die Abfertigungsfrist habe 24 Stunden, die Beförderungsfrist 120 Stunden und die gesamte Lieferfrist daher 144 Stunden betragen (Art. 11 § 2 CIM). Da das Gut am 2. Dezember 1969 zur Beförderung übergeben worden sei, der 7. Dezember 1969 ein Sonntag und der 8. Dezember 1969 in Österreich ein gesetzlicher Feiertag gewesen seien, habe die Lieferfrist an diesen beiden Tagen geruht und daher erst am 10. Dezember 1969 um 24 Uhr geendet (Art. 11 § 3, 7 lit. b CIM). Sie sei daher nicht überschritten worden.
Auch eine Haftung der Beklagten für Beschädigung nach Art. 27 § 1 CIM sei nicht gegeben. Es liege ein Haftungsausschluß nach Art. 27 § 3 lit. e CIM vor, weil der Schaden aus der Frostempfindlichkeit des Frachtgutes entstanden sei. Eine Vernachlässigung einer Obsorgepflicht könne der Bahn nicht vorgeworfen werden. Die vom Absender vorgeschriebene Nachheizung sei vorgenommen worden. Zu weiteren Obsorgemaßnahmen sei die Bahn nicht verpflichtet gewesen. Es wäre Sache des Absenders gewesen, der Frostempfindlichkeit des Frachtgutes durch Veranlassung einer häufigeren Beheizung des Waggons Rechnung zu tragen.
Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gänze als unbedenklich und folgte diesem auch in der rechtlichen Beurteilung, wobei es noch zusätzlich im wesentlichen ausführte:
Auf die gegenständliche Sendung, die mit durchgehendem Frachtbrief auf einem Weg aufgegeben worden sei, der das Gebiet zweier Vertragsstaaten berühre, sei zufolge § 453 HGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 EVO in erster Linie das Internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM), BGBl. 266/1964, anzuwenden. Wohl seien die Bestimmungen des Art. 11 § 1 CIM über die Lieferfristen gegenüber den Vorschriften, die zwischen den an der Beförderung beteiligten Eisenbahnen gelten oder die durch die vom Versand- bis zum Bestimmungsbahnhof anwendbaren internationalen Tarife festgesetzt werden, subsidiär, doch sei das Bestehen solcher Sonderabkommen bzw. solcher gemeinsam angewendeter Vorschriften von der Klägerin nicht behauptet worden. Die Eisenbahnverkehrsordnungen der hier beteiligten Staaten enthalten keine kürzeren Lieferfristen und sehen gleichfalls vor, daß die Beförderungsfrist nach der Gesamtentfernung zwischen Verlade- und Bestimmungsbahnhof berechnet wird. Es bestehe keine Vorschrift, nach der das Aufkleben einer Etikette auf den Frachtbrief mit dem Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Beförderung auf einer Teilstrecke auf die Berechnung der Lieferfrist Einfluß nehme. Nach Art. 6 § 4 CIM zeige die Wahl des weißen oder rotgeränderten Frachtbriefes an, ob das Gut als Frachtgut oder als Eilgut befördert werden soll. Eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Eisenbahnen, die Vorschreibung der Beförderung auf einem Teil der Strecke als Eilgut und auf einem anderen Teil der Strecke als Frachtgut zuzulassen, sei nicht behauptet worden. Die Eisenbahnverkehrsordnung der beteiligten Staaten kennen jedoch ebenfalls nur eine Beförderung entweder als Eil- oder als Frachtgut. Die Beförderung auf einer Teilstrecke als Eilgut könnte nur durch nachträgliche Verfügung des Absenders erreicht werden. Eine solche sei aber weder behauptet worden noch im Verfahren festgestellt worden. Es sei somit richtig, daß die Lieferfrist eingehalten worden sei.
Das Erstgericht habe auch den Haftungsausschließungsgrund nach Art. 27 § 3 lit. e CIM mit Recht angenommen. Wenn auch eine Substanzveränderung des Frachtgutes durch Frosteinwirkung während des Transportes Voraussetzung des Schadenseintrittes gewesen sei, so sei eine wesentliche Komponente hiefür doch die natürliche Beschaffenheit der Sache gewesen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin könne eine Verpflichtung der Beklagten, im Hinblick auf ihre Kenntnis der Frostempfindlichkeit des Gutes dieses vor Frostschäden zu bewahren, nicht angenommen werden. Der Hinweis auf die in §§ 429, 431 HGB normierten Sorgfaltspflichten des Frachtführers gehe fehl, weil für Eisenbahnfrachtverträge gemäß § 453 HGB die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches nur insoweit gelten, als die Eisenbahnverkehrsordnung (und damit auch die CIM) keine besonderen Bestimmungen enthalten. Solche Bestimmungen seien jedoch vorhanden.
