Normen
ABGB §1295
ABGB §1315
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
ABGB §1295
ABGB §1315
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §16
Spruch:
Mangelnde Kontrolle, ob der dazu bestimmte nicht untüchtige Besorgungsgehilfe eine Warnungstafel an der Baustelle aufgestellt hat, begrundet ein Verschulden des gesetzlichen Geschäftsführers und damit ein solches der Gesellschaft m. b. H.
Entscheidung vom 5. Mai 1954, 2 Ob 286/54.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad am 8. Oktober 1950 auf der Straße von Th. nach L. Auf dieser Straße führte die Erstbeklagte an einer Stelle Straßenbauarbeiten durch. Der Verkehr über diese Strecke war gesperrt und umgeleitet worden. Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad in die aufgerichtete Straßenbarierre, kam dabei zum Sturz und erlitt mehrfache Verletzungen. Der Zweitbeklagte, der Bauarbeiter der Erstbeklagten ist und auf dieser Baustelle zur kritischen Zeit beschäftigt war, wurde wegen dieses Verkehrsunfalles vom Bezirkgerichte B. am 7. Dezember 1950 wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens gemäß § 335 StG. zu einer Geldstrafe von 300 S, im Uneinbringlichkeitsfalle zu 10 Tagen Arrest, rechtskräftig verurteilt. Das Strafgericht legte seinem Urteil die Anzeige zugrunde, wonach der Zweitbeklagte vor der Straßenabsperrung, bzw. Umleitung keine Warnungstafel angebracht hatte, so daß der Kläger auf die Straßenabsperrung nicht rechtzeitig aufmerksam wurde und den oben genannten Unfall erlitt (Akten U 973/50 des Bezirksgerichtes B.). Der Kläger verlangt von beiden Beklagten Schadenersatz wegen dieses Unfalles.
Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil zu Recht erkannt, daß der Anspruch des Klägers aus seinem Unfalle vom 8. Oktober 1950 den beklagten Parteien gegenüber dem Gründe nach zur ungeteilten Hand zu einem Drittel zu Recht bestehe. Das Erstgericht hat unter Hinweis auf die oben erwähnte strafgerichtliche Verurteilung des Zweitbeklagten ausgeführt, daß es an den Inhalt dieses Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden sei, so daß das für den Verkehrsunfall des Klägers ursächliche Verschulden des Zweitbeklagten auch vom Zivilgerichte als erwiesen anzunehmen sei. Die Behauptung des Klägers, daß der Zweitbeklagte als untüchtig anzusehen sei, sei allerdings widerlegt. Festzustellen sei, daß die vom Zweitbeklagten ursprünglich in der Parzelle G. angebrachte Warnungstafel am Unfallstage (8. Oktober 1950) selbst und auch schon seit dem 5. Oktober 1950 nicht mehr angebracht war, vielmehr ist nach dem Unfall, nämlich am 9. Oktober 1950 um zirka 1/2 7 Uhr früh vom Zweitbeklagten wieder angenagelt wurde. In der mangelnden Kontrolle der Anbringung des Warnungszeichens in entsprechender Entfernung vor Beginn er Baustelle in der Fahrtrichtung des Klägers liege eine schuldbare Unterlassung der erstbeklagten Partei als der zur Anbringung der erforderlichen Verkehrsschilder verpflichteten Bauführerin. Der Verkehrsunfall sei aber weitgehend vom Kläger verschuldet worden. Er hätte bei Anwendung der normalen Vorsicht- und Aufmerksamkeit auch bei Zubilligung einer Sekunde Reaktionszeit vor der Straßenbarierre anhalten und so den Unfall vermeiden können. Das Erstgericht ist zum Ergebnis gekommen, daß das Mitverschulden des Klägers am Eintritt des Ereignisses mit zwei Drittel, das Verschulden der beklagten Partei mit einem Drittel anzusetzen sei.
Die beiden Oberen Instanzen bestätigten.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des OGH:
Unter dem allein geltend gemachten Revisionsgrunde des § 503 Z. 4 ZPO. bekämpft die erstbeklagte Partei zunächst die Annahme des Berufungsgerichtes, es habe eine Verpflichtung ihrerseits bestanden, eine Warnungstafel anzubringen. Diese Rüge erledigt sich aber durch den bloßen Hinweis auf die Vorschriften der §§ 44 Abs. 1 und 37 Abs. 2 StPolG. in Verbindung mit § 34 Abs. 1 b dieses Gesetzes (Warnungstafel Nr. 7 für Gefahr allgemeiner Art). In dieser Hinsicht ist im übrigen auf die zutreffenden durch die Gutachten der vernommenen Sachverständigen gestützten Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen.
