Spruch:
Die vom Eigentümer eines Bauernhofes eingegangene Verpflichtung zur Übereignung eines Grundstückes ist im Falle der Veräußerung des Hofes keine Schuld im Sinne des § 1409 ABGB.
Entscheidung vom 6. Juli 1955, 2 Ob 223/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Oberpullendorf; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der Drittbeklagte (der Vater der Zweitklägerin und des Erstbeklagten sowie Schwiegervater des Erstklägers und der Zweitbeklagten) hat sich in dem durch Notariatsakt vom 14. Mai 1927 errichteten Ehe- und Übergabsvertrag verpflichtet, den jetzigen Klägern für einen Bauplatz ein Grundstück in der Breite von 7.6 Klaftern neben dem Hause nach rückwärts abzutreten, sobald die Kläger diesen Platz benötigen. Der Drittbeklagte bat durch den mit Notariatsakt vom 11. Februar 1938 errichteten Übergabs- und Ehevertrag an die jetzigen Erst- und Zweitbeklagten aus dem Gutsbestande der Liegenschaft EZ. 142 Grundbuch F. verschiedene Grundstücke übergeben, darunter auch jene, die Gegenstand des vorliegenden Klagebegehrens sind Grundbücherliche Eigentümer dieser Grundstücke sind der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte je zur Hälfte. Für den Drittbeklagten ist das Recht der lebenslänglichen Fruchtnießung bezüglich dieser Liegenschaft im Grundbuche einverleibt. Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte waren anläßlich des Abschlusses des Vertrages vom 11. Februar 1938 und der Übernahme der Liegenschaft in Kenntnis der oben erwähnten Verpflichtung des Drittbeklagten aus dem Vertrage vom 14. Mai 1927.
Die Kläger begehren, den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des den Gegenstand des Notariatsaktes vom 14. Mai 1927 bildenden Grundstückteiles für die Kläger je zur Hälfte zu willigen, sowie den Drittbeklagten schuldig zu erkennen, er sei verpflichtet, die zur Eigentumseinverleibung erforderlichen Erklärungen vom Erst- und von der Zweitbeklagten zu verschaffen.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren Folge gegeben; das Berufungsgericht hat die Entscheidung hinsichtlich des Erst- und der Zweitbeklagten bestätigt, das Klagebegehren gegen den Drittbeklagten abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof hat das gesamte Klagebegehren abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerber rügen zutreffend die Ansicht des Berufungsgerichtes (das Erstgericht war in seinem Urteil vom 11. Jänner 1954 anderer Ansicht, in der Folge aber gemäß § 499 Abs. 2 ZPO. an die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vom 7. April 1954 ausgedrückte rechtliche Beurteilung gebunden), daß der Anspruch gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte gemäß § 1409 ABGB. begrundet sei. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, daß ein Vermögen oder Unternehmen normalerweise aus Aktiven und Passiven bestehe, die das Gesetz als Schulden bezeichne und die unter den Voraussetzungen des § 1409 ABGB. vom Erwerber des Vermögens oder des Unternehmens mitübernommen werden müßten. Die Unterscheidung zwischen Schulden, die zum Vermögen oder Unternehmen gehören, und solchen, die sich auf einen Vermögensbestandteil selbst beziehen, finden im Gesetz keine Deckung.
