OGH 2Ob2243/96h

OGH2Ob2243/96h5.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Kuratelssache der Inhaber der von der Firma M***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Wien ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen, infolge Revisionsrekurses der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen 1. Herbert R*****, 2. Verlassenschaft nach Dr.Herbert R*****, und 3. Sparkasse P*****, sämtliche vertreten durch Mag.Dr.Michael Swoboda, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.Juni 1996, GZ 28 R 108/96z-15, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.Juni 1996, GZ 17 Nc 4/96b-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25.3.1996 wurde für die Besitzer der von der Firma M***** AG ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen Dr.Herbert H***** zum Kurator gemäß § 1 des Gesetzes vom 24.4.1874, RGBl 49, zum Zwecke der Vornahme aller Vertretungshandlungen im Rahmen und aus Anlaß des beim Handelsgericht Wien zu 3 Sa 296/96s geführten Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der Firma M***** AG bestellt. Die wesentlichen Vertretungshandlungen des Kurators bestehen neben der bereits vorgenommenen Anmeldung der Ausgleichsforderung der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen der M***** AG im Betrag von 670,495.426,66 S in der Ausübung des Stimmrechts im Ausgleichsverfahren dieser Gesellschaft.

Die M***** AG hat im September 1991 eine 4 %-Wandelanleihe 1991 bis 1996 mit Wandlungsrecht auf Stimm- und Vorzugsaktien mit einem gesamten Nennbetrag von 660 Mill.S begeben, geteilt in 66.000 Stück auf Inhaber lautende Wandelschuldverschreibungen zum Nominale von je 10.000 S, welche zu einem Emissionskurs von 100,75 % des Nominales begeben wurden. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre und begann an 7.10.1991. Gemäß § 6 der Anlage- und Wandelbedingungen besteht für je vier Wandelschuldverschreibungen im Nennbetrag von 10.000 S das Recht zur Wandlung in 18 Vorzugsaktien und 9 Stammaktien zum Nennbetrag von je 100 S. In den Anleihe- und Wandelbedingungen war zunächst vorgesehen, daß das Wandlungsrecht am 7.4. und 7.10.1995 sowie am 7.4. und 6.10.1996 ausgeübt werden kann. 1992 wurden die Bedingungen dahin abgeändert, daß das Wandlungsrecht nunmehr ab sofort bis 6.10.1996 ausgeübt werden kann.

Der Kurator stellte den Antrag auf Genehmigung folgender Rechtshandlungen:

a) Annahme des Anbotes der M***** AG auf Zahlung einer Quote von 10 % an die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen bis 30.9.1996 zur Abgeltung aller Ansprüche dieser Gläubiger gegenüber der M***** AG aufgrund der von diesen begebenen Wandelschuldverschreibungen;

b) Verkürzung der Frist zur Ausübung des Wandlungsrechtes auf den 27.6.1996 (gemeint: Mitwirkung an der Änderung der Anleihe- und Wandelbedingungen zur Verkürzung ...);

c) Zustimmung zum Ausgleich der M***** AG.

In dem Antrag wurde vorgebracht, es sei nach intensiven Verhandlungen von der H***** Bank ein Anbot gelegt worden, aufgrund dessen den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen die Bezahlung einer Barquote von 10 % auf deren Ausgleichsforderungen bis 30.9.1996 angeboten werde, falls die Anleihe- und Wandelbedingungen einvernehmlich dahin geändert werden, daß das Recht zur Wandlung nur bis 26.7.1996 ausgeübt werden kann.

Unter Berücksichtigung einer Quote von 10 % für die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen errechne sich für die M***** AG folgendes Ausgleichserfordernis:

a) Für die Haftungen aufgrund von Garantien und Patronatserklärungen im Gesamtvolumen von ca. 1,3 Milliarden S beträgt die vorgesehene Quote von 5 % S 65 Mill.;

b) die sonstigen Quotenforderungen belaufen sich auf ca. S 150 Mill., die darauf entfallende 40 %ige Quote beträgt S 60 Mill.;

c) die Ausgleichsforderungen der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen einschließlich Zinsen errechnen sich mit

S 670 Mill., die darauf entfallende Quote von 10 % ergibt S 67 Mill.;

d) dazu kommen die bevorrechteten Forderungen von S 36,500.000,--

und die an die H*****bank zu zahlende Provision von S 40 Mill.

Gesamterfordernis: S 268,500.000,--.

Zur Erfüllung dieses Erfordernisses stehen folgende Mittel zur Verfügung:

Freies Vermögen S 168,800.000,--

abzüglich Absonderungsrechte S 41,600.000,--

S 127,200.000,--

zu denen noch die aufgrund der

Finanzierungszusage der H*****

*****bank vorgesehene Kapital

erhöhung von S 100,000.000,--

kommt, sodaß sich eine Finanzierungs-

lücke von S 41,300.000,--

ergibt.

Sollte ein Ausgleich allerdings nicht zustandekommen, würden sich die zur Verfügung stehenden Mittel einerseits um die Kapitalerhöhung von S 100 Mill. sowie um einen garantierten Beitrag aus der Gruppe der E*****werke von 60 Mill.S reduzieren. Es stünden daher für den Konkursfall nur Mittel von 67,2 Mill.S zur Verfügung. Da erfahrungsgemäß im Konkursfall kein Gläubiger bereit sei, auf einen Teil seiner Forderungen zu verzichten, sei davon auszugehen, daß auch die Forderungen aus Garantien und Patronatserklärungen nicht reduziert werden können. Im Konkursfall seien daher Quotenforderungen von insgesamt 2.163 Mill. zu berücksichtigen. Im Hinblick auf weitere bevorrechete Forderungen sei mit keiner oder einer unter 3 % liegenden Quote zu rechnen. Aus diesen Gründen habe der Kurator die Annahme des Vorschlages der M***** AG auf Zahlung einer Quote von 10 % an die Inhaber von Wandelschuldverschreibungen empfohlen. Auch die Vertrauensmänner hätten sich dem Vorschlag des Kurators - mit einer Ausnahme - angeschlossen.

Das Erstgericht genehmigte den Antrag des Kurators mit der Begründung, daß sich aus dessen zutreffenden rechtlichen und wirtschaftlichen Ausführungen ergebe, daß das Nichtzustandekommen des Ausgleichs für die Gläubiger der M***** AG erheblich größere wirtschaftliche Nachteile mit sich brächte, als das Zustandekommen desselben. Es sei daher im Interesse aller Gläubiger, den Antrag des Kurators zu genehmigen.

Gegen diesen Beschluß erhoben fünf Inhaber von Wandelschuldverschreibungen Rekurse, wobei sich die Rekurse der Revisionsrekurswerber nur gegen den Punkt a des Beschlusses des Erstgerichtes richten.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes, es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000 S und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Das Rekursgericht führte zunächst aus, daß auf das Verfahren betreffend die Bestellung eines Kurators zur Vertretung der Besitzer von Wandelschuldverschreibungen, welche auf Inhaber lauten, ebenso wie betreffend die Rechte und Pflichten eines solchen Kurators, die Bestimmungen über Teilschuldverschreibungen anzuwenden seien, und zwar handle es sich dabei um die Gesetze vom 24.4.1847, RGBl Nr.49, und vom 5.12.1877, RGBl Nr.111, welche auf Wandelschuldverschreibungen als Spezialfall von Teilschuldverschreibungen anzuwenden seien.

Zutreffend habe das Erstgericht dargelegt, daß der Nachteil für die Inhaber der Wandelschuldverschreibungen bei einem Scheitern des Ausgleichs, also im Konkursfall erheblich größer wäre als jener, den sie durch die Schmälerung ihrer Quote erleiden. Die Rechtshandlungen, deren Genehmigung der Kurator begehrte, dienten daher der Wahrung der Interessen aller Inhaber dieser Papiere. Zu Recht habe daher das Erstgericht dem Antrag des Kurators als Kuratelgericht stattgegeben.

