Spruch:
Außer dem Bergelohn (für einen in einen Fluß gefallenen Stahlträger) ist auch der Zeitaufwand und Verdienstentgang dem Retter zu vergüten.
Entscheidung vom 14. Oktober 1954, 2 Ob 239/54.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Das Erstgericht hat die beklagte Partei verurteilt, dem Kläger gemäß ihrem Anerkenntnis den Betrag von 490 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1952 zu bezahlen, und das Mehrbegehren hinsichtlich weiterer 1840 S s. A. abgewiesen. Es ist von dem unbestrittenen Sachverhalt ausgegangen, daß der Kläger am 19. Oktober 1951 gemeinsam mit anderen Personen einen 15 1/2 m langen und rund 1300 kg schweren Träger in der Nähe des Brückenpfeilers der Karolinenbrücke in Salzburg aus der Salzach herausgezogen und zum Lagerplatz des Baumeisters A. gebracht habe. Die Beklagte habe den Träger von dort gegen den Willen des Klägers auf ihren eigenen Lagerplatz schaffen lassen. Der Träger habe sich als Eigentum der Aktiengesellschaft W.- B. erwiesen die aber ihre Rechte an dem Gegenstande an die Beklagte abgetreten habe. Den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes (Seilmiete, Abnützung eigener Seile, Materialabnützung, Reparaturkosten, Abtransport des Trägers) in der Höhe von insgesamt 490 S habe die Beklagte anerkannt. Im übrigen sei das Begehren unbegrundet. Ein zehnprozentiger Bergelohn (400 S) gebühre nur dann, wenn eine bewegliche Sache vor dem sonst unvermeidlichen Verluste bewahrt werde. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben. Der Träger sei nämlich beim Bau der Karolinenbrücke in den Jahren 1938/39 in die Salzach gefallen und an eben dieser Stelle sei er die ganze Zeit gelegen. Seit 1949 habe der Zeuge Dipl.-Ing. Erwin W. des Tiefbauamtes der beklagten Partei von dem Träger und seiner Lage gewußt und es infolge Verhinderung durch wichtigere Arbeiten seither unterlassen, den Träger aus der Salzach zu ziehen. Das Eingreifen des Klägers sei daher nicht notwendig gewesen. Der Träger hätte ruhig noch weiterhin im Flusse liegen bleiben können, er wäre nicht in Verlust geraten, was bei seinem Gewichte verständlich sei. Selbst wenn jedoch die Voraussetzungen des § 403 ABGB. gegeben wären, könnte der Kläger nicht eine Belohnung von 8 S pro Stunde und darüber hinaus noch einen Bergelohn begehren. Denn im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle hätte der Kläger nur Anspruch auf eine Belohnung, die aber nicht mehr als 10% des Wertes der geborgenen Sache ausmachen könne. Wenn aber eine Geschäftsführung im Sinne der §§ 1036 f. ABGB. angenommen werde, habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Belohnung, sondern nur auf Ersatz des Aufwandes; für Zeitverlust und Mühewaltung (unter diesem Gesichtspunkte wurden am Schluß der mündlichen Verhandlung 1440 S, nämlich je 8 S für 180 Stunden begehrt) könne er nichts fordern.