Richtig ist, daß die Erst- und Zweitbeklagten vom Drittbeklagten als Veräußerer durch Vertrag vom 11. Februar 1938 dessen Bauerngut, also ein Vermögen oder Unternehmen im Sinne des § 1409 ABGB., übernommen haben, so daß sie unter den weiteren Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung und des § 187 der III. Teilnovelle den Gläubigern des Drittbeklagten als Veräußerers aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden - unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußerers - unmittelbar verpflichtet sind. Die Verpflichtung des Drittbeklagten gegenüber den beiden Klägern aus der oben bezogenen Bestimmung des Vertrages vom 14. Mai 1927 fällt aber nicht unter den gesetzlichen Schuldbeitritt des § 1409 ABGB. (so wird diese Vermögensübernahme in der Lehre qualifiziert; vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 281). Der Titel aus dem Vertrage vom 14. Mai 1927 begrundet nämlich für die beiden Kläger einen persönlichen Anspruch auf Gestattung der Eintragung und auf Überlassung des Besitzes des Grundstückes gegenüber dem Drittbeklagten (der Eintritt der oben erwähnten Bedingung wird zunächst vorausgesetzt). Nun hat der Drittbeklagte ohne Rücksicht auf die von ihm gegenüber den Klägern im Vertrage vom 14. Mai 1927 übernommene Verpflichtung das Eigentum an den streitgegenständlichen Grundstücken an den Erstbeklagten und an die Zweitbeklagte (auf Grund des Vertrages vom 11. Februar 1938) übertragen. Es liegt also ein Fall der Doppelveräußerung einer Liegenschaft vor, dessen rechtliche Folgen in der Lehre und Rechtsprechung (vgl. Ehrenzweig 1. Aufl. I/2 S. 258
f. sowie Klang 2. Aufl. II 357 und 362 und die von diesen Autoren bezogene Judikatur des Obersten Gerichtshofes, insbesondere SpR. 59) unbestritten sind. Der Eintragungsanspruch der Kläger äußert seine Wirkung nur gegen den Drittbeklagten, nicht auch gegen den Einzelnachfolger (§ 443 Satz 3 ABGB.). Die Kläger können gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte, die ihnen mit der Eintragung zuvorgekommen sind, keinen Anspruch auf Überlassung des Eigentums erheben; sie können sich lediglich an den wortbrüchigen Drittbeklagten halten. Sie hätten gegen den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte einen Schadenersatzanspruch nur dann, wenn diese den Drittbeklagten zu der Doppelveräußerung arglistig verleitet hätten (vgl. Ehrenzweig a. a. O. S. 259 Anm. 4), was aber die Kläger nicht einmal behauptet haben, zumal selbst nach ihrem Vorbringen die Bedingung des Vertrages vom 14. Mai 1927 erst einige Jahre vor der Klagserhebung (1. August 1953) eingetreten ist, während der Drittbeklagte die Liegenschaft an den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte schon am 11. Februar 1938 übergeben hatte.
Diese Natur des Anspruchs der Kläger ist auch für die Beurteilung des Klagebegehrens unter dem Gesichtspunkte des § 1409 ABGB. wesentlich. Die besonderen Vorschriften der §§ 430 und 440 ABGB., deren maßgeblicher Inhalt für die vorliegende Erledigung oben unter Hinweis auf Lehre und Praxis wiedergegeben worden ist, schließen nämlich die Anwendung der Vorschrift des § 1409 ABGB. aus. Das Revisionsgericht folgt dabei der Ansicht Klangs (§ 1409 ABGB. in der Rechtsübung, JBl. 1948 S. 437 ff.), der nach Besprechung der Entscheidung SZ. IX 22 zwar deren Begründung ablehnt, sie aber im Ergebnis als zutreffend bezeichnet und ausdrücklich (über die in SZ. IX 22 erörterten Probleme hinaus) ausführt, daß sich der Käufer einer beweglichen Sache oder einer Liegenschaft wegen Nichtleistung gegenüber dem späteren Erwerber nicht auf § 1409 ABGB. berufen könne (arg. §§ 430 und 440 ABGB.). Was vom Käufer gilt, muß um so mehr von den Klägern gelten, denen gegenüber der Drittbeklagte laut Vertrag vom 14. Mai 1927 bloß ein Schenkungsversprechen abgegeben hat. Das Problem ist allgemein dahin zu formulieren, ob der Anspruch auf Eintragung, der eine bloße Forderung darstellt, als eine zum Vermögen oder Unternehmen gehörige Schuld im Sinne des § 1409 ABGB. mit den dortselbst normierten Wirkungen aufzufassen sei. Die Frage ist zu verneinen, weil in dieser Hinsicht die Sonderbestimmungen der §§ 430 und 440 ABGB. zur Anwendung kommen. Im Ergebnis ist also der vom Erstgerichte in seinem Urteile vom 11. Jänner 1954 dargelegten Ansicht beizupflichten und die Rechtsrüge der Revisionswerber insoweit begrundet.
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