Gemäß § 9 des Gesetzes vom 24.4.1874, RGBl Nr.49, sei der Kurator berufen, die gemeinsamen Rechte der von ihm vertretenen Gläubiger geltend zu machen. Zwar werde im § 16 des Gesetzes vom 5.12.1877, RGBl 111, den einzelnen vom Kurator vertretenen Besitzern die Rechtsmittelbefugnis bei Entscheidungen des Kuratelgerichts betreffend die Erteilung einer Genehmigung eingeräumt, doch könne ein solcher Rekurs nur auf Gründe gestützt werden, welche die gemeinsamen Rechte aller Inhaber der gegenständlichen Wandelschuldverschreibungen betreffen. In den vorliegenden Rekursen seien allerdings solche Gründe nicht vorgebracht worden. Die Rekurswerber fühlten sich nämlich durch die ihrer Ansicht nach zu geringe Quote beschwert. Dieser Einwand laufe aber den gemeinsamen Rechten im Zusammenhang mit dem Ausgleich zuwider. Soweit die Rekurswerber eine Änderung dieses Beschlusses bloß hinsichtlich ihrer eigenen Forderungen anstrebten, könne ihren Rechtsmittels mangels Geltendmachung gemeinsamer Rechte ebenfalls kein Erfolg beschieden sein. Da dem gemeinsamen Kurator die Vertretung der gemeinsamen Rechte aller Inhaber von Wandelschuldverschreibungen obliege, stehe seine Zustimmung zu deren (insgesamt) ungleichen Behandlung in der Ausgleichstagsatzung auch nicht im Widerspruch zur Bestimmung des § 46 Abs.3 AO.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage des Umfanges des dem einzelnen Inhaber von Wandelschuldverschreibungen zustehenden Rekursrechtes gegen einen Beschluß auf Genehmigung von Rechtshandlungen des für sie bestellten Kurators eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der drei im Spruch angeführten Inhaber von Wandelschuldverschreibungen wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Edikt des Handelsgerichtes Wien vom 4.6.1996 ersatzlos aufgehoben werde bzw dahingehend abgeändert werde, daß die vom Kurator vorgeschlagenen Rechtshandlungen nicht genehmigt werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Unter dem Rekursgrund der Nichtigkeit wird geltend gemacht, die Entscheidung des Erstgerichtes erschöpfe sich in der Genehmigung der vom Kurator beantragten Rechtshandlungen, ohne auch in irgendeiner Weise sich mit der Argumentation der nicht zustimmenden Beteiligten wie auch des Vertrauensmannes, der die Zustimmung nicht abgegeben habe, auseinanderzusetzen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschluß des Erstgerichtes durchaus eine Begründung enthält, lediglich das Edikt selbst enthält nur den Spruch des Beschlusses des Erstgerichtes. Überdies betreffen diese Ausführungen nicht die angefochtene Entscheidung (jene des Rekursgerichtes).

Der Rekursgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 16 Abs.3 AußStrG, § 510 Abs.3 ZPO).

Unter dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird ausgeführt, die Vorinstanzen hätten den Rechtsmittelwerbern zu Unrecht die Rechtsmittelbefugnis aberkannt. Die selbständige Geltendmachung von Rechten gemäß § 9 des Gesetzes vom 24.4.1874 RGBl Nr.49 stehe mit dem Rekursrecht des § 16 des Gesetzes vom 5.12.1877, RGBl Nr.111 in keinem Zusammenhang, weil § 16 leg. cit. auf eine Differenzierung zwischen gemeinsamen und Sonderinteressen nicht verweise, sondern kategorisch jedem Besitzer die Rechtsmittelbefugnis gegen Ediktalbeschlüsse des Kuratelgerichtes einräume. Folge man der Gesetzessystematik und Judikatur, wäre eine Rechtsmittelbefugnis jedes Besitzers, wäre sie an ein gemeinsames Interesse im Sinne des § 9 des Gesetzes vom 24.4.1874, RGBl Nr.49 gebunden, vollkommen sinnwidrig. Die Subsumierung der hier zu genehmigenden Handlungen des Kurators unter eine wichtige Angelegenheit im Sinne des § 13 des Gesetzes vom 5.12.1877, RGBl Nr.111, habe nicht zur Folge, daß im Falle einer wichtigen Angelegenheit immer ein gemeinsames Recht dem Besitzer einer Wandelschuldverschreibung die Rechtsmittelmöglichkeit entziehen würde.