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in Punkt 2 (Abweisung des Mehrbegehrens von 1840 S s. A.) - und sinngemäß auch hinsichtlich der Kostenentscheidung Punkt 3 - aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfange zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Zugleich hat es ausgesprochen, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, daß die Beklagte erst nach der Bergung Eigentümer des Trägers geworden und bis zur Bergung in keinerlei Rechtsbeziehung zu diesem Gegenstande gestanden sei. Es komme aber nicht darauf an, ob sie oder eines ihrer Organe vom Vorhandensein des Trägers Kenntnis gehabt habe. Vom Standpunkte der früheren Eigentümerin W.-B. AG. müsse der Verlust als endgültig angesehen werden. Durch das Herausziehen aus dem Wasser sei der Träger vor dem Untergang bewahrt worden, weil er im Laufe einer längeren Zeit durch das Wasser Schaden leide, so daß er schließlich nicht mehr als Träger hätte verwendet werden können. Es liege ein dem § 403 ABGB. zu unterstellender Tatbestand vor. Übrigens würde sich nur die Höhe der Belohnung ändern, wenn nicht ein Bergungstatbestand, sondern Fund angenommen würde, weil in beiden Fällen der Anspruch auf Aufwandersatz und auf Belohnung bestehe. Es sei aus dem Gesetze nicht ohne weiteres zu entnehmen, ob unter Aufwandersatz auch ein Ersatz für persönliche Mühewaltung und Zeitaufwand zu verstehen sei. Die Verweigerung eines Ersatzes der Mühewaltung des Klägers und seiner Helfer wäre im vorliegenden Falle unbillig. Im Hinblick auf die Größe und Schwere des Trägers habe die Bergung erheblicher Zeit und der Arbeitskraft mehrerer Männer bedurft. Es sei nicht einzusehen, warum der Kläger und seine Leute, weil sie in niemandes Diensten gestanden seien, nicht wenigstens so wie entlohnte Hilfsarbeiter behandelt werden sollten. Das Berufungsgericht halte daher auch den vom Kläger begehrten Stundenlohn von 1440 S als in den Rahmen des Aufwandes fallend. Die Sache sei aber nicht spruchreif, weil bisher nicht erörtert worden sei, ob der Anspruch mit Recht gegen die Beklagte erhoben worden sei. Es komme nur eine rechtsgeschäftliche Übernahme des Anspruches durch die Beklagte in Frage. In dieser Hinsicht sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei keine, hingegen dem des Klägers Folge und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rechtsrüge der Beklagten kommt keine Berechtigung zu. Denn zunächst ist die Ansicht des Berufungsgerichtes zu billigen, daß der vom Kläger erhobene Anspruch nach den Bestimmungen des § 403 ABGB. zu beurteilen ist. Die Bergungshandlungen des Klägers und seiner Leute und der Erfolg seiner Bemühungen sind ja auch von der Beklagten nicht bestritten worden und die weitere Voraussetzung für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch, daß die Sache "von dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange" gerettet worden sei, hat das Berufungsgericht, das die Beurteilung in dieser Hinsicht zutreffend auf die W.-B. AG. abgestellt hat, aus überzeugenden Gründen für gegeben erachtet. Diese Rechtsansicht der zweiten Instanz findet in Lehre und Rechtsprechung ihre Bestätigung. Denn nach Klang (in seinem Kommentar, 2. Aufl., zu § 403, S. 274) besteht der Anspruch auf Bergelohn in dieser Beziehung dann, wenn nach dem natürlichen Gang der Dinge der Verlust einer beweglichen Sache bevorsteht, und dieselbe Formulierung dieser Anspruchsvoraussetzung findet sich in 2 Ob 1000/34 (Rechtsprechung 1935, Nr. 57). Nach der Aktenlage kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß die W.-B. AG. ohne die Tätigkeit des Klägers über den Eisenträger in brauchbaren Zustande nicht mehr hätte verfügen können. Aus diesem Gründe erübrigt es sich, auf das Vorbringen der Rekurswerberin über das "Finden" einzugehen, zumal bereits in SZ. VI/408 ausgesprochen worden ist, daß es für die Anwendung des § 403 ABGB. gleichgültig sei, auf welche Art die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen ist und in welchem Verhältnis zu ihm (verborgen, verloren) sich die Sache zur Zeit der Bergung befunden hat.
Verfehlt sind auch die Rekursausführungen hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 1037 ABGB. Denn aus der Bezugnahme auf § 403 ABGB. in § 1036 ABGB. ergibt sich eindeutig, daß der Fall der Bergung gemäß § 403 ABGB. als eine Erscheinungsform der Geschäftsführung im Notfalle nach § 1036 ABGB. anzusehen ist (vgl. Swoboda, Die Rettung fremder Sachen und Menschen, AnwZ. 1931, S. 465 ff., und in Klangs Kommentar, II/2, 1934, S. 879 f., sowie Ob II 855/1921 in ZBl. 1921 Nr. 159 und SZ. XXIV/279). Die Bergetätigkeit nimmt dabei nur insofern eine Besonderheit in Anspruch, als für sie nebst dem Ersatze des Aufwandes auch noch eine Belohnung gefordert werden kann.
