OGH 2Ob217/72

OGH2Ob217/7229.3.1973

SZ 46/37

Normen

ABGB §894
ABGB §896
ABGB §1425
EO §294
ABGB §894
ABGB §896
ABGB §1425
EO §294

 

Spruch:

Wird eine Forderung gepfändet, hinsichtlich derer eine Solidarhaftung besteht, ist dem Verpflichteten die Einziehung der Forderung schlechthin untersagt, und zwar nicht nur gegenüber dem in der Exekutionsbewilligung genannten Drittschuldner, sondern auch gegenüber jedem weiteren Solidarschuldner, auch wenn dieser nicht als weiterer Drittschuldner angeführt wurde. Der Verpflichtete kann keinesfalls mehr als den gerichtlichen Erlag verlangen.

OGH 29. März 1973, 2 Ob 217/72 (OLG Innsbruck 1 R 140/72; LG Innsbruck 9 Cg 543/69)

Text

Die Erstbeklagte verschuldete am 31. Jänner 1968 als Fahrerin eines Kraftfahrzeuges, dessen Halter die Zweitbeklagte und das bei der Dritt- beklagten haftpflichtversichert war, einen Zusammenstoß mit dem vom Kläger gelenkten und ihm gehörenden Personenkraftwagen, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde und auch Sachschäden erlitt. In einem gegen die Erstbeklagte abgeführten Strafverfahren wurde dem Kläger an Schmerzengeld ein Betrag von 5000 S zugesprochen.

Der Kläger verlangt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von 309.803.89 S samt Anhang, Leistung einer Rente von 2466.33 S monatlich ab 1. August 1971 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Unfall vom 31. Jänner 1968.

Die Beklagten anerkannten ihre Haftung dem Gründe und zum Teil auch der Höhe nach. Sie wendeten unter anderem ein, daß eine Reihe von Gläubigern des Klägers dessen klagsgegenständliche Schadenersatzforderungen gepfändet habe und daß gegen die Beklagten Drittverbote ergangen seien. Sie beantragten daher Abweisung des Klagebegehrens.

Außer Streit steht, daß die Drittbeklagte an Überweisungsgläubiger des Klägers auf Grund solcher Forderungspfändungen 20.120.22 S bezahlt hat.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 133.560.33 S samt Anhang sowie einer monatlichen Rente von 2081.94 S ab 1. August 1971 und stellte fest, daß die Beklagten dem Kläger für künftige Schäden aus dem Unfall vom 31. Jänner 1968 zu haften haben, die Drittbeklagte jedoch nur im Rahmen des mit ihr abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages. Das Leistungs- und Feststellungsmehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Teile teiweise Folge und änderte das Ersturteil, das im Ausspruch über das Feststellungsbegehren als unangefochten unberührt blieb, im Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, den Betrag von 125.064.73 S samt Anhang, die Erst- und Zweitbeklagte überdies zur ungeteilten Hand den Betrag von 45.871.90 S samt Anhang und die Zweitbeklagte überdies den Betrag von 54.282.79 S samt Anhang (d. s. insgesamt 225.219.42 S samt Anhang) zum Zwecke der Befriedigung der Überweisungsgläubiger bei Gericht zu erlegen; ferner verurteilte es alle drei Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung einer Rente von monatlich 2010.67 S ab 1. August 1971. Das Mehrbegehren wies es ab.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Berufungsurteil.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Verschiedene Gläubiger des Klägers führten zur Hereinbringung ihrer Forderungen Exekution durch Pfändung und Überweisung seiner Schadenersatzansprüche aus dem gegenständlichen Unfall. Bewilligungs- und Exekutionsgericht war in allen Fällen das BG K.

1. Die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer bezahlte vor Klagseinbringung (31. Juli 1969) 20.120.22 S an die betreibenden Gläubiger Johann S (E 4143/68), Stadtgemeinde W (E 4836/68) und Landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft m. b. H., I, (E 5603/68).

