OGH 2Ob224/79

OGH2Ob224/7912.2.1980

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshof Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer, Dr. Kralik, Dr. Hule und Dr. Melber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Post- und Telegrafenverwaltung, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Rosenbursenstraße 1, wider die beklagte Partei Raimund M*****, vertreten durch Dr. Joachim Sonnleitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 8.302 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. September 1979, GZ 3 R 182/79-20 womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Ferlach vom 3. Mai 1979, GZ C 26/79 -16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 1.244,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Am 9. 8. 1976 beschädigte ein Bagger des Beklagten mit dem Kennzeichen K ***** bei Grabungsarbeiten in Radweg ein Netzgruppenkabel der klagenden Partei. Die Behebung des Schadens kostete 8.302 S.

Die Klägerin begehrte diesen Betrag samt Anhang mit der Begründung, der Beklagte hafte hiefür nach den Bestimmungen des EKHG, aber auch weil ihn ein Verschulden treffe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab; das Berufungsgericht gab ihr statt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten wegen § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern oder es aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Das Erstgericht traf die in S 3 bis 5 der Berufungsentscheidung wiedergegebenen Feststellungen.

Es war der Auffassung, dass eine Haftung nach dem EKHG nicht bestehe, weil der fragliche Bagger während der Grabungsarbeiten hinten auf ausfahrbaren Stützen gestanden sei, sodass es an der für ein Kraftfahrzeug typischen Betriebsgefahr gefehlt habe. Nach den Bestimmungen der §§ 1293 ff und 1299 ABGB hafte der Beklagte deshalb nicht, weil ihn kein Verschulden treffe. Er habe die Grabungsarbeiten auf privatem Grund abseits von Verkehrsflächen und auf freiem Feld durchgeführt. Der nächste Weg sei 120 m von der Schadensstelle entfernt gewesen. In den ihm zur Verfügung gestellten Projektplänen des Wasserbauamts sei keine Kabelleitung eingezeichnet gewesen, obwohl bei Erstellung von Entwässerungsprojekten gewöhnlich auf solche Leitungen Bedacht genommen werde. Der Beklagte habe schon 13 Jahre lang für das Wasserbauamt gearbeitet und es sei noch nie zu Komplikationen gekommen. Der Beklagte habe an Ort und Stelle nach Hinweisen auf verlegte Kabel gesucht, solche aber nicht entdeckt. Darüber hinaus habe er auch vom Grundeigentümer die Auskunft erhalten, dass diesem von einer Leitung nichts bekannt sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Mit diesem verneinte es die Haftung nach dem EKHG. Der Bagger sei während der Grabungsarbeiten eine ortsgebundene Arbeitsmaschine gewesen, auf die das EKHG nicht anzuwenden sei. Es sei nicht nur die Fahrbarkeit der Arbeitsmaschine aufgehoben gewesen, sondern die Bestätigung der Motorkraft des Fahrzeugs habe nur einem Arbeitsvorgang außerhalb des selben gedient, der mit den für ein Kraftfahrzeug typischen Funktionen in keinem Zusammenhang stehe. Anders als das Erstgericht war jedoch das Berufungsgericht der Auffassung, dass den Beklagten ein Verschulden treffe. Der Beklagte habe es unterlassen, im Sinne der ihm bzw seinem Rechtsvorgänger übermittelten Kabelschutzanweisung der Österreichischen Post- und Telegrafenverwaltung vor den Grabungsarbeiten eine Aufgrabungsanzeige zu erstatten, damit ihm die Post- und Telegrafenverwaltung Auskunft über die Lage allfälliger Kabel geben könne. In dieser Kabelschutzanweisung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Fernmeldekabel auch außerhalb des Verbauten Gebiets und querfeldein verlegt sein könnten. Der Beklagte habe sich daher nicht auf die Auskunft des Grundeigentümers und den Projektplan des Wasserbauamts verlassen dürfen.

Der Beklagte vertritt in seiner Rechtsrüge demgegenüber die Auffassung, dass eine solche Erkundungspflicht bei der Post- und Telegrafenverwaltung nur dann bestehe, wenn aufgrund der örtlichen Lage auf ein mögliches Vorhandensein von Kabeln geschlossen werden müsse, zB bei Straßenbauten oder Bauten auf öffentlichem Grund. Solche Umstände, die auf ein Kabel hindeuten könnten, seien nicht gegeben gewesen. Die Zustellung der Kabelschutzanweisung an den Rechtsvorgänger des Beklagten könne zur Begründung einer Haftung des Beklagten nicht herangezogen werden. Weil die Pläne des Wasserbauamts seit 13 Jahren nie einen Fehler hinsichtlich der Kabel aufgewiesen hätten und mit Kabeln nicht zu rechnen gewesen sei, seien die festgestellten Sorgfaltsmaßnahmen des Beklagten daher ausreichend gewesen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Zutreffend gingen beide Vorinstanzen davon aus, dass der Beklagte nicht nach den Bestimmungen des EKHG als Halter des von ihm zu den Grabungsarbeiten verwendeten Baggers haftet (siehe dazu ausführlich die Entscheidungen ZVR 1975/171 oder ZVR 1978/265, wo die gleiche Benützung eines Baggers vorlag), und der Revision ist daher in ihrem Schlusssatze insofern beizupflichten, dass den Beklagten keine reine „Verursachungshaftung“ trifft.

