OGH 2Ob218/58

OGH2Ob218/5825.6.1958

SZ 31/88

Normen

ABGB §1295
ABGB §1315
Kraftfahrgesetz 1955 §§57 ff
ABGB §1295
ABGB §1315
Kraftfahrgesetz 1955 §§57 ff

 

Spruch:

Grundsätzlich kann sich jedermann darauf verlassen, daß die für die Teilnahme am öffentlichen Verkehr erlassenen Vorschriften zur Hintanhaltung von Schäden genügen, und zwar sowohl hinsichtlich des Zustandes der Fahrzeuge als auch hinsichtlich der Verläßlichkeit der zum Betrieb der Fahrzeuge infolge Erteilung des Führerscheines befugten Personen.

Entscheidung vom 25. Juni 1958, 2 Ob 218/58.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Frächter Franz W., der Zweitbeklagte, übergab dem Kraftfahrer Johann We., dem Erstbeklagten, den ihm, dem Zweitbeklagten, gehörigen LKW., damit er ihn in die Reparaturwerkstätte nach Linz bringe und anschließend mit ihm während seiner Abwesenheit auf der Baustelle beim Autobahnbau der Strecke L.-E. fahre und arbeite.

Der Erstbeklagte benützte die Gelegenheit und unternahm sogleich am folgenden Tag eine Schwarzfahrt nach H. Bei dieser stieß er mit dem entgegenkommenden PKW. eines amerikanischen Soldaten zusammen. Dieser PKW. wurde zertrümmert und die Insassen wurden schwer verletzt. Einer von ihnen starb an den Folgen des Unfalles. Der Erstbeklagte flüchtete nach dem Unfall und konnte bisher nicht ausgeforscht werden.

Die klagende Versicherungsgesellschaft begehrte von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand den Ersatz des Gegenwertes von 1050 $, die sie an den amerikanischen Soldaten auf Grund der Kaskoversicherung des PKWs. bei ihr auszahlen mußte, in österreichischen Schilling abzüglich des Betrages von 2600 S als für das Autowrack erzielten Erlöses. Die Ersatzpflicht des Erstbeklagten nahm sie auf Grund seines Verschuldens an dem Zusammenstoß in Anspruch, weil er nach Alkoholkonsum auf der linken Fahrbahnseite gefahren und dadurch in den entgegenkommenden PKW. des amerikanischen Soldaten hineingefahren sei. Die Ersatzpflicht des Zweitbeklagten grundete sie zunächst auf § 7 Abs. 1 und 3 KraftfVerkG., darüber hinaus auf Art. IV EVzKraftfVerkG., überdies auf § 1315 ABGB. und schließlich überhaupt unabhängig von § 1315 ABGB. allgemein gemäß §§ 1295 ff. ABGB. darauf, daß der Zweitbeklagte dem wiederholt vorbestraften Erstbeklagten den LKW. überlassen habe, ohne sich darüber zu vergewissern, ob der Erstbeklagte vertrauenswürdig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber beiden Beklagten statt. Der Erstbeklagte ließ das Urteil unbekämpft, so daß es gegenüber ihm in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Berufung des Zweitbeklagten gab das Berufungsgericht keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Zweitbeklagten teilweise Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes haftet der Zweitbeklagte jedenfalls als Halter gemäß § 7 Abs. 3 KraftfVerkG. im Rahmen des § 12 Abs. 1 Z. 3 KraftfVerkG. mit dem Betrage von 5000 S, da dieser Betrag den von den Unterinstanzen als erwiesen angenommenen Schadensbetrag nicht erreicht.

Bei der gegebenen Sachlage haben aber die Untergerichte mit Recht angenommen, daß der Erstbeklagte bei der von ihm gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Zweitbeklagten unternommenen Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, in keiner Weise im Interesse des Zweitbeklagten tätig war, so daß eine die Haftung nach § 7 Abs. 3 KraftfVerkG. im Rahmen des § 12 Kraftf- VerkG. übersteigende Haftung des Zweitbeklagten gemäß Art. IV EVzKraftfVerkG. für das Verschulden des Erstbeklagten an dem Unfall, der sich auf dieser Fahrt ereignete, nicht angenommen werden kann (vgl. auch SZ. XXIV 309).

Da der Erstbeklagte aus den gleichen Gründen bei der kritischen Fahrt auch nicht Besorgungsgehilfe des Zweitbeklagten war, kommt auch eine Haftung des Zweitbeklagten gemäß § 1315 ABGB. nicht in Betracht (vgl. SZ. XXIV 81). Auch dies haben die Untergerichte ohne Rechtsirrtum angenommen.

Wenn auch der Erstbeklagte im Zeitpunkt des Unfalls nicht Besorgungsgehilfe des Zweitbeklagten war, wäre eine Haftung des Zweitbeklagten gemäß § 1295 ABGB. für ein Verschulden bei der Auswahl des Erstbeklagten als Fahrer seines LKWs. aber grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Insofern die Revision in diesem Zusammenhange dartun will, daß durch § 1315 ABGB. die allgemeinen Bestimmungen des § 1295 ABGB. ausgeschlossen seien, geht sie ins Leere, weil im vorliegenden Falle ja § 1315 ABGB. mit Rücksicht darauf, daß der Erstbeklagte im Zeitpunkt des Unfalles gar nicht Besorgungsgehilfe des Zweitbeklagten war, überhaupt nicht zur Anwendung kommen könnte.

Es kann aber entgegen der Ansicht der Untergerichte nicht angenommen werden, daß dem Zweitbeklagten eine culpa in eligendo zur Last fällt.

Nach den Feststellungen der Untergerichte hatte der Zweitbeklagte den Erstbeklagten 14 Tage vor der Übergabe des LKWs. kennengelernt. Der Erstbeklagte übernahm einmal auf einer kurzen Wegstrecke die Lenkung des LKWs. Vom Zweitbeklagten, wobei er das Fahrzeug gut über das nicht leicht zu fahrende Wegstück brachte.

Da der Erstbeklagte einen Führerschein hatte und dem Zweitbeklagten sogar praktisch nachgewiesen hatte, daß er offenbar fähig sei, den LKW. entsprechend zu lenken, kann darin, daß der Zweitbeklagte ihm den LKW. für einige Zeit zu Fahrten auf der Autobahnbaustelle übergab, irgendein Verschulden des Zweitbeklagten nicht erblickt werden.

Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die damals in Geltung gestandenen §§ 9 und 10 KfG. 1946 (nunmehr §§ 57 ff. KfG. 1955) spricht nicht für, sondern gegen ein Verschulden des Zweitbeklagten. Denn solange jemand einen von der zuständigen Behörde ausgestellten Führerschein besitzt, muß gerade auf Grund der oben angeführten Bestimmungen angenommen werden, daß diese Behörde ihm den Führerschein nur nach Prüfung seiner persönlichen Verläßlichkeit ausgestellt und ihm auch in der Folge deshalb nicht entzogen hat, weil seine persönliche Verläßlichkeit nicht beeinträchtigt wurde. Grundsätzlich kann sich, wie der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 224/56 ausgesprochen hat, jedermann darauf verlassen, daß die für die Teilnehmer am öffentlichen Verkehr erlassenen Vorschriften genügen, um Schäden hintanzuhalten, und zwar ebenso wie hinsichtlich des Zustandes der Fahrzeuge auch hinsichtlich der Verläßlichkeit der zum Betrieb der Fahrzeuge infolge Erteilung des Führerscheines befugten Personen.

Nur wenn besondere Umstände vorliegen, die zu begrundeten Zweifeln an der Verläßlichkeit des in Betracht kommenden Fahrers Anlaß geben müssen, muß diesen Umständen nachgegangen werden. Es wäre aber zuviel verlangt, daß jemand, der seinen Kraftwagen einem anderen, der einen gültigen Führerschein besitzt, zur Führung überläßt, noch Nachforschungen über den Leumund und allfällige Vorstrafen dieser Person anstellen müßte und auf diese Art noch neben oder anstatt der zuständigen Behörde überprüfen müßte, ob die Voraussetzungen für den Besitz des Führerscheines vorliegen. Der Führerschein ist auch als ein Zeugnis im Sinne des § 1314 ABGB. aufzufassen (s. Wolff in Klang 2. Aufl, VI 91 f.).

Auch der Umstand, daß dem Zweitbeklagten durch einen Zufall zur Kenntnis kam, der Erstbeklagte sei einmal wegen eines Verkehrsunfalls mit tödlichem Ausgang freigesprochen worden, verpflichtete ihn nicht zur Anstellung weiterer Nachforschungen; denn aus der Tatsache des Freispruches konnte der Zweitbeklagte mit Grund annehmen, daß dem Erstbeklagten jedenfalls ein Verschulden am Unfall nicht nachgewiesen worden sei. Daß der Erstbeklagte der zuständigen Verwaltungsbehörde zur Führung eines Kraftfahrzeuges aber auch weiterhin geeignet schien, gab sie ja dadurch zu erkennen, daß sie ihm den Führerschein beließ.

Da also dem Zweitbeklagten aus den angeführten Gründen eine culpa in eligendo nicht angelastet werden kann, fehlt einem den Umfang des § 12 KraftfVerkG. übersteigenden Schadenersatzanspruch gegen ihn die Grundlage, so daß seiner Revision insofern stattzugeben war, als das den Betrag von 5000 S übersteigende Mehrbegehren abzuweisen war.

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