OGH 2Ob234/71

OGH2Ob234/7116.12.1971

SZ 44/191

Normen

ABGB §1327
ABGB §1327

 

Spruch:

Stellt die Witwe nach einem selbständig Erwerbstätigen ein zeitlich nicht begrenztes Rentenbegehren nach § 1327 ABGB, so hat sie zu behaupten und zu beweisen, daß ihr Gatte sie überlebt und sich nicht etwa noch zu ihren Lebzeiten zur Ruhe gesetzt hätte. - Berechnung des Unterhaltsentganges der Witwe in einem bäuerlichen Familienbetrieb

OGH 16. 12. 1971, 2 Ob 234/71 (OLG Wien 8 R 74/71; KG Krems/Donau 13 Cg 395/69)

Text

Der Gatte der Klägerin, Johann P, wurde bei einem vom Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall am 31. 1. 1966 getötet. Die Klägerin begehrte deshalb zuletzt noch nach § 1327 ABGB für die Zeit vom 31. 1. 1966 bis 31. 7. 1969 (das sind 42 Monate a S 870.-) den Betrag von S 36.540.- und ab 1. 8. 1969 eine Rente von S 870.- monatlich.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 34.124.- sA sowie eine monatliche Rente von S 812.50 ab 1. 8. 1969 bis zum Bezug einer Witwenrente von der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu und wies das Mehrbegehren ab.

Das nur vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hob den stattgebenden Teil des Ersturteils auf und wies die Rechtssache in diesem Umfang unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Klägerin und ihr Gatte waren je zur Hälfte Eigentümer eines

10.53 ha großen Bauerngutes in R, zu dem noch 3.5 ha Pachtgrund kam. Sie lebten von den Erträgnissen dieser Landwirtschaft, die als sogenannte Getreide-Hackfrucht-Wirtschaft mit Berücksichtigung einer arbeitsintensiven Viehhaltung betrieben wird. An Arbeitskräften benötigt das Bauerngut im Jahresdurchschnitt zwei vollwertige Arbeitskräfte, die in den Personen der Klägerin und ihres Ehemannes zur Verfügung standen. Das Bauerngut ist ausreichend mit landwirtschaftlichen Maschinen versorgt. Bis zum Tode des Gatten der Klägerin brachte das Bauerngut ein jährliches Einkommen von S 20.840.- (ohne Berücksichtigung der Belastung durch die Ausgedingsleistung im Betrag von S 10.000.- jährlich).

Weil dieses Einkommen zur Erhaltung der Familie nicht ausreichte, betrieb der Gatte der Klägerin ein Fuhrwerksunternehmen (als sogenannten Zuerwerbsbetrieb), und zwar ein Milchfuhrwerk und ein Holzfuhrwerk. Er sammelte täglich die ermolkene Milch in den Ortschaften R und L ein und beförderte sie in die Molkerei nach W. Das Milchfuhrwerk erbrachte einen jährlichen Bruttoertrag von S 50.000.- bis S 55.000.-. Außerdem besorgte er den Abtransport von geschlägertem Holz zu den Sägewerken. Der Bruttoertrag des Holzfuhrwerkes belief sich auf S 32.000.-. Das Nettoeinkommen aus beiden Fuhrwerksbetrieben machte S 21.626.- aus.

Die Klägerin ist als Erbin ihres Gatten nun Alleineigentümerin des Bauerngutes, das sie nach seinem Tode weiter bewirtschaftet. Das Milchfuhrwerk führte sie ebenfalls als gewerblichen Witwenbetrieb fort. Für die ersten drei Jahre nach dem Tode ihres Gatten nahm sie für das Milchfuhrwerk eine Hilfskraft gegen Entlohnung auf, bis ihr Sohn Rupert nach Erreichung des 16. Lebensjahres die Berechtigung zur Lenkung eines Traktors erlangte. Das Holzfuhrwerk stellte sie jedoch nach dem Tod ihres Mannes ein. Durch die Erhöhung des Aufwandes für Fremdlöhne verringerte sich das landwirtschaftliche Einkommen auf S 17.840.- und das Einkommen aus dem Milchfuhrwerk auf S 4876.- jährlich.

