OGH 2Ob200/65

OGH2Ob200/651.7.1965

SZ 38/114

Normen

JN §7
JN §7a
ZPO §55
ZPO §227 (3)
JN §7
JN §7a
ZPO §55
ZPO §227 (3)

 

Spruch:

Eine Wechselklage, die mehrere Wechsel zum Gegenstand hat, stellt, selbst wenn alle Ansprüche aus einem Rechtsgeschäft abgeleitet werden, so viele Wechselklagen dar, als ihr Wechsel zugrunde liegen. Übersteigt die Wechselsumme bei keinem der in einer Klage geltendgemachten Wechsel 100.000 S, so ist die Zuständigkeit des Einzelrichters gegeben. Eine Zusammenrechnung der mehreren Wechselsummen findet nicht statt

Entscheidung vom 1. Juli 1965, 2 Ob 200/65

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Vom Erstgericht wurde auf Antrag der klagenden Partei ein Wechselzahlungsauftrag erlassen, dem drei Wechsel mit Wechselsummen von 2765 n. Kr., 19.554.07 n. Kr. und 10.681.05 n. Kr, somit von insgesamt 33.000.12 n. Kr., zugrunde lagen. Bei der Umrechnung in österreichische Schilling wurde von der klagenden Partei der Streitwert mit insgesamt 119.130 S angegeben.

Gegen diesen Wechselzahlungsauftrag wurden vom Beklagten Einwendungen erhoben. In der mündlichen Streitverhandlung wandte er außerdem ein, daß das Gericht mit einem Einzelrichter nicht gesetzmäßig besetzt sei. Vielmehr sei die Zuständigkeit des Senates gegeben, weil sich sämtliche Wechselverbindlichkeiten auf eine geschäftliche Verbindung grundeten und die Beträge daher zusammenzurechnen seien.

Das Erstgericht faßte den Beschluß, daß das Handelsgericht Wien in Senatsbesetzung zu entscheiden habe. Es war der Ansicht, daß die Wechselverbindlichkeiten aus einer vereinbarten "Gesamtgeschäftsbeziehung" entstanden seien und daher ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang dieser einzelnen Verbindlichkeiten bestehe. § 227 (3) ZPO. schließe eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche zur Feststellung der Senatsgerichtsbarkeit nicht aus. Es ergebe sich daher ein Streitwert von über 100.00 S.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei statt und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag des Beklagten, die Sache vor dem Senat des Handelsgerichtes zu verhandeln, abwies. Es war der Meinung, daß im Wechselprozeß die einzelnen Wechselansprüche aus dem Skripturakt entstehen. Jeder Wechsel verkörpere daher einen eigenen, für sich allein bestehenden wechselrechtigen Anspruch. Ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang zwischen mehreren geltend gemachten Wechseln sei daher ausgeschlossen. Solche Ansprüche seien nicht nach § 55 (1) JN. zusammenzurechnen. Gemäß § 227 (3) ZPO. habe der Einzelrichter zu entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte wendet sich gegen die oben angeführte Rechtsansicht des Rekursgerichtes und ist der Meinung, daß es sich bei den geltend gemachten Forderungen um zusammenhängende Ansprüche aus Warenlieferungen zwischen Lieferanten und Abnehmer handle. Die einzelnen Skripturakte seien nur der Ausdruck des zwischen den Parteien bestehenden Grundgeschäftes.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß jeder Wechsel eine besondere Forderung begrundet und daß die Einklagung mehrerer Wechsel in einer Klage auch dann, wenn die Wechsel auf einem einzigen Rechtsgeschäft (Darlehen, Lieferungsvertrag) beruhen, die sich aus den mehreren Wechseln ergebenden Forderungen keinen einheitlichen Anspruch darstellen. So hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 190/29 in RSpr. 1929 Nr. 162 die Ansicht vertreten, daß zur Berechnung der Revisionsgrenze mehrere Wechselsummen auch, dann nicht zusammenzurechnen seien, wenn sie sich auf ein einziges Rechtsgeschäft beziehen und mit einer Klage geltend gemacht werden. Der wechselrechtliche Anspruch grunde sich auf die Urkunde (Wechsel). Eine Wechselklage, die mehrere Wechsel zum Gegenstand habe, stelle demnach, selbst wenn das Begehren aus einem einzigen Rechtsgeschäft abgeleitet werde, so viele Wechselklagen dar, als ihr Wechsel zugrundeliegen.

In einer anderen Entscheidung (SZ. XVIII 106) hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage der Zulässigkeit einer Revision denselben Standpunkt eingenommen und darauf hingewiesen, daß die Verbindung mehrerer selbständiger Ansprüche in der Klage (vier Akzepte über je 1500 S) für die Frage der Zulässigkeit der Revision ebensowenig von Bedeutung sei, wie die Verbindung mehrerer Bagatellansprüche in einer Klage für die Verfahrensart.

Es besteht kein Anlaß, von dieser Auffassung nunmehr abzugehen. Der Hinweis des Beklagten auf die Tatsache, daß sich die drei den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Wechsel aus einer einzigen Geschäftsverbindung ergeben, kann daher kein Anlaß sein, die Wechselsummen zusammenzurechnen und auf diese Weise die Zuständigkeit des Senates gemäß § 7 JN. anzunehmen. Im übrigen ist hier § 227 (3) ZPO. maßgebend und nicht § 55 (1) JN. Letztere Bestimmung gilt überhaupt nur für die Berechnung des Streitwertes zur Bestimmung der Zuständigkeit des Gerichtes, nicht aber für die Abgrenzung zwischen der Gerichtsbarkeit durch den Einzelrichter und durch den Senat im Sinne des § 7a (1) JN. Gemäß § 227 (3) ZPO. sind die in einer Klage geltend gemachten Ansprüche, deren jeder für sich den Betrag oder Wert von 100.000 S nicht übersteigt, auch dann nicht zusammenzurechnen, wenn sie untereinander in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stehen. Wenn daher auch die Summe der drei Wechsel den Betrag von 100.000 S übersteigt, ist doch der Einzelrichter zur Entscheidung berufen (siehe auch Fasching, ZPO., Komm., Band I. S 342). Die Senatszuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn mindestens einer der drei Wechselansprüche gegeben, wenn mindestens einer der drei Wechselanansprüche den Betrag von 100.000 S überstiege. Da dies nicht der Fall ist, hat das Rekursgericht richtig entschieden, wenn es die Zuständigkeit des Einzelrichters angenommen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte