Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben zur ungeteilten Hand dem Kläger die mit 1.821,21 S (darin 126,01 S Umsatzsteuer und 120 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 6. 11. 1981 gegen 14:00 Uhr ereignete sich im Ortsgebiet von Götzis auf der Bundesstraße 190 ein Verkehrsunfall, an dem der vom Kläger gehaltene, von Gerda B***** gelenkte PKW, *****, und der von der Erstbeklagten gelenkte, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherte PKW, *****, beteiligt waren. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, die Höhe der Schäden (Klagsforderung und Gegenforderung bis zu deren Höhe) steht außer Streit.
Der Kläger behauptete das Alleinverschulden der Erstbeklagten, die das Fahrzeug des Klägers vorschriftswidrig rechts überholt habe.
Die beklagten Parteien machten Alleinverschulden der Lenkerin Gerda B***** am Unfall geltend. Das von ihr gelenkte Fahrzeug des Klägers sei an der Straßenmitte links blinkend eingeordnet gestanden und erst dann, als die Erstbeklagte das Fahrzeug rechts habe überholen wollen, überraschend nach rechts abgebogen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels eines Verschuldens der Erstbeklagten ab.
Das Berufungsgericht erkannt über die Klagsforderung und die von den beklagten Parteien eingewendete Gegenforderung auf der Grundlage einer Verschuldensteilung von 1 : 1 und gelangte daher ebenfalls zur Klagsabweisung.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts, insoweit damit die Klagsforderung mit dem Betrage von 6.106,05 S als zu Recht bestehend festgestellt wurde, erheben die beklagten Parteien Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise einem Aufhebungsantrag. Der Kläger, der eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Dem angefochtenen Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, wie er auf den Seiten 4 bis 6 der Ausfertigung (= Seite 66 bis 68 des Aktes) wiedergegeben wird.
In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Auffassung, dass wohl der Lenkerin des Fahrzeugs des Klägers, nicht aber der Erstbeklagte ein Verstoß gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung anzulasten sei. Die Beklagte habe aufgrund der Fahrweise Gerda B*****s mit Recht annehmen können, dass diese nach links einbiegen wolle. Eine Feststellung darüber, ob am Fahrzeug des Klägers der linke Blinker in Tätigkeit gewesen sei, lasse sich nicht treffen, und es wäre Sache des Klägers gewesen, zu beweisen, dass der linke Blinker nicht in Tätigkeit gewesen sei. Der Kläger habe daher das Alleinverschulden der Lenkerin seines Fahrzeugs zu vertreten, die vor ihrem Rechtsabbiegemanöver verpflichtet gewesen wäre, den Nachfolgeverkehr zu beachten. Die Erstbeklagte habe den Unfall nicht vermeiden können.
Das Berufungsgericht erachtete, dass die Beweislast für die Behauptung, am Fahrzeug des Klägers sei der linke Blinker in Tätigkeit gewesen, bei den beklagten Parteien liege, die den bezüglichen Beweis aber nicht erbracht hätten, weshalb davon auszugehen sei, dass der Blinker nicht in Tätigkeit war. Somit habe aber für den Nachfolgeverkehr eine unklare Verkehrssituation bestanden, weil Gerda B***** zwar an der Straßenmitte eingeordnet gewesen sei, jedoch eine Anzeige der beabsichtigten Fahrtrichtungsänderung unterlassen habe. Auch sei sie gemäß § 13 Abs 1 StVO zum Abbiegen nach rechts in kurzem Bogen verpflichtet gewesen, weshalb sie ein Verschulden am Unfall treffe. Bei der gegebenen Situation wäre hingegen die Erstbeklagte dazu verhalten gewesen, mit Gerda B***** Kontakt aufzunehmen oder sie durch ein entsprechendes Signal vor der vom Nachfolgeverkehr drohenden Gefahr zu warnen. Das Verschulden der beteiligten Lenker am Unfall wiege daher etwa gleich schwer, sodass es im Verhältnis von 1 : 1 aufzuteilen sei.
Die beklagten Parteien machen in ihrer Revision geltend, dass für die Erstbeklagte keine unklare Verkehrslage bestanden habe, weil die Lenkerin des Fahrzeugs des Klägers festgestelltermaßen zunächst links geblinkt habe, die gleichlautende Feststellung aber lediglich für den Zeitpunkt, als sich das Fahrzeug des Klägers in der Stillstandsposition befand, nicht mehr habe getroffen werden können.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Aus dem Zusammenhang der Feststellungen ergibt sich, dass sich die Erstbeklagte zu dem Zeitpunkt entschloss, am Fahrzeug des Klägers rechts vorbeizufahren, als sich dieses mit der linken Fahrzeugbegrenzung im Bereich der Straßenmitte im Stillstand befand. Dass zu diesem Zeitpunkt der linke Blinker am Fahrzeug des Klägers eingeschaltet gewesen wäre, ließ sich aber nicht feststellen. Konnte nun eine solche Feststellung nicht getroffen werden, ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Verkehrslage für die beklagten Parteien im entscheidenden Zeitpunkt unklar war, zutreffend. Dass am Fahrzeug des Klägers der linke Blinker in dem Zeitpunkt, als sich die Erstbeklagte zum Rechtsvorbeifahren entschloss, eingeschaltet war - also, dass die Voraussetzungen hiefür gemäß § 17 Abs 1 StVO 1960 gegeben waren -, hätten - als eine für ihren Rechtsstandpunkt günstige Tatsache - die beklagten Parteien beweisen müssen (EvBl 1978/145 ua).
Eine rechtzeitige erkennbare unklare Verkehrslage erfordert indes nicht nur besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit, sondern auch jede mögliche rechtzeitige Reaktion. Im Hinblick auf die bestehende Sicht von über 500 m (siehe die Feststellung beim Ortsaugenschein Seite 19 des Aktes) hätte die Erstbeklagte das ungewöhnliche Fahrmanöver der Gerda B***** (die vom rechten Fahrbahnrand ein Stück Weges links blinkend zurückgefahren war und sodann an der Fahrbahnmitte geraume Zeit anhielt) wahrnehmen und entsprechende Abwehrhandlungen - Hupsignal, Kontaktaufnahme, zureichendes Abbremsen - treffen können. Da die Erstbeklagte dies unterließ, ist die Annahme eines Verschuldens gerechtfertigt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung ist zu billigen.
Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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