OGH 2Ob265/67

OGH2Ob265/679.11.1967

SZ 40/143

Normen

ABGB §141
ABGB §166
ABGB §141
ABGB §166

 

Spruch:

Insoweit ein vertraglich zugesicherter Unterhalt die Bedürfnisse des Kindes übersteigt, kann Herabsetzung nicht deshalb begehrt werden, weil das Kind nicht soviel brauchte, sondern nur deshalb, weil sich die Verhältnisse der Vertragsteile wesentlich geändert hatten.

Entscheidung vom 9. November 1967, 2 Ob 265/67.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Ehe der Kindeseltern Dr. Hans O. und Margarethe O. wurde am 20. Jänner 1965 rechtskräftig geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Kindesvater, für die mj. Heidrun als einziges Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1700 S ausschließlich der Kinderbeihilfe zu bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 1966 beantragte er die Herabsetzung dieses Unterhaltsbetrages auf schließlich 1000 S und verwies auf die Änderung seiner Sorgepflichten durch die Wiederverehelichung und ein Kind aus zweiter Ehe, auf die Investitionen in seiner Praxis, auf die Notwendigkeit eines Wohnungskaufes sowie darauf, daß die Minderjährige den Betrag von 1700 S monatlich gar nicht benötige.

Mit Beschluß vom 25. Jänner 1967 setzte das Erstgericht den monatlichen Unterhaltsbetrag ab 1. August 1966 auf 1000 S herab. Das Erstgericht meinte, es hätten sich zwar die Verhältnisse des Antragstellers durch die Wiederverehelichung, durch die Geburt eines Kindes aus der zweiten Ehe und die dadurch erforderliche Schaffung neuen Wohnraums geändert, doch sei auf Grund des Einkommens seine Leistungsfähigkeit ohne Gefährdung seiner Existenz und der wirtschaftlichen Sicherheit seiner Familie gegeben. Man müsse aber auch die Bedürfnisse des unterhaltsberechtigten Kindes in Betracht ziehen. Für ein siebenjähriges Kind sei eine monatliche Unterhaltsleistung von 1000 S als ausreichender und anständiger Unterhaltsbetrag anzusehen.

Dem dagegen seitens der Kindesmutter erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies das Herabsetzungsbegehren des Vaters ab. Es vertrat die Ansicht, daß zwar der am 20. Jänner 1965 für das damals 5 1/2 Jahre alte Kind mit 1700 S ausschließlich der Kinderbeihilfe vereinbarte Unterhaltsbetrag die Bedürfnisse der Minderjährigen und damit das Ausmaß des gesetzlichen Unterhaltes übersteige und mit dem Mehrbetrag als vertraglicher Unterhalt anzusehen sei, jedoch der Umstandsklausel unterliege. Der Unterhaltsbetrag könne daher herabgesetzt werden, wenn seit der vertraglichen Regelung wesentliche Veränderungen eingetreten seien. Der Vater könne aber sein Herabsetzungsbegehren nicht darauf stützen, daß der seinerzeit vereinbarte Betrag die Bedürfnisse des Kindes übersteige. Bei selbständig Erwerbstätigen sei in der Regel zur Ermittlung ihres Einkommens die Beiziehung eines Buchsachverständigen unerläßlich. Hier erscheine jedoch eine nähere Überprüfung der Angaben des Unterhaltspflichtigen entbehrlich, weil bereits das von ihm selbst eingestandene Einkommen eine Herabsetzung nicht rechtfertige. Der Vater habe im Jahre des Vergleichsabschlusses 1965 nach seinen eigenen Angaben nur ein monatliches Reineinkommen von 7927.83 S bezogen, während er nunmehr ein Reineinkommen von monatlich 10.000 S und für die Monate August bis Oktober 1966 sogar von 12.608 S aufzuweisen habe. Das Einkommen des Vaters habe sich daher seit dem Vergleichsabschluß um mindestens 2000 S monatlich erhöht. Schon im Zeitpunkte des Vergleiches habe der Vater, der am 9. November 1964 seine eigene Praxis als Zahnarzt eröffnet hatte, ein zur Einrichtung der Praxis gewährtes Darlehen von 100.000 S mit monatlich etwa 2000 S zurückzuzahlen gehabt. Dies sei bei der Ermittlung seines Reineinkommens bereits berücksichtigt worden. Sonstige Investitionen seien nicht hervorgekommen. Die ihm neu erwachsenden Sorgepflichten für seine nicht berufstätige zweite Gattin (die im übrigen wöchentlich ein Arbeitslosengeld von 261.40 S zuzüglich Wohnungsbeihilfe beziehe) und sein nun 1 1/2jähriger Sohn aus zweiter Ehe würden durch die Einkommenserhöhung wieder ausgeglichen. Von einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers könne keine Rede sein; es blieben ihm immer noch genügend Mittel zur Verfügung, um in absehbarer Zeit eine Wohnung zu beziehen und einzurichten.

Der Vater erhebt Revisionsrekurs mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen oder die Beschlüsse der Untergerichte wiederaufzuheben und ihnen eine neue Entscheidung aufzutragen.