Würde man die Auslegung des Begriffes gemeinsamer Rechte im Sinne des Rekursgerichtes vornehmen, bliebe für die Erhebung eines Rekurses, welcher gemäß §§ 13 und 16 des Gesetzes vom 5.12.1877, RGBl Nr.111, ausdrücklich zulässig sei, kein Raum, weil die durch ein gemeinsames Interesse verbundenen Besitzer dem Monopol des Kurators unterworfen seien.

Schließlich hätte das Kuratelgericht den Vorschlag des Kurators ablehnen müssen, weil dieser eine in keinster Weise gerechtfertigte Differenzierung innerhalb der Gruppe der Kleingläubiger herbeiführe. Davon abgesehen sei die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens überhaupt unzulässig.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Den Rechtsmittelwerbern entgeht, daß das Rekursgericht keinesfalls ihre Rechtsmittellegitimation verneint hat, es hat vielmehr die Ansicht vertreten, sie könnten nur gemeinsame Rechte geltend machen, dies hätten sie nicht getan. Es wurden daher auch die Rekurse nicht zurück-, sondern abgewiesen. Auf all die Ausführungen, die sich mit der Rechtsmittellegitimation der Revisionsrekurswerber befassen, ist sohin nicht einzugehen. Zutreffend hat das Rekursgericht vielmehr dargelegt, daß im Falle der Vertretung der gemeinsamen Interessen von Wertpapierbesitzern der Kurator für die Geltendmachung der gemeinsamen Angelegenheiten ein Monopol auf die ihm zugewiesenen Rechtshandlungen hat. Die Wahrung der gemeinsamen Interessen der Wertpapierbesitzer geschieht nicht im Namen der einzelnen Besitzer, es ist daher die Ausübung dieser Aufgaben auch vom Widerspruch einzelner Gläubiger unabhängig (Bartsch in Klang I/11, 1121).

Wenngleich gemäß § 16 Abs.2 des Gesetzes vom 5.12.1877, RGBl. Nr.111,

die Entscheidungen, welche dem im § 13 bezeichneten Einschreiten um

Erteilung einer Genehmigung ganz oder teilweise stattgeben, von jedem

der durch den gemeinsamen Kurator vertretenen Besitzer angefochten

werden können, so können die einzelnen Besitzer der Wertpapiere - wie

das Rekursgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - nur die

Verletzung gemeinsamer Rechte geltend machen. Würde man ihnen die

Wahrung individueller Interessen einräumen, so würde dies den

Aufgaben des Kurators, der die gemeinsamen Interessen zu wahren hat,

zuwiderlaufen; es könnten die einzelnen Interessen gegenüber den

gemeinsamen Interessen zum Durchbruch gelangen und dadurch die

Bestellung des Kurators zur Wahrung der gemeinsamen Interessen obsolet werden.

Zur Wahrung der Rechte der einzelnen Wertpapierbesitzer enthält

vielmehr das Gesetz vom 5.Dezember 1877, RGBl. Nr.111, detaillierte Regelungen, wonach in allen Fällen, in denen der Kurator Rechtshandlungen vornehmen muß, die einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedürfen, eine Versammlung der Gläubiger einzuberufen ist, an der alle Personen teilnehmen können, die zur Geltendmachung einer Forderung aus dem Wertpapier legitimiert sind. Die Versammlung faßt Beschlüsse und wählt auch Vertrauensmänner, die den Kurator zu unterstützen haben.

Die Frage der Zulässigkeit des Ausgleichsvorschlages und einer

allfälligen Bestätigung des Ausgleiches ist hier nicht zu prüfen,

vielmehr geht es hier allein darum, ob eine geplante Maßnahme des

Kurators (Zustimmung zu einer Reduktion der Forderungen der Inhaber von Wandelschuldverschreibungen auf 10%) im Interesse aller Inhaber von Wandelschuldverschreibungen liegt.

Da auch im Revisionsrekurs die Verletzung gemeinsamer Rechte der Inhaber der Wandelschuldverschreibungen nicht geltend gemacht wird, war diesem nicht Folge zu geben.

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