Die Beförderung der gegenständlichen Ware habe seitens der Bahn nicht abgelehnt werden können. Frostempfindliche Güter seien von der Beförderung nicht ausgeschlossen und auch nicht bloß bedingungsweise zur Beförderung zugelassen. Nicht die Bahn, sondern die Firma S und Co. habe die Verpflichtung zum Nachheizen des Waggons übernommen. Es könne daher nicht Sache der Beklagten gewesen sein, für die Beheizung des Waggons zu sorgen. Die Frostempfindlichkeit des Frachtgutes habe auch keine Abkürzung der Lieferfristen zur Folge gehabt. Die Absenderin habe daher mit einer Dauer des Transportes rechnen müssen, wie sie den in den betreffenden Bestimmungen vorgesehenen Lieferfristen entspreche. Eine Abkürzung dieser Fristen hätte sie nur durch die Aufgabe als Eilgut erreichen können, von welcher Möglichkeit sie aber keinen Gebrauch gemacht habe. Beim Aufkleben der Etikette "Eilbedürftig auf den Strecken der ÖBB" durch ein Bahnorgan habe es sich um eine bahninterne Maßnahme gehandelt, nicht aber um eine Erklärung gegenüber Absender oder Empfänger, durch die der Umfang der Haftung der Bahn erweitert worden wäre, wie er durch die Bestimmungen der Eisenbahnverkehrsordnung bzw. der CIM festgelegt sei.
Es seien somit Ersatzansprüche gegen die Beklagte nicht entstanden. Auf die Frage eines allfälligen Erlöschens solcher Ansprüche sei daher nicht einzugehen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin führt die Revision zunächst in der Richtung aus, daß die allgemeinen Haftungstatbestände, insbesondere wegen Verschuldens, nach dem Handelsgesetzbuch durch die nur subsidiär geltende CIM, nicht außer Kraft gesetzt worden seien. Es hätte den Leuten der Beklagten als Verschulden angerechnet werden müssen, wenn diese das empfindliche Transportgut nicht durch rechtzeitiges Nachbeheizen des Waggons vor Schaden geschützt haben. Diese Verletzung der Fürsorgepflicht begrunde eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung, was zur Folge haben müsse, daß der Klagsanspruch zu Recht bestehe.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten eingenommenen Standpunkt - zutreffend dargelegt hat, gelten nach § 453 HGB (i. d. F. nach § 137 Abs. 1 der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO), BGBl. 170/1967) für die Beförderung von Personen, Reisegepäck und Gütern auf allen dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches nur insoweit, als die Eisenbahnverkehrsordnung keine besonderen Bestimmungen enthält. Für den Verkehr mit ausländischen Eisenbahnen gelten die Bestimmungen der Eisenbahnverkehrsordnung nur insoweit, als er nicht durch besondere Bestimmungen geregelt ist (§ 1 Abs. 2 EVO). Solche finden sich im Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM), BGBl. 266/ 1964, das gemäß Art. 1 CIM - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - auf alle Sendungen Anwendung findet, die mit durchgehendem Frachtbrief auf einem Wege aufgegeben werden, der die Gebiete mindestens zweier Vertragsstaaten berührt. Daß dies hier der Fall ist, ist nicht strittig. Nun ist es zwar richtig, daß durch die CIM die Vorschriften des Handelsrechtes nicht gänzlich verdrängt werden. Nach Art. 54 CIM finden die Bestimmungen der Landesgesetze und -vorschriften, die in den einzelnen Staaten für den Frachtverkehr erlassen sind, soweit Anwendung, als in diesem Übereinkommen keine Bestimmungen getroffen sind. Von einer subsidiären Geltung der CIM kann also nicht die Rede sein. Für das internationale Eisenbahnfrachtrecht gelten vielmehr die internen Rechte der Staaten als subsidiäres Recht (vgl. Nanassy - Wick, Das internationale Eisenbahnfrachtrecht, 1965, 288 und Finger, Internationaler Eisenbahnverkehr, 1956, 72). So wie die Eisenbahnverkehrsordnung bezüglich des Frachtrechtes praktisch die einzige Haftungsgrundlage für die Inanspruchnahme der Eisenbahn bildet, weil sie eine eingehende und erschöpfende Regelung der Schadenshaftung der Eisenbahn enthält und für eine außervertragliche Inanspruchnahme der Bahn tatsächlich keinen Raum läßt (vgl. dazu Finger, EVO[4], 3 und 436), so wird für unter Art. 1 § 1 CIM fallende Sendungen die Schadenersatzpflicht, die mit der Verletzung des Frachtvertrages verbunden ist, das Spezialrecht der CIM, das als solches vor den allgemeinen Regeln den Vorrang hat, erschöpfend und abweichend vom bürgerlichen Recht geregelt. Es kann also, wenn es sich nur um die Verletzung dieser Vertragspflicht handelt, nicht neben der spezialrechtlichen auch die bürgerlich rechtliche Regelung der Schadenersatzpflicht Platz greifen (s. dazu Felber in ZiE 1959, 191).
