Normen
Außerstreitgesetz §16
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §24
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §30
Außerstreitgesetz §16
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §24
Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 §30
Spruch:
Zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954.
Zum Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußstrG. Entscheidung vom 6. September 1957, 2 Ob 237/57.
I. Instanz: Bezirksgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Antragsgegnerin und ihren Rechtsnachfolgern wurden mit dem Bescheid des Amtes der zuständigen Landesregierung vom 29. Juli 1954 auf Grund der Bestimmungen des Steiermärkischen Elektrizitäts-Landesgesetzes (LGBl. Nr. 69/1931 und LGBl. Nr. 49/1949) und des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 Dienstbarkeiten zum Zwecke der Errichtung und Erhaltung einer 20 KV-Leitung hinsichtlich der der Antragstellerin eigentümlichen Parzellen 86, 91/1 und 92 KG. V. gegen eine Entschädigung von 254 S eingeräumt. Die Antragstellerin hat die Feststellung des Entschädigungsbetrages durch das Gericht begehrt und vorgebracht, daß die von der Hochspannungsleitung betroffenen Grundstreifen im Ausmaße von 5480 m2 zum Teil als Bauerwartungsland in Betracht kämen und zum anderen Teil bereits ausdrücklich als Baugelände vorgesehen seien. Die Wertverminderung für den Quadratmeter sei mit mindestens 15 S zu errechnen.
Das Erstgericht setzte die von der Antragsgegnerin zu leistende Entschädigung für die Mastenstandorte mit 815 S und für die Überspannung der Grundstücke mit 15 S, somit insgesamt mit 830 S fest. Bei der Bemessung dieser Entschädigung wurde nur davon ausgegangen, welchen Verkehrswert landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in der Nähe und Umgebung der betreffenden Grundstücke im Zeitpunkte der Enteignung erzielt hätten. Die Möglichkeit der künftigen Verwendung der Grundstücke als Bauplatz habe außer Betracht zu bleiben.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Vorweg sei bemerkt, daß für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, soweit dieses nicht besondere Vorschriften enthält, gemäß § 24 dieses Gesetzes die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden sind. Dies muß aber auch für das Rechtsmittelverfahren gelten. § 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 enthält für die Anfechtung und das Rekursverfahren nur die von den Vorschriften des Außerstreitgesetzes abweichende Bestimmung, daß der Rekurs in doppelter Ausfertigung zu überreichen, eine Ausfertigung dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen ist und dieser sich binnen 14 Tagen zu den Rekursausführungen äußern kann sowie daß diese Vorschrift auch für den Revisionsrekurs gilt. Von einer über den Rahmen des § 16 AußStrG. hinausgehenden Anfechtbarkeit eines bestätigenden Beschlusses des Rekursgerichtes ist im § 30 EisenbahnenteignungsG. 1954 ebensowenig die Rede (SZ. XXIII 10) wie davon, daß der allgemeine Grundsatz, daß im Außerstreitverfahren gegen aufhebende Beschlüsse des Rekursgerichtes der Revisionsrekurs zulässig ist (JB. 203), nicht gilt.
Wie der Oberste Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, begrundet aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann, wenn die Rechtsfrage, von der die Entscheidung des Rekursgerichtes abhängt, im Gesetz selbst ausdrücklich oder in so klarer Weise geregelt ist, daß kein Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. § 5 EisenbahnenteignungsG. 1954 spricht zwar den Grundsatz aus, daß der Enteigner verpflichtet ist, für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Entschädigung zu leisten, beschränkt jedoch diese Entschädigung auf die dem § 365 ABGB. entsprechende angemessene Schadloshaltung. Über die Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmungen besteht in der Rechtslehre Streit; auch die Rechtsprechung vertritt nicht immer einen einheitlichen Standpunkt. Während einige die Meinung äußern, daß auch der Gewinnentgang zu ersetzen sei, welcher nach der Natur des Gegenstandes zur Zeit der Enteignung bereits erwartet werden könne (Kautsch, Enteignung, S. 24; Grohmann, Enteignung nach dem Bundesstraßengesetze, JBl. 1953 S. 619), lehrt Klang in Übereinstimmung mit Ehrenzweig (2. Aufl. I/2 S. 227), daß die Möglichkeit einer künftigen Verwendung einer Liegenschaft als Bauplatz außer Betracht zu bleiben habe, wenn deren Voraussetzungen im Zeitpunkte der Enteignung noch nicht gegeben sind (Klang 2. Aufl. II 195 und die dort unter Anm. 69 angeführten oberstgerichtlichen Entscheidungen; anders die Entscheidung 2 Ob 505/56, nach der unter Umständen auch der Wert des Bauerwartungslandes maßgebend sein soll). Daß die Grundstücke im Zeitpunkt der Enteignung bereits Bauland waren, wurde von der Antragstellerin nicht behauptet, aus ihren Angaben geht vielmehr hervor, daß die von der Dienstbarkeit betroffenen Grundstücke im Zeitpunkt der Errichtung der Leitung allenfalls nur als Bauerwartungsland in Betracht kamen. Von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit kann aber bei dem in Betracht kommenden Gesetzeswortlaut, der Anlaß zu den erwähnten gegenteiligen Auslegungen in Rechtsprechung und Schrifttum gegeben hat, nicht die Rede sein.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)