Der Oberste Gerichtshof hob die Beschlüsse beider Unterinstanzen - die hinsichtlich der Abweisung des Herabsetzungsbegehrens für Juli 1966 als unbekämpft unberührt blieben - auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil im vorliegendem Fall die Frage zu beurteilen ist, ob und inwieweit die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes von der Auslegung einer vertraglichen Regelung, nämlich des zwischen den Kindeseltern geschlossenen pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleiches vom 20. Jänner 1965, abhängt (Jud. 60 neu = SZ. XXVII 177; RiZ. 1967 S. 107). Der Revisionsrekurs ist aber auch begrundet.

Der Rechtsmittelwerber bringt vor, er habe zwar dem Gerichte wahrheitsgemäße Auskunft über sein Einkommen gegeben, es sei aber mangels Zuziehung eines Fachmannes übersehen worden, daß ein selbständig Erwerbstätiger von seinem Reineinkommen noch Einkommensteuer zu bezahlen habe und gezwungen sei, auf längere Zeit hinaus zu investieren oder Rücklagen zu machen, die zur Erhaltung seiner Arbeitskraft bzw. Modernisierung und Vervollständigung seines Betriebes dienten. Die Erreichung eines steuerlichen Reineinkommens von monatlich 10.000 S, das sich nach Abzug der auf den Monat entfallenden Einkommensteuer auf schätzungsweise 7800 S vermindere, habe also für die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unterhaltspflichtigen gar nichts zu sagen. Neuerliche Einkommenserhebungen unter Zuziehung eines Steuerberaters wären daher erforderlich gewesen.

Im übrigen könne keine Rede davon sein, daß die neu entstandenen Sorgepflichten durch die Einkommenserhöhung wieder ausgeglichen worden seien. Im Zeitpunkte des Vergleichsabschlusses im Jänner 1965 habe der Rechtsmittelwerber seine Einkommensverhältnisse in der neu eröffneten eigenen Praxis noch gar nicht übersehen können. Er habe sich damals an seinem früheren, viel höheren Einkommen als unselbständiger Zahnarzt orientiert. Die Notwendigkeit, eine standesgemäße Wohnung zu beschaffen, sei nicht genügend berücksichtigt worden. Der angefochtene Beschluß habe sich ohne genaue Prüfung der Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers und unter Hintansetzung wesentlicher Überlegungen einfach auf den Standpunkt gestellt, seine Verhältnisse rechtfertigen nicht die Herabsetzung des vertraglich vereinbarten Unterhalts.

Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der Rechtsmittelwerber hat das Begehren auf Herabsetzung der im Vergleich festgelegten Unterhaltsverpflichtung von 1700 S auf 1000 S monatlich damit begrundet, daß diese infolge seiner Wiederverehelichung usw. seine Leistungsfähigkeit übersteige, weil sich seine Verhältnisse zu seinem Nachteil geändert hätten.

Der vertraglich zugesicherte Unterhalt für das am 30. August 1959 geborene Kind übersteigt zweifellos, soweit er mehr als 1000 S ausmacht, die derzeitigen Bedürfnisse des Kindes und ist insoweit als rein vertraglich gewährter, nicht aber als gesetzlicher Unterhalt anzusehen (vgl. Schwind in Klang[2] I/1 908). Eine Herabsetzung des Unterhalts könnte daher nicht deshalb begehrt werden, weil das Kind nicht soviel brauche, sondern nur deshalb, weil sich die Verhältnisse der Vertragsteile wesentlich geändert hätten. Eine Änderung in den Verhältnissen des Kindes derart, daß es nunmehr weniger benötige als bei Vertragsabschluß, wurde nicht behauptet, wohl aber eine Verschlechterung der finanziellen Lage des Vaters. Ob eine solche gegeben ist, wurde aber bisher nicht hinlänglich klargestellt. Der Vater beschwert sich mit Recht darüber, daß seine Einkünfte im Jahre 1965 zum Ausgangspunkt genommen wurden. Als er den Vergleich am 20. Jänner 1965 abschloß, konnten ihm aber als seit kurzem selbständig erwerbstätige Zahnarzt die Einnahmen, die er im Laufe des Jahres 1965 erzielen werde, nicht annähernd bekannt sein. Seine Einkommensverhältnisse stellten sich vielmehr so dar, wie sie sich seit dem Abschluß seiner Fachausbildung am i. Juli 1964 bis zum Ende des Jahres 1964 entwickelt hatten. Sollte sich ergeben, daß sich demgegenüber die finanziellen Verhältnisse des Rechtsmittelwerbers unter Berücksichtigung seiner vermehrten Sorgepflichten wesentlich verschlechtert haben, wäre der Herabsetzungsantrag grundsätzlich gerechtfertigt. Bei der Feststellung der Einkommensverhältnisse des Rechtsmittelwerbers in den maßgebenden Zeitpunkten wird die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fache der Wirtschaftsprüfer nicht zu umgehen sein, zumal der Revisionsrekurs an den bisherigen Ermittlungen mit Recht aussetzt, es sei dabei auf seine Steuerlasten nicht Bedacht genommen worden.

Da sich somit ergänzende Feststellungen durch das Gericht erster Instanz als notwendig erweisen, war wie im Spruche zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte