OGH 2Ob225/63

OGH2Ob225/6326.9.1963

SZ 36/122

Normen

Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §7 (2)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §7 (2)

 

Spruch:

Der Eigentümer eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Kraftfahrzeuges, der nicht Halter des Kraftfahrzeuges war, muß sich ein Verschulden des die tatsächliche Gewalt über das Kraftfahrzeug ausübenden Lenkers des Kraftfahrzeuges gemäß § 7 (2) EKHG. anrechnen lassen.

Entscheidung vom 26. September 1963, 2 Ob 225/63.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Am 15. März 1962 wurde der Kraftwagen des Klägers bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der Kläger begehrt den Ersatz seines Schadens. Der Beklagte wendete unter anderem ein Mitverschulden des Lenkers des Kraftwagens des Klägers von mindestens 50% sowie eine Gegenforderung ein, die er darauf grundet, daß auch sein Kraftwagen bei demselben Verkehrsunfall beschädigt wurde.

Der Erstrichter sprach dem Kläger den Betrag von 14.431 S 14 g samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren von 4189 S 46 g (richtig 4189 S 36 g) ab. Er stellte hinsichtlich der noch strittigen Haftungsfrage unter anderem fest: Ein Mechaniker der Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte W. in K. habe den Kraftwagen des Klägers in W. übernommen, um ihn, wie auch sonst schon öfter, zur Durchführung von Servicearbeiten in der Werkstätte nach K. zu bringen. Die Fahrzeit hätte dem Kläger als Werkstättenarbeit verrechnet werden sollen. In einer langgezogenen Rechtskurve sei das vor dem Kraftwagen des Klägers fahrende Kraftfahrzeug des Beklagten, der eine Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h eingehalten habe, nach Begegnung mit einem anderen Kraftwagen auf der vereisten Fahrbahn ins Schleudern gekommen, auf die neben der Straße aufgestellte Sandkiste angeprallt und von dort wieder gegen die rechte Fahrbahnseite getragen worden, wo es quer auf der Straße zum Stillstand gekommen sei. Der Lenker des Kraftwagens des Klägers, der in einem Abstand von mehr als 50 m mit der nicht übermäßigen Geschwindigkeit von 45 km/h gefahren sei, habe, ohne Gas zu geben oder auf der vereisten Fahrbahn zu bremsen, den Kraftwagen ausrollen lassen, wobei dieser an den Kraftwagen des Beklagten angestoßen sei. Damit, daß der Kraftwagen des Beklagten auf die geschilderte Art und Weise plötzlich zum Stillstand gekommen wäre, habe der Lenker des Kraftwagens des Klägers nicht zu rechnen brauchen. Der Erstrichter war der Ansicht, der Kläger sei weiterhin Halter des Kraftfahrzeuges geblieben. Es treffe ihn jedoch keine Ausgleichspflicht, weil dem Lenker seines Kraftwagens kein fahrtechnischer Fehler zur Last falle. Den Unfall habe der Beklagte allein verschuldet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es hob das Urteil der ersten Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung auf. Es sei nicht ersichtlich, worauf sich die Feststellung, daß der Lenker des Kraftwagens des Klägers mit einer Geschwindigkeit von nur 45 km/h gefahren sei, grunde. Es sei auch nicht zu ersehen, wie die Feststellung mit der weiteren Feststellung in Einklang zu bringen sei, der Lenker des Kraftwagens des Klägers habe von dem mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h fahrenden Kraftfahrzeug des Beklagten einen Abstand von mindestens 30 m eingehalten. Das Berufungsgericht teilte nicht die Ansicht des Erstrichters, der Kläger sei weiter Halter seines Kraftwagens geblieben. Der Kraftwagen habe sich bereits in der Verfügungsgewalt des Mechanikergehilfen befunden, der ihn als Erfüllungsgehilfe des Inhabers der Reparaturwerkstätte in diese zur Durchführung von Arbeiten hätte bringen sollen. Halter des Kraftwagens sei daher im Zeitpunkt des Unfalles der Inhaber der Reparaturwerkstätte gewesen. Welche Nummerntafel bei der Fahrt verwendet worden sei, sei nicht entscheidend. Die Bestimmung des § 11 EKHG. über den Ausgleichsanspruch mehrerer Kraftfahrzeughalter untereinander komme daher nicht zur Anwendung. Allerdings müsse sich der Kläger zufolge der Bestimmung des § 7 (2) EKHG. ein allfälliges Verschulden des Lenkers seines Kraftwagens anrechnen lassen, der die tatsächliche Gewalt über seinen Kraftwagen ausgeübt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daß Halter des Kraftwagens nicht der Kläger, sondern der Inhaber der Reparaturwerkstätte war, wird im Rekurs nicht bekämpft. Der Kläger bezeichnet vielmehr selber ausdrücklich diese Ansicht des Berufungsgerichtes als richtig. Sie erscheint auch auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse im Sinne der herrschenden Rechtsprechung zutreffend. Der Kläger wendet sich aber gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, er müsse sich gemäß § 7 (2) EKHG. ein allfälliges Verschulden des Lenkers seines Kraftwagens anrechnen lassen. Seinen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Meinung des Klägers vermag der Umstand, daß Halter des Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles der Inhaber der Reparaturwerkstätte war, die Anwendung der genannten Bestimmung keineswegs auszuschließen. Hat doch diese gesetzliche Bestimmung gerade zur Voraussetzung, daß der Geschädigte nicht Kraftfahrzeughalter ist (vgl. Anm. 10 zu § 7 EKHG. in der Manz'schen Ausgabe, 2. Aufl.). Nach dieser Gesetzesstelle muß sich jeder Geschädigte sein eigenes Verschulden oder das Verschulden desjenigen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, anrechnen lassen. Ob es sich bei der geschädigten Sache um ein Kraftfahrzeug oder um einen anderen Gegenstand handelt, ist nicht entscheidend. Desgleichen kommt auch dem Umstand keine entscheidende Bedeutung zu, ob dem Kläger der Inhaber der Reparaturwerkstätte oder der Lenker seines Kraftwagens uneingeschränkt haften, weil es hier nur auf das Verhältnis zwischen dem Kläger als Eigentümer der geschädigten Sache und dem Beklagten als Halter des anderen am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges ankommt. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Frage, ob der Kläger, falls der Beklagte mit Erfolg eine Gegenforderung geltend machen sollte, hinsichtlich dieser Gegenforderung durch seine Haftpflichtversicherung gedeckt wäre. Die Bestimmung des § 7 EKHG. regelt im übrigen nur die Frage, inwieweit sich der Geschädigte eine Kürzung seines Ersatzanspruches gefallen lassen muß, nicht aber die Frage, ob und inwieweit allenfalls der Geschädigte für einen Schaden des Schädigers aufzukommen hat.

Das Vorbringen des Klägers, der Beklagte habe sein Alleinverschulden ausdrücklich anerkannt und sich zur Schadensgutmachung verpflichtet, wurde bisher von den Vorinstanzen nicht behandelt. Dies wird nachzuholen sein. Sollte der Beklagte nicht schon auf Grund einer solchen Verpflichtungserklärung für den vollen Schaden des Klägers aufzukommen haben, kommt in der Tat dem vom Berufungsgericht noch als aufklärungsbedürftig bezeichneten Umstand Bedeutung zu, mit welcher Geschwindigkeit der Lenker des Kraftwagens des Klägers gefahren ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte