OGH 2Ob219/75

OGH2Ob219/7518.12.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofrate des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Fedra, Dr. Thoma und. Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Ges.m.b.H., *, vertreten durch Dr. Martin Binder und Dr. Klaus Größwang, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) M*, Tischlermeister *, und 2) * Versicherungsanstalt, *, beide vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 50.316,50 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1975, GZ. 5 R 69/75‑22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 7. April 1975, GZ. 6 a Cg 268/74‑14, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00219.75.1218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.882,29 (darin S 121,65 Umsatzsteuer und S 240,‑‑ Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 21. 5. 1972 ereignete sich auf der Salzburger Richtungsfahrbahn der Westautobahn im Gemeindegebiet von V* ein Verkehrsunfall, an dem der von H* gelenkte und von der Firma A*, Frankfurt , gehaltene PKW Fiat 127, *, und der vom Erstbeklagten gelenkte und gehaltene, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte PKW, BMW 2002, *, beteiligt waren. Dabei wurde H* getötet, seine Insassen J*, A* und J* wurden schwer verletzt und der PKW, Fiat 127, total beschädigt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin A* Wien, eine Schwesterfirma der Halterin des PKW, Fiat 127, A* Frankfurt, vom Erstbeklagten als Lenker und Halter und von der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherer des unfallsbeteiligten PKW BMW 2002 die Zahlung von S 50.316,50 s.A., wozu vorgebracht wurde, daß der geltend gemachte Schadenersatzbetrag teils eigene Ansprüche der Klägerin (A* Wien) , teils abgetretene Ansprüche (von der A* Frankfurt) beinhalte, wobei ein 3/4 Verschulden des Erstbeklagten geltend gemacht und ein 25 %iges Mitverschulden des getöteten H* konzediert wird. Im einzelnen setzt sich der Schadenersatzbetrag von S 50.316,50 wie folgt zusammen:

1.) Eigene Ansprüche der Klägerin:

a) Interventionskosten am Unfallsort S  2.088,‑‑

b) Diverse Auslagen für Trinkgelder,

Telefonate S  1.000,‑‑

c) Leichenüberführungskosten

Wien-Istanbul bezüglich

des getöteten H* S 22.095,50

d) Totenschaugebühren S  118,‑‑

e) Leichenhallengebühren 2 00,‑‑

S 25.501,50

2.) Abgetretene Ansprüche:

a) Totalschaden PKW, Fiat 127 S 35.150,‑‑

b) Schätzgutachten S  1.073,‑‑

c) Bergungs- und Abschleppkosten S 850‑‑

d) Mietwagenausfall für 14 Tage bis

zur Beschaffung eines Neuwagens S  4.144,‑‑

e) Spesen für Telefonate, Telex usw S  370,‑‑

S  41.587,‑‑

Beide Teilsummen zusammen: S 67.088,50

Abzüglich 25 % Mitverschulden S  16.772,‑‑

S 50.318,50.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls zu 3/4 den getöteten Lenker H* treffe. Die beklagten Parteien stellten sämtliche geltend gemachte Ansprüche der Höhe nach außer Streit, bestritten jedoch bezüglich der Leichenüberführungskosten sowie der Totenschau- und Leichenhallengebühren den Forderungsübergang. Gleichzeitig wendeten sie gegen die Klagsforderung der Zweitbeklagten gegenüber der A* Frankfurt bzw. der Klägerin zustehende Ausgleichsansprüche von S 82.500,‑‑ compensando ein. Die heutigen Beklagten seien nämlich auch von den verletzten Fahrzeuginsassen zu 6 a Cg 121/74 des Kreisgerichtes Wels auf Schadenersatz geklagt worden, wobei die Zweitbeklagte im Rahmen des genannten Prozesses bereits Schadenersatzleistungen von S 110.000,‑‑ erbracht habe. Im Hinblick auf das 3/4‑Verschulden des H* errechne sich daraus der vorangeführte Ausgleichsanspruch von S 82.500,‑‑.

