OGH 2Ob224/02h

OGH2Ob224/02h10.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Doris H*****, vertreten durch Dr. Christoph Weinberger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Erwin G*****, und 2. U***** Versicherung AG, ***** beide vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen EUR 15.139,93 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. Mai 2002, GZ 3 R 12/02h-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22. Oktober 2001, GZ 6 Cg 40/00m-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die beklagten Parteien haben die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin verletzte sich am 17. 9. 1999 gegen 18.30 Uhr durch einen Sturz auf das Gesäß. Sie war an diesem Tag mit "Inline-Skates" auf einer 2,5 m breiten, in ihrer Richtung ein 5 %-iges Gefälle aufweisenden Gemeindestraße im Freilandgebiet unterwegs. Für die Straße war ein allgemeines Fahrverbot mit Ausnahme für Anrainer und Radfahrer angeordnet. Die Klägerin hielt eine nicht mehr feststellbare Geschwindigkeit zwischen 20 bis 25 km/h, höchstens 30 km/h ein.

Aus der Gegenrichtung näherte sich der Erstbeklagte mit einem PKW Mitsubishi Pajero. Die Geschwindigkeit dieses Fahrzeuges konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, lag jedoch "weit unter 70 km/h". Bei gegenseitiger erster Sicht (Sichtweite 90 bis 100 m) bremste die Klägerin mit der an den Inline-Skates montierten Gummistoppelbremse zunächst leicht mit einer Bremsverzögerung von 1 m/sec2. Bei einer anfänglich leichten und späteren stärkeren Bremsung hätte die Klägerin jedenfalls innerhalb der halben Sichtweite anhalten können. Da sie aber annahm, eine Kollision sei mittels normaler Bremsung unvermeidlich, setzte sie sich nach hinten und rutschte eine unbestimmte Zeit auf der Fahrbahn. Danach richtete sie sich am Gatter eines Weidezaunes auf.

Der Erstbeklagte bremste ebenfalls bei erstmaliger Wahrnehmbarkeit der Klägerin sein Fahrzeug auf Schrittgeschwindigkeit ab und ließ es, nachdem die Klägerin bereits gefallen und wieder aufgestanden war, bis auf eine Entfernung von 3 m vor der Klägerin im Schritttempo ausrollen. Auch der Erstbeklagte hätte innerhalb der halben Sichtstrecke anhalten können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Erstbeklagten sei weder eine verzögerte Reaktion noch eine überhöhte Geschwindigkeit vorzuwerfen. Für ihn und somit auch für die zweitbeklagte Haftpflichtversicherung habe sich der Unfall als unabwendbares Ereignis dargestellt. Unfallsursache sei das eigene Fehlverhalten der Klägerin, weshalb eine Prüfung der Frage, ob sie auch gegen die Bestimmungen der §§ 88 ff StVO verstoßen habe, zu entfallen habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach erst über Antrag nach § 508 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Erstbeklagte sei zur Benützung des Weges berechtigt gewesen, weil er ein Grundstück entlang der Straße besitze und somit als Anrainer anzusehen sei. Das Unfallgeschehen selbst sei auf eine Fehleinschätzung der Klägerin zurückzuführen, weil sie (unrichtig) angenommen habe, eine Kollision sei bei "normalem" Bremsen unvermeidbar. Der "Notsturz" der Klägerin sei aber zur Vermeidung einer Kollision mit dem Fahrzeug des Erstbeklagten nicht erforderlich gewesen und auf eine Fehleinschätzung der Klägerin zurückzuführen. Soweit die Berufung dem Erstbeklagten vorwerfe, die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten zu haben, stütze sich die Berufung auf einen vom Erstgericht nicht angenommenen Sachverhalt und sei daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Letztlich führte das Berufungsgericht zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus, die Revisionswerberin habe eine im Interesse der Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung insoferne aufgezeigt, als das Berufungsgericht zu Unrecht von einer nicht gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge ausgegangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt allerdings nicht vor.

Mit ihrer Bekämpfung des ursprünglichen Ausspruchs, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, ist die Klägerin durch die nachträgliche Zulassungserklärung durch das Berufungsgericht klaglos gestellt worden.

Auf die in der Revision enthaltene Anregung einzugehen, der Oberste Gerichtshof möge an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, § 508 ZPO idF der WGN 1997 BGBl I 140/1997 als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher nicht mehr einzugehen.

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt nicht vor. Ob im Einzelfall die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, eine Rechtsrüge in einer Berufung sei deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe, einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf, kann, wie vom Berufungsgericht bereits ausgeführt, nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar. Im vorliegenden Fall kommt aber dazu, dass in der Berufung (AS 239) tatsächlich ausgeführt wird, eine Kollision sei für die Klägerin objektiv unvermeidbar gewesen, wenn sie nicht den "Notsturz" gewählt hätte. Vom Erstgericht wurde aber Gegenteiliges festgestellt, weshalb die Berufung insoweit tatsächlich nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist. Auch die Frage, ob ein Fahrzeuglenker jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden und stellt ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage dar.

Letztlich entspricht es der Rechtsprechung, dass der Begriff Anrainer die Eigentümer von Grundstücken entlang des Weges umfasst (Messiner, StVO10 E 4 und 13).

Da im Übrigen Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung in der Revision nicht aufgezeigt werden, muss auf die auch von den Vorinstanzen ungeprüft gebliebene Frage, ob die Klägerin auf der Fahrbahn der Straße mit öffentlichem Verkehr (vgl dazu Messiner20 StVO § 1 E 19) im Sinne der §§ 88 ff StVO überhaupt mit Rollschuhen fahren durfte, nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 52 ZPO, weil in der Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde.

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