Das Erstgericht meinte, man müsse dem Gesamtjahreseinkommen vor dem Tode des Gatten der Klägerin von S 42.466.- jenes nach seinem Tode im Betrage von S 22.716.- gegenüberstellen. Hiebei ergebe sich eine Einkommensverminderung um S 19.715.-. Wenn man davon die Belastung des Bauerngutes mit den Ausgedingsleistungen im Wert von S 10.000.- jährlich abziehe, ergebe sich eine Ertragsminderung von S 9750.- jährlich oder S 812.50 monatlich. Dieser Betrag sei der Klägerin zuzusprechen.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, man müsse davon ausgehen, daß beide Ehegatten aus dem von ihnen bewirtschafteten Bauerngut zuzüglich der Einnahmen aus dem Fuhrwerksunternehmen gemeinsam mit den drei minderjährigen Kindern wie aus einer Art gemeinsamer Kasse lebten. Durch die Gegenüberstellung des gesamten nach dem Tode des Ehemannes erzielten Reinertrages mit dem früheren Reinertrag würden auch die Vorteile der Klägerin durch den Erträgnisanfall der Erbschaft und des Witwenbetriebes voll berücksichtigt. Das Miteigentum des Ehemannes am Bauerngut sei unter den gegebenen Umständen für die Errechnung des Entganges ohne Bedeutung, da es nur auf den Erträgnisunterschied ankomme. Der vom Erstgericht eingeschlagene Weg der Errechnung des Entganges durch den Vergleich der Reinerträgnisse vor und nach dem Tod des Gatten der Klägerin sei grundsätzlich richtig, doch dürfe man die Ausgedingsleistungen nicht erst von der Ertragsdifferenz abziehen, da sie den Ertrag selbst schmälerten. Danach ergebe sich vor dem Tode des Gatten der Klägerin ein Reinertrag von S 32.466.-, nachher von S 12.716.-, mithin eine Ertragsdifferenz von S 19.750.-. Diese könne aber nicht ausschließlich der Witwe zugerechnet werden, weil ja auch die anderen Familienmitglieder von den Einkünften lebten. Im Sinne des Vorbringens der Klägerin seien die Erträgnisse nach § 273 Abs 1 ZPO im Verhältnis von 35% für den Ehemann, 29% für die Klägerin und je 12% für die drei minderjährigen Kinder zu verteilen. Bei einem jährlichen Nettoverdienst des Getöteten von S 19.750.- errechne sich ein monatlicher Verdienst von S 1645.83. Der monatliche Entgang der Klägerin betrage hievon 29%, also S 477.29.

Die Rechtssache sei aber noch nicht entscheidungsreif, weil die der Klägerin gebührende Rente jedenfalls auf die mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten begrenzt sei. Der Beklagte habe vor dem Erstgericht ganz allgemein eingewendet, daß die Ansprüche der Klägerin nicht begrundet seien. Es hätte daher auch die Frage der zeitlichen Begrenzung der Rentenleistung erörtert werden müssen. Demnach leide das Verfahren der ersten Instanz an wesentlichen Mängeln.

Der Rekurswerber macht geltend, daß das Gesamteinkommen zu Lebzeiten des Gatten der Klägerin zwar S 42.466.- betragen habe, daß aber der Klägerin und den Kindern nur höchstens 65% davon, also S 27.603.-, zugeflossen seien. Da das Jahreseinkommen nach dem Unfall S 22.716.- betragen habe, ergebe sich nur eine Einkommensminderung von S 4887.- . Ziehe man davon das Ausgedinge von S 10.000.- ab, so ergebe sich, daß überhaupt keine Ertragsdifferenz bestehe und das Klagebegehren abzuweisen wäre.