Für den Beklagten, der nach den getroffenen Feststellungen nicht nur der die Grabungsarbeiten tatsächlich ausführende Baggerführer, sondern zugleich auch der verantwortliche Bauführer war, gilt jedoch die verschärfte Haftung gemäß § 1299 ABGB. Er hat also dafür einzustehen, wenn er die besondere Diligenzpflicht eines gewissenhaften Bauunternehmers verletzt hat.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Bauunternehmer dann, wenn mit unterirdisch verlegten Kabeln zu rechnen ist, bei Grabungsarbeiten mit einem Bagger immer ganz besonders sorgfältig vorgehen muss. Es genügt nicht, wenn das Kabel in den ihm zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen nicht aufscheint (EvBl 1967/112) oder wenn der Bauherr oder ein Grundeigentümer dem Baumeister mitteilt, er wisse nichts von einem Kabel (5 Ob 136/72). Wenn vielmehr nach der Sachlage mit dem Vorhandensein von verlegten Kabeln zu rechnen ist, dann ist der Bauunternehmer immer verpflichtet, vor der Vornahme von Erdarbeiten über die Lage allfälliger Kabel bei der zuständigen Post- und Telegrafenverwaltung oder den in Frage kommenden Elektrizitätsunternehmen eine Auskunft einzuholen (JBl 1973, 35; SZ 46/78).

Es ist richtig, dass in einigen Entscheidungen darauf hingewiesen wird, dass die Grabungsarbeiten im Nahbereich einer Straße (JBl 1973, 35 ähnlich 5 Ob 136/72) oder im verbauten Ortsgebiet, wenn auch am Ortsrand, (SZ 46/78, ähnlich 3 Ob 227/75) stattfanden. Da diese Umstände in den angeführten Fällen aber jeweils festgestellt waren, kann dieser Rechtsprechung nicht entnommen werden, dass eine Auskunft bei der zuständigen Stelle nur in diesen Fällen einzuholen sei. Im vorliegenden Fall ist vielmehr festgestellt, dass das Telegrafenbauamt dem Rechtsvorgänger des Beklagten (nämlich der „Firma O*****“) am 17. 2. 1975 ausdrücklich mitteilte, dass im Bereich von Klagenfurt Fernmeldekabel nicht nur im verbauten Gebiet und entlang von Straßen, sondern vielfach auch querfeldein durch Wälder, über Höhenrücken und in Gräben verlegt sind und dass das Vorhandensein von Fernmeldekabeln nur mit Hilfe von Plänen der Post- und Telegrafenverwaltung ermittelt werden könne, während die nur zum Teil vorhandene oberirdische Markierung ohne Zuhilfenahme dieser Pläne keinen Hinweis auf die tatsächliche Kabellage gebe. Wenn der Beklagte nach Übernahme des Unternehmens, an dem er auch schon vorher offenbar beteiligt war, diese Unterlagen nicht kannte, würde dies eine zu seinen Lasten gehende Unkenntnis begründen; denn ein gewissenhafter Bauunternehmer verschafft sich nach Übernahme eines Unternehmens die erforderlichen Kenntnisse durch Einsicht in die entsprechenden Unterlagen oder Erkundigung bei den entsprechenden Behörden. Kabelschutzanweisungen sind heute etwas so Selbstverständliches, dass auch der Beklagte mit einer solchen Anweisung rechnen musste. Darüberhinaus ist festgestellt, dass sich etwa 100 m von der Schadensstelle entfernt ein 1,20 m über den Boden herausragender Kabelverteiler befand. In diesem konkreten Fall bestanden daher, auch wenn es sich nicht um Verbautes Gebiet handelte, sehr wohl Anhaltspunkte dafür, die leicht zumutbare Anfrage bei der Post- und Telegrafenverwaltung vorzunehmen. Dass der Beklagte mit einem Kabel immerhin rechnete, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass er an Ort und Stelle nach Markierungszeichen suchte, dabei freilich, was dem Beklagten aber nicht besonders vorzuwerfen ist, 2,30 m von der Schadensstelle entfernte, durch Gebüsch verdeckte und daher schwer sichtbare Markierungssteine übersah, und auch bei den Grundeigentümern nach Kabeln fragte.

Damit hat jedoch der Beklagte die ihm zumutbare Rücksicht auf die Interessen der Klägerin doch nicht gewahrt, denn angesichts der Gefährlichkeit seiner Maschine für etwa im Erdreich verlegte Kabel musste er sich bei der zuständigen Postdienststelle darüber unterrichten, ob im Bereich des Einsatzortes seiner Maschine Kabel verlegt sind.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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