Die Revisionswerberin führt ferner in Bekämpfung der Ansicht der Untergerichte, daß auf Seite der erstbeklagten Bauunternehmung Eigenverschulden gegeben sei, aus, daß sie zur Überwachung der gesamten Arbeiten und Vorgänge an den verschiedenen Baustellen jeweils einen Baupolier und einen örtlichen Bauleiter bestellt habe. Es könne vom Geschäftsführer der erstbeklagten Gesellschaft m. b. H. als deren Organ (im Sinne der §§ 15 ff. des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung) nicht verlangt werden, neben Baupolier und Bauleiter noch eigene Kontrollpersonen für die Absperrung anzustellen. Dies wäre wirtschaftlich nicht tragbar und auch in keiner Weise verkehrsüblich. Zu dem würde bei einem immerhin möglichen Versagen dieser Kontrollpersonen dasselbe Problem wie im vorliegenden Falle neuerdings entstehen. Der Revision ist zwar darin beizupflichten, daß es der Erstbeklagten nicht zugemutet werden könne, eigene Kontrollorgane für die Überwachung der ihr nach den straßenpolizeilichen Bestimmungen obliegenden und von ihren Arbeitern (im gegenständlichen Falle: vom Zweitbeklagten) durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen an der Baustelle zu bestellen. Das bedeutet aber noch nicht, daß er von den Untergerichten festgestellte Mangel an Kontrolle für die Beurteilung der Haftung der erstbeklagten Baugesellschaft mit beschränkter Haftung bedeutungslos wäre. Denn, da die Erstbeklagte als Bauführerin zur Aufstellung der Warnungstafel nach den oben bezogenen Bestimmungen des Straßenpolizeigesetzes verpflichtet war, wäre ihr gemäß § 1298 ABGB. der Beweis oblegen, an der Erfüllung dieser gesetzlichen Verbindlichkeit ohne ihr Verschulden verhindert worden zu sein. Die Erstbeklagte hat nun zwar dargetan, den Zweitbeklagten mit der Aufstellung der Warnungstafel beauftragt zu haben, sie hat aber im erstgerichtlichen Verfahren nicht einmal behauptet, für die Kontrolle der Tätigkeit des Zweitbeklagten als ihres Arbeiters vorgesorgt zu haben. Ihre Einwendungen gegen den Anspruch des Klägers betrafen durchwegs andere Umstände, erst im Rechtsmittelverfahren berief sie sich auf die ihrem Baupolier bzw. Baustellenleiter obliegende Kontrollverpflichtung. Darauf darf aber wegen des im Rechtsmittelverfahren bestehenden Neuerungsverboten nicht Bedacht genommen werden. Richtig ist, daß die Haftung der Erstbeklagten für das Verschulden des Zweitbeklagten als ihres Besorgungsgehilfen wegen Untüchtigkeit gemäß § 1315 ABGB. nicht gegeben ist (auch hinsichtlich des Baupoliers bzw. Baustellenleiters wäre der Fall nicht anders zu beurteilen), da diese Haftung nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung (vgl. SZ. XXIV/136; EvBl. 1952 Nr. 211; 2 Ob 255/52; 2 Ob 210/53 sowie 2 Ob 230/53) bei bloß einmaligem Versagen des Gehilfen in der Regel zu verneinen ist. Auf das Versagen des Zweitbeklagten als eines untüchtigen Besorgungsgehilfen hat aber das Berufungsgericht die Haftung der Erstbeklagten nicht begrundet. Diese Haftung ergibt sich vielmehr aus der mangelnden Kontrolle der Verrichtungen als Zweitbeklagten, wie die aus dem eigenen Vorbringen der Erstbeklagten im erstgerichtlichen Verfahren abzuleiten ist. Daß der Baupolier Leo C. oder der Leiter der Baukanzlei bzw. technische Baustellenleiter Ing. Egon G. mit der Kontrolle der Tätigkeit des Zweitbeklagten betraut gewesen wäre, hat die Erstbeklagte, wie bereits bemerkt, selbst nicht vorgebracht und ergibt sich im übrigen auch nicht aus der Zeugenaussage der Genannten. Der Mangel dieser Kontrolle, deren Notwendigkeit die Erstbeklagte in der Revision selbst nicht bestreitet, muß aber als Fehler in der Organisation des Unternehmens der erstbeklagten Bau-Gesellschaft gewertet werden, also als Verschulden des gesetzlichen Vertreters (des Geschäftsführers) der erstbeklagten Gesellschaft m. b. H. in der Beaufsichtigung des Zweitbeklagten, somit als eigenes Verschulden der erstbeklagten juristischen Person (vgl. Ehrenzweig, Allgemeiner Teil, 1951, S. 207 f., sowie Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 692).
Bereits aus diesen Erwägungen kann der Rechtsrüge der Revision kein Erfolg beschieden sein, so daß es dahingestellt bleiben kann, ob die vom Berufungsgerichte zusätzlich angenommene Erfolgshaftung der Erstbeklagten als eines "gefährlichen Unternehmens" zu bejahen wäre.
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