Diese Berechnung ist schon deswegen unrichtig, weil die zu erbringenden Ausgedingsleistungen den Ertrag schmälern und daher sowohl vor dem Tode des Gatten der Klägerin als auch nachher bei der Ermittlung des Ertrages vorweg abzuziehen sind.

Der Rekurswerber meint weiter, der Klägerin sei früher nur die Hälfte der Einkünfte zur Verfügung gestanden. Als Alleineigentümerin müsse sie sich nun die Einkünfte aus der Erbschaft anrechnen lassen.

Hier wird übersehen, daß von einem Zuwachs an Einkommen durch den Wegfall des Gatten bei einem bäuerlichen Familienbetrieb, in dem Mann und Frau ihre ganze Arbeitskraft einsetzen mußten, nicht gesprochen werden kann. Es wurde ja festgestellt, daß vielmehr ein erheblicher Rückgang der Einnahmen eingetreten ist.

Schließlich vertritt der Rekurswerber die Ansicht, auch wenn man mit dem Berufungsgericht von einem Reinertrag vor dem Tode des Gatten der Klägerin von S 32.466.- jährlich ausgehe, seien doch nur 65% davon der Klägerin bzw ihren Kindern zugute gekommen. Demgegenüber fließe ihnen der jetzige Reinertrag von S 12.716.- zur Gänze zu, so daß sich allenfalls ein Minderertrag von S 8386.90 ergebe. Davon könne die Klägerin aber nur 29%, das sind S 2432.20 oder monatlich S

202.69. begehren und nicht S 477.29, wie das Berufungsgericht errechnet habe.

Dem Rekurswerber ist zuzugeben, daß entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall nicht so wie in der Entscheidung JBl 1966, 39 vorgegangen werden kann, weil es sich nicht bloß um die weggefallene Mitarbeit des Ehemannes in der Landwirtschaft seiner Gattin handelt, sondern auf der gemeinsamen Landwirtschaft und von den Erträgnissen des Fuhrwerksbetriebes auch die drei minderjährigen Kinder (laut Verlassenschaftsakt geboren 1950, 1952 und 1962) ernährt werden mußten. Es ist daher nicht richtig, wenn das Berufungsgericht meint, die Ertragsdifferenz von S 19.750.- jährlich stelle den jährlichen Nettoverdienst des Getöteten dar. Es ist vielmehr so vorzugehen, daß dem auf die Klägerin vor dem Tode ihres Gatten entfallenden Einkommensanteil ihr jetziger Einkommensanteil gegenüberzustellen ist. Dieser betrug vor dem Tod des Gatten 29% von S 32.466.-, das sind S 9415.14 jährlich oder S

784.60 monatlich. Nach dem Wegfall des Gatten kann nach § 273 ZPO angenommen werden, daß der Klägerin neben ihren drei Kindern 40% des verbliebenen Einkommens von S 12.716.-, das sind S 5086.- jährlich oder S 423.80 monatlich, zufließen. Der Unterhaltsentgang der Klägerin beträgt also bei gleichbleibendem vollem Arbeitseinsatz monatlich S 360.80.

Die Klägerin hat ihr Rentenbegehren zeitlich nicht begrenzt, was bedeuten würde, daß sie eine Rente auf ihre Lebenszeit in Anspruch nimmt. Eine solche könnte ihr aber nur zugesprochen werden, wenn sie behaupten und unter Beweis stellen könnte, daß ihr Gatte sie überlebt hätte und sich nicht etwa noch zu ihren Lebzeiten zur Ruhe gesetzt hätte (2 Ob 198/71 = EvBl 1972/100 = JBl 1972, 540 RZ 1972, 52). Insofern ist der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes, gegen den übrigens der Rekurswerber nichts vorgebracht hat, berechtigt.

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