Das Erstgericht erkannte auf der Basis einer Haftungs- und Verschuldensteilung von 1 : 1 die Klagsforderung mit S 33.544,25 als zu Recht, mit S 16.772,25 als nicht zu Recht und die eingewendete Gegenforderung mit zumindest S 33.544,25 als zu Recht bestehend. Davon ausgehend wies es das Klagebegehren von S 50.316,50 s.A. ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz. Hinsichtlich der den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Bestattungskostenforderung und der Gegenforderung stellte es fest:

Die Zweitbeklagte wurde von den Fahrzeuginsassen des PKW, Fiat 127, zum Schadenersatz herangezogen und hat deren Forderungen mit S 110.000,‑‑ berichtigt. Der getötete H* war bei „A* Paris“ beschäftigt; die Überführungskosten sowie Totenschau-und Leichenhallengebühren wurden von der Klägerin liquidiert.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht dazu die Ansicht, daß es den Regeln der Sitte und des Anstandes entspreche, wenn der Dienstgeber für die Überführungskosten seines getöteten Dienstnehmers aufkomme. Wenn daher die Klägerin für die A* Paris, die eigentliche Dienstgeberin, die Überführungskosten liquidiert habe, dann könne ihr dies nicht zum Nachteil gereichen. Die Vorauszahlung durch die Klägerin stelle daher einen Akt notwendiger Geschäftsführung dar, der die Beklagten zum Rückersatz verpflichte. Bezüglich der eingewendeten Gegenforderung (Ausgleichsanspruch) sei davon auszugehen, daß die Kompensationserklärung zurückwirke. Die Aufrechnungslage hinsichtlich des Ausgleichsanspruches habe daher schon bestanden, als die für die Gegenforderung passiv legitimierte A* Frankfurt ihre Forderungen an die Klägerin zediert habe. Da die Klägerin es unterlassen habe, einen Rechtsgrund oder einen Zeitpunkt der Zession anzuführen, müsse ein Inkassomandat als gegeben angesehen werden, so daß sich die Klägerin die Gegenforderung einwenden lassen müsse.

Das Berufungsgericht erkannte dahin, daß es die Forderung der klagenden Partei als mit dem Teilbetrag von S 12.750,75 zu Recht und mit dem Teilbetrag von S 12.750,75 als nicht zu Recht bestehend feststellte, die von den beklagten Parteien diesbezüglich erfolgte Einwendung einer Gegenforderung zurückwies und die beklagten Parteien zur Zahlung von S 12.750,75 samt 4 % Zinsen seit 1. 7. 1972 zur ungeteilten Hand an die klagende Partei verpflichtete. Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibe der Endentscheidung vorbehalten.

Das Berufungsgericht hob im übrigen das erstgerichtliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Es hielt die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung für zutreffend und führte – so weit für die Behandlung der vorliegenden Revision von Belang – zur rechtlichen Beurteilung aus:

Hinsichtlich der der Höhe nach unbestrittenen Schadenersatzansprüche der Klägerin sei zwischen den eigenen Ansprüchen der Klägerin im Gesamtbetrag von S 25.501,50 und den an sie abgetretenen Ansprüchen (von A* Frankfurt) im Gesamtbetrage von S 41.587,‑‑ zu unterscheiden, weil die Beklagten gegen sämtliche Schadenersatzansprüche der Klägerin ihren Ausgleichsanspruch nach § 11 EKHG eingewendet haben und zu prüfen sei, ob die diesbezügliche Kompensationseinwendung der Beklagten in Ansehung der eigenen Ansprüche der Klägerin überhaupt zum Tragen kommen könne. Der Ausgleichsanspruch nach § 11 EKHG bestehe bei Ersatz eines Schadens aus einem Verkehrsunfall zwischen den am Unfall Beteiligten, wobei als Beteiligter im Sinne dieser Gesetzesstelle jeder zu verstehen ist, der wegen des Unfalls hinsichtlich gesetzlicher Ersatzansprüche ersatzpflichtig werden kann. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeute dies, daß für den Ausgleichsanspruch der Beklagten die A* Frankfurt passiv legitimiert sei, woraus sich ergebe, daß der Ausgleichsanspruch nur gegen die abgetretenen Ansprüche der A* Frankfurt, nicht aber gegen die eigenen Ansprüche der Klägerin eingewendet werden könne. Davon ausgehend sei die eingewendete Gegenforderung (Ausgleichsanspruch), soweit sie sich gegen die eigenen Ansprüche der Klägerin richtet, zurückzuweisen, weil es an dem Aufrechnungserfordernis der Gegenseitigkeit fehle. Damit könne aber über die eigenen Ansprüche der Klägerin im Gesamtbetrag von S 25.50l,50 auf der Basis ihrer unbestrittenen Höhe und der Verschuldensteilung von 1 : 1 mit Teilurteil entschieden werden. Ob die Klägerin zur Geltendmachung dieser eigenen Ansprüche gegenüber dem Beklagten legitimiert sei und es sich nicht vielmehr lediglich um Ansprüche gegenüber dem Nachlaß des Getöteten handle, könne dahingestellt bleiben, weil gegen die diesbezüglich vom Erstgericht vorgenommene Qualifikation im Sinne einer notwendigen Geschäftsführung mit daraus resultierender Rückersatzpflicht der Beklagten diese nicht remonstriert hätten, so daß diesbezüglich nur am Rande auf § 12 Abs. 1 Z. 5 EKHG zu verweisen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erheben die beklagten Parteien Revision aus dem Grunde des § 503 Z. 4 ZPO mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Urteils die von den beklagten Parteien gegen die festgestellte Teilforderung von S 12.750,75 aufrechnungsweise erhobene Gegenforderung mindestens mit diesem Betrag als zu Recht bestehend festzustellen und das Klagebegehren hinsichtlich dieser Teilforderung kostenpflichtig abzuweisen; sie stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei, die eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt, der Revision der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Revisionswerber bringen vor, daß es sich bei der von der klagenden Partei geltend gemachten Teilforderung von S 25.50l,51 um Todfallskosten im Sinne des § 1327 ABGB handle, die nicht etwa einen originären Anspruch, sondern lediglich einen an sich dem Getöteten bzw. dessen Nachlaß zustehenden, daher abgeleiteten Anspruch auf Grund der durch § 12 Abs. 1 Z. 5 EKHG zuerkannten Aktivlegitimation darstelle. Diesem Anspruch könnten daher mit Erfolg alle diejenigen Einwendungen entgegengehalten werden, die gegen den Getöteten bzw. dessen Nachlaß und Rechtsnachfolger zustehen, und damit nicht nur die Einwendung des Mitverschuldens des Getöteten, sondern auch der Ausgleichsanspruch und die auf diesen gegründeten Forderungen auf Ersatz von erbrachten Leistungen, wobei sich diese Aufrechnung auch zugunsten des Erstbeklagten als Solidarschuldner auswirke. Da die aufrechenbaren Leistungen wesentlich höher als die zu Recht bestehend festgestellte Teilklagsforderung von S 12.750,75 sei, hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Gegenforderung der beklagten Parteien mindestens mit diesem Betrag als zu Recht bestehend festgestellt und in diesem Umfang das Klagebegehren abgewiesen werden müssen.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Es ist nicht strittig, daß es sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Teilforderung von S 25.501,50 um Todfallskosten handelt. Die Beklagten haben dagegen ausdrücklich und ausschließlich ihren Ausgleichsanspruch aus dem gegenständlichen Unfall aufrechnungsweise eingewendet (Klagebeantwortung S. 12 bis 13 des Aktes). Die Formulierung der Einwendung läßt keinen Zweifel daran zu, daß die beklagten Parteien damit einen auf § 11 EKHG gestützten Ausgleichsanspruch geltend machen, weil nur das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz den Terminus „Ausgleichsanspruch“ – und zwar in seinem § 11 – kennt. Richtig hat nun das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß dieser Anspruch bloß den am Unfall „Beteiligten“ zusteht und daß als Beteiligter im Sinne dieser Gesetzesstelle lediglich der zu verstehen ist, der wegen des Unfalls schadenersatzpflichtig werden kann, was im vorliegenden Fall aber nur hinsichtlich der A* Frankfurt, möglich sei (siehe Anm. 10 zu § 11 und Anm. 2 zu § 8 EKHG Veit). Die klagende Partei hingegen ist nicht Beteiligter im Sinne des § 11 EKHG. Einem Anspruch eines Nichtbeteiligten kann aber der auf § 11 EKHG gestützte Ausgleichsanspruch nicht entgegengehalten werden. Eine Aufrechnung scheitert bereits am Fehlen der Gegenseitigkeit. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht schon aus diesem Grund die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung der beklagten Parteien in Ansehung des vom Teilurteil umfaßten Klagsanspruches verneint.

Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, ZPO.

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