2. Ebenfalls noch vor Klagseinbringung wurden folgende weitere Exekutionen bewilligt, auf Grund der noch keine Zahlungen geleistet wurden:

a) zu E 861/69 dem Franz K zur Hereinbringung von 12.600 S samt Anhang;

b) zu E 1986/69 der Raiffeisen-Bezirkskasse W und Umgebung, reg. Gen. m. b. H.,zur Hereinbringung von 15.534 S und 9756 S je samt Anhang;

3. Nach Klagseinbringung wurden folgende Exekutionen bewilligt, auf Grund der ebenfalls noch keine Zahlungen geleistet wurden:

a) zu E 345/70 der Firma Hans F KG, Eisenwarenhandlung in W, zur Hereinbringung von 546.60 S samt Anhang;

b) zu E 1698/70 der Sparkasse K zur Hereinbringung von 3000 S samt Anhang;

c) zu E 2019/70 dem Josef G zur Hereinbringung von 1215.35 S samt Anhang;

d) zu E 2170/70 dem Hugo M zur Hereinbringung von 1285.12 S samt Anhang;

e) zu E 434/71 der AVA-Automobil- und Warenkreditbank Gesellschaft m. b. H. Wien, zur Hereinbringung von 22.149.70 S samt Anhang und

f) zu E 1457/71 dem Peter W, Maschinen-Groß- und Einzelhandel, W, zur Hereinbringung von 2875 S samt Anhang.

Bei diesen Exekutionen scheinen als Drittschuldner zum Teil nur die Drittbeklagte und zum Teil die Erst- und die Drittbeklagte, in keinem Fall aber die Zweitbeklagte auf.

Der Kläger bekämpft die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß er mit Rücksicht auf die vorliegenden Forderungspfändungen auch gegenüber der Zweitbeklagten keinen Anspruch auf Zahlung, sondern nur auf gerichtlichen Erlag zu Gunsten der Überweisungsgläubiger habe. Er vertritt die Ansicht, da gegenüber der Zweitbeklagten überhaupt keine Forderungspfändung vorliege, sei diese von den Exekutionsmaßnahmen der Gläubiger des Klägers vollig unberührt geblieben und es werde ihre Rechtsstellung dadurch in keiner Weise tangiert. Eine Benachteiligung der Gläubiger des Klägers könne deswegen nicht eintreten, weil sie eine Forderungspfandung gegenüber der Zweitbeklagten unterlassen haben. Die Verurteilung auch der Zweitbeklagten zum gerichtlichen Erlag stelle sich somit als ein im Gesetz nicht gedeckter Schutzschritt zugunsten der Gläubiger des Klägers dar.

Diesen Ausführungen kann aus folgenden Erwägungen nicht beigepflichtet werden.

Gemäß § 294 Abs. 1 EO geschieht die Exekution auf Geldforderungen des Verpflichteten durch Pfändung. Diese erfolgt - abgesehen von den Fällen des § 296 EO - dadurch, daß das Bewilligungsgericht dem Drittschuldner verbietet, an den Verpflichteten zu bezahlen. Zugleich ist dem Verpflichteten aber auch jede Verfügung über seine Forderung, insbesondere die Einziehung, zu untersagen. Nach Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle ist die Pfändung mit der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Das an den Verpflichteten gerichtete Verfügungsverbot äußert seine Wirkung ab Zustellung an ihm. Da die Exekutionsordnung für die Pfändung von Forderungen, hinsichtlich der eine Solidarhaftung besteht, keine besondere Regelung trifft, ist auch in diesem Falle davon auszugehen, daß dem Verpflichteten die Einziehung einer gepfändeten Forderung schlechthin untersagt ist, und zwar nicht nur gegenüber dem in der Exekutionsbewilligung genannten Drittschuldner, sondern auch gegenüber jedem weiteren Solidarschuldner, auch wenn dieser nicht als weiterer Drittschuldner angeführt wurde. Wenngleich bei Solidarschuldverhältnissen eine gewisse Unabhängigkeit der einzelnen Verpflichtungen bestehen kann (s. z. B. § 894 ABGB), so ändert dies doch nichts daran, daß eben nur eine Leistung geschuldet wird und der Gläubiger diese Leistung nur einmal erhalten kann. Ist dem Gläubiger die Einziehung dieser Leistung auf Grund einer Pfändung untersagt, dann kann er, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgesprochen hat, mehr als den gerichtlichen Erlag auf keinen Fall verlangen. Daß die Rechtsstellung der von den Gläubigern des Klägers als Drittschuldnerin nicht in Anspruch genommenen Zweitbeklagten durch deren Exekutionsmaßnahmen nicht berührt wird, besagt somit nichts. Es kann daher auch keine Rede davon sein, daß die Verurteilung der Zweitbeklagten zum gerichtlichen Erlag eine im Gesetz nicht gedeckte Schutzmaßnahme zugunsten der Gläubiger des Klägers darstellt. Folgt man der vom Kläger vertretenen Auffassung, dann würde dies darauf hinauslaufen, die erfolgten Forderungspfändungen hinfällig zu machen und die betreibenden Gläubiger zu benachteiligen.

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