Die Haftung der Eisenbahn aus dem Transportvertrag - und nur eine solche kommt im vorliegenden Fall in Betracht - wird bei Sendungen im Sinne des Art. 1 § 1 CIM durch die Art. 26 ff. CIM geregelt. Die Vorinstanzen sind somit zutreffend ausschließlich von diesen Bestimmungen als in Betracht kommender Haftungsgrundlage ausgegangen, wobei ihnen eine unrichtige Auslegung dieser Bestimmungen nicht unterlaufen ist.
Nach Art. 27 § 1 CIM haftet die Eisenbahn für die Überschreitung der Lieferfrist und für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Der Haftungsgrund der Überschreitung der Lieferfrist scheidet, wie die Vorinstanzen richtig dargelegt haben, aus, weil die im Art. 11 CIM vorgesehene Lieferfrist eingehalten wurde. Daß auf Grund von Vorschriften, die zwischen den an der Beförderung beteiligten Eisenbahnen gelten, oder durch die vom Versand- bis zum Bestimmungsbahnhof anwendbaren internationalen Tarife kürzere Lieferfristen festgesetzt wären (Art. 11 § 1 CIM) wurde nicht behauptet. Der Versuch der Revision, aus der Anbringung einer Etikette auf dem Frachtbrief "Eilbedürftig auf den Strecken der ÖBB" eine Verpflichtung der Beklagten abzuleiten, das mit gewöhnlichem Frachtbrief aufgegebene Gut als Expreßgut zu behandeln und auf diese Weise zu einer kürzeren Lieferfrist zu gelangen, muß daran scheitern, daß nach Art. 6 § 4 CIM allein die Wahl des weißen oder rotgeränderten Frachtbriefes entscheidet, ob das Gut als Frachtgut oder als Eilgut befördert werden soll, und im vorliegenden Fall ein weißer Frachtbrief verwendet wurde (siehe Nanassy - Wick, 36, Anm. 20). Durch die seitens der Leute der Beklagten am Frachtbrief angebrachte Etikette, die nur für den internen Betrieb bestimmt war, konnte sich daran nichts ändern. Es wurde damit keine weitere Verpflichtung eingegangen, und es kann demnach auch die Klägerin daraus keine Rede ableiten.
Soweit sich die Revision gegen die Annahme eines Haftungsausschlusses der Beklagten nach Art. 27 § 3 lit. b und e CIM mit der Begründung wendet, die Vorinstanzen hätten den Begriff des "inneren Verderbs" unrichtig ausgelegt, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Daß "innerer Verderb" deshalb nicht gegeben sei, weil die Zerstörung des Gutes durch Kälte als äußere Einwirkung erfolgt sei, trifft nicht zu. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß zum "inneren Verderb" eines Gutes in der Regel zwei Komponenten führen, nämlich die natürliche Beschaffenheit des Gutes und von außen kommende physikalische Einflüsse, wie Hitze, Kälte, Luftfeuchtigkeit und dergleichen. Daß Hitze genau so wie Kälte (und das dadurch bedingte Frieren oder Gerinnen) zu den normalen physikalischen Einflüssen gehört, denen ein Gut während des Transportes ausgesetzt sein kann, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die einschlägige Literatur (Nanassy, Das internationale Eisenbahnfrachtrecht 1956, 530, und Nanassy - Wick, 188 und 195) zutreffend dargelegt. Es hat daraus den richtigen Schluß gezogen, daß die festgestellte Substanzveränderung des Frachtgutes durch Frosteinwirkung daher unter den Haftungsbefreiungstatbestand des Art. 27 § 3 lit. e CIM fällt.
Damit ist dem Klagsanspruch der Boden entzogen. Es kommt nämlich auch eine Haftung der Beklagten aus dem Grund, weil ihre Leute trotz Kenntnis der Frostempfindlichkeit nicht für eine Nachbeheizung des Waggons gesorgt haben, nicht in Betracht, weil eine solche Verpflichtung der Beklagten nach dem Inhalt des zugrundeliegenden Transportvertrages nicht bestand. Sind leicht verderbliche Güter infolge einer Verzögerung des Transportes teilweise oder völlig verdorben und wurde die Lieferfrist trotz der Verzögerung eingehalten, dann ist nach herrschender Meinung eine Haftung der Eisenbahn für den inneren Verderb ausgeschlossen. Eine schuldhafte Schadensverursachung durch die Eisenbahn kann dabei gar nicht in Frage kommen (s. dazu die Bemerkungen des Zentralamtes für den internationalen Eisenbahnverkehr in Bern in ZiE 1961, 232, sowie die Urteile des Handelsgerichtes der Seine vom 13. Jänner 1958, ZiE 1958, 325, und vom 11. Jänner 1961, ZiE 1963, 122; vgl. dazu auch RGZ, 100, 52).
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