OGH 2Ob284/50

OGH2Ob284/5026.4.1950

SZ 23/116

Normen

Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
Mietengesetz §21
Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z12
Mietengesetz §21

 

Spruch:

Dem Untervermieter stehen alle Kündigungsgrunde des § 19 Abs. 2 MietG. offen, soweit die Sachlage dies zuläßt.

Durch die ziffernmäßige Angabe des Kündigungsgrundes ist der Bestimmung des § 21 MietG. Genüge getan, zumindest dann, wenn das Gesetz in der betreffenden Ziffer (z. B. § 19 Abs. 2 Z. 5) einen eindeutigen Kündigungsgrund aufstellt.

Das Gericht ist jedoch nicht an die zitierte Gesetzesstelle, sondern nur an den erkennbaren Kündigungstatbestand gebunden.

Entscheidung vom 26. April 1950, 2 Ob 284/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Klägerin kundigte eine von ihr gemietete und dem Beklagten untervermietete Garage unter Anrufung des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG. auf.

Das Prozeßgericht erklärte die Kündigung für unwirksam.

Das Berufungsgericht hob unter Rechtskraftvorbehalt das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache an dieses zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Zweifel des Rekurses, ob bei Untermietverhältnissen neben dem Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 12 auch die übrigen im Abs. 2 angeführten Kündigungsgrunde oder doch wenigstens jene der Ziffern 2 bis 12 anwendbar seien und ob Ziffer 12 nicht die Kündigungsgrunde nach Ziffer 5 und 6 ausschließe, sind gegenstandslos, weil diese Fragen in Lehre und Rechtsprechung längst in einem der Ansicht des Rekurswerbers entgegengesetzten Sinn beantwortet wurden (Swoboda, 1. Aufl., S. 261, SZ. IX/15, Handl, I, Nr. 376). Auch die anderen Kündigungsgrunde des Absatzes 2 stehen dem Untervermieter, soweit die Natur der Sache dies zuläßt, offen. Doch ist ihre Bedeutung gering, weil der Kündigungsgrund nach Ziffer 12 so weitherzig zugunsten des Vermieters gefaßt ist, daß er es selten nötig haben wird, auf die übrigen Kündigungsgrunde, etwa mit Ausnahme der Ziffer 1, zurückzugreifen. Das Gesetz wollte den Untervermieter gegenüber dem Eigentümer begünstigen, nicht schlechter stellen.

Der Untervermieter konnte also, wenn er wollte und zu seinem eigenen Nachteil die schwierigeren Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes darzutun bereit war, auch den Kündigungsgrund der Ziffer 5 anrufen.

Damit war aber keineswegs, wie der Rekurs glaubt, ein Verzicht auf die übrigen Kündigungsgrunde, hier also auf den des § 19 Abs. 2 Z. 12 MietG., allenfalls auf die Generalklausel des Absatzes 1, verbunden.

Unter der Anführung der "Kündigungsgrunde", von der das Gesetz in § 21 MietG. spricht, ist eine kurze Angabe des Kündigungstatbestandes gemeint, genügend, um den Umfang des Kündigungsstreites abzustecken (Handl, I, Nr. 469, Swoboda, 1. Aufl., S. 281). Schlagwortartige Umreißung genügt, Anführung bestimmter Gesetzesstellen oder gar juristische Qualifizierung der vorgebrachten Tatsachenbehauptung ist entbehrlich. Denn die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens in der Richtung, ob und welchen Kündigungsgrund es verwirkliche, ist ausschließliche Aufgabe des Richters (Swoboda, 1. Aufl., S. 281, GH. 1927, Nr. 8/9, Handl, I, Nr. 476). Lehre und Rechtsprechung haben aber auch den anderen Fall erwogen, in welchem kein bestimmtes Tatsachenvorbringen erstattet, sondern ziffernmäßig oder mit wörtlicher Umschreibung einer der Sondertatbestände des § 19 Abs. 2 MietG. behauptet wurde, und ihn als eine der Norm des § 21 MietG. entsprechende "kurze Anführung der Kündigungsgrunde" angesehen (Swoboda, S. 281, Sternberg, II, S. 317, SZ. IX/23, II Ob 930/26), dies zumindest dann, wenn das Gesetz in der betreffenden Ziffer einen eindeutigen Kündigungsgrund aufstellt, wie in Ziffer 5 (Handl, I, Nr. 476, 478; ZBl. 1935, Nr. 358, 1937, Nr. 482; JBl. 1933, S.

431. 1935. S. 168).

Zweifellos hat sich die kundigende Partei, möge sie nun die Kündigung zu gerichtlichem Protokoll überreicht oder selbst das Formular ausgefüllt haben, in der Wahl des Kündigungsgrundes insofern geirrt, als es ihr bei unbestrittenem Vorliegen eines Untermietverhältnisses bei richtiger rechtlicher Beurteilung kaum eingefallen wäre, den von ihr behaupteten Eigenbedarf unter den schwierigeren Voraussetzungen der Ziffer 5 geltend zu machen, statt sich einfach auf Ziffer 12 zu berufen und dringendes Benötigen des Bestandobjektes für einen nahen Angehörigen zu behaupten. Aber nicht die Wahl einer bestimmten Gesetzesstelle ist entscheidend, sondern die behaupteten Tatsachen. Das Erstgericht war darum in offenkundigem Rechtsirrtum befangen, wenn es glaubte, durch die Anrufung der Ziffer 5, die ja schon deswegen unmöglich auf diesen Tatbestand paßte, weil es sich um einen Geschäftsraum handelt, einer weiteren Prüfung in der Richtung enthoben zu sein, ob die behaupteten Tatsachen nicht etwa einem anderen gleichartigen Kündigungsgrund, vor allem jenem der Ziffer 12 oder des Absatzes 1, unterstellt werden können. Der Rekurs ist völlig im Irrtum, wenn er darin eine neue Handhabung des Mietengesetzes erblickt, denn dieser Standpunkt hat die Judikatur seit jeher beherrscht. Der Richter muß unbekümmert um die rechtliche Qualifikation, welche die Parteien einem Rechtsverhältnis gegeben haben, dessen rechtliche Natur, u. zw. auch unter solchen Gesichtspunkten prüfen, die von den Parteien selbst gar nicht zum Ausdruck gebracht wurden, sofern sie nur im Klagsvorbringen ihre tatsächliche Unterlage finden. Das ist keine Sondernorm des Verfahrens in Mietsachen, sondern allgemeine prozessuale Vorschrift (vgl. Neumann, S. 870).

Sobald die Klägerin Eigenbedarf erkennbar geltend machte, und dies ergab sich sowohl aus der Kündigung, wie aus ihrem weiteren ergänzenden und ausführenden Vorbringen, hatte das Gericht, ohne durch die Zitierung der Ziffer 5 gebunden zu sein, zu prüfen, ob dringender Eigenbedarf vorliegt. War ein solcher unter den geringsten zulässigen gesetzlichen Voraussetzungen, d. h. nach Ziffer 12, ohne Beistellung eines Ersatzraumes und ohne daß eine förmliche Interessenabwägung stattzufinden hatte (Swoboda, 1. Aufl., S. 262) gegeben, so mußte der Kündigung Erfolg beschieden sein. Dazu war es aber notwendig, die vom Berufungsgericht geforderten Erhebungen und Tatsachenfeststellungen vorzunehmen. Dabei wird immer davon auszugehen sein, daß für die Dringlichkeit des Eigenbedarfes keine so strengen Vorschriften aufgestellt sind wie bei Hauptmietverhältnissen und daß wichtige Interessen des Untervermieters voranstehen.

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