Was schließlich den Ersatz des Aufwandes betrifft, hat das Berufungsgericht den vom Kläger begehrten Stundenlohn von 1440 S (nämlich 180 Stunden zu je 8 S) als Aufwand angesehen und dies unter Hinweis auf die besonderen Umstände dieses Falles ausführlich begrundet. Zwar kommt auch im Falle des § 403 ABGB. nur "eine verhältnismäßige Belohnung von höchstens Zehn vom Hundert" als Lohn in Betracht, im vorliegenden Falle also die bereits vom Berufungsgerichte berücksichtigten 400 S, es ist aber in der Lehre (vgl. Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S. 719) anerkannt, daß vom Lohne die Entschädigung für Verdienstentgang zu unterscheiden und Zeitverlust ein Aufwand sei, der dem Geschäftsführer vergütet werden müsse. Unter diesem Gesichtspunkte ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes auch in diesem Punkte richtig. Denn daß die Bergungsarbeiten einen Zeitaufwand von 180 Stunden erfordert haben, hat die Rekurswerberin selbst nicht bestritten und dieser Zeitverlust des Klägers und seiner Mitarbeiter ist billigerweise mit dem angesprochenen Betrage von 8 S je Stunde zu entschädigen, weil ein derartiger Verdienst für die Leute auch anderswo zu erzielen gewesen wäre, zumal selbst im Bericht des Tiefbauamtes der Beklagten an ihre Magistratsdirektion vom 21. März 1952, Beilage 3, für die Bergearbeiten ein Stundensatz von 10.50 S angegeben wird.
Die Entscheidung über die Rekurskosten der Beklagten grundet sich auf die §§ 50, 40 ZPO.
Der Rekurs des Klägers ist begrundet.
Die Beklagte hat im erstgerichtlichen Verfahren zugegeben, daß der Eisenträger Eigentum der W.-B. AG. gewesen sei und daß die Genannte ihr Eigentum daran auf die Beklagte übertragen habe. Sie hat außerdem im Laufe des erstgerichtlichen Verfahrens die Klagsforderung mit dem Teilbetrage von 490 S an Ersatz des Aufwandes "der Bergungsgenossen für Seilmiete, Abnützung eigener Seile, sonstige Materialabnützung, Reparaturkosten und für den Abtransport" anerkannt. Nach ihrem gesamten Vorbringen hat sie den restlichen Anspruch des Klägers keineswegs deshalb bestritten, weil diesem im übrigen die W.-B. AG. zahlungspflichtig wäre. Es besteht also schon prozessual kein Anlaß für die vom Berufungsgerichte als erforderlich erachtete Verfahrensergänzung, zumal aus dem vom Beklagten vorgelegten Schreiben der W.-B. AG. an den Magistrat S. vom 24. November 1951 eindeutig hervorgeht, daß sie den Träger der Beklagten mit Rücksicht auf die Kosten der Bergungsarbeiten überlassen hat (das Einverständnis der Beklagten mit dem Inhalte dieses Schreibens ergibt sich aus dessen Vorlage im Prozesse). Zutreffend weist der Rekurswerber hinsichtlich der Passivlegitimation der Beklagten aber auch auf die Vorschrift des § 403 ABGB. hin, wonach von dem rückfordernden Eigentümer, also der Beklagten, der Ersatz des Aufwandes und der Belohnung verlangt werden kann. Dementsprechend wird in der Lehre (vgl. Klang a. a. O., II/S. 274) dem Retter zur Sicherung dieser Ansprüche auch ein Zurückbehaltungsrecht eingeräumt. Die Passivlegitimation der beklagten Partei ist also gegeben, der vom Berufungsgerichte aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es nicht, die Sache ist vielmehr im Sinne des Standpunktes des Rekurswerbers spruchreif.
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