OGH 2Ob1/96

OGH2Ob1/9612.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Utho Hosp, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei W***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 121.100.- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. Oktober 1995, GZ 1 R 201/95, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. August 1995, GZ 9 Cg 206/94-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605.- (darin S 1.267.50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8. 8. 1976 geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger. Er wurde am 28. 3. 1991 in Großarl, Salzburg, als Fußgänger vom alkoholisierten Lenker eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW angefahren und schwer verletzt. Der Lenker wurde mit dem am 21.9.1993 rechtskräftig gewordenen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22. 3. 1993 wegen §§ 88 Abs 1 und 4, 89 StGB (§ 81 Z 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen a S 100.- verurteilt. Mit einer am 25. 1. 1993 bei Gericht eingelangten, gegen Lenker, Halter und Haftpflichtversicherer gerichteten Klage begehrte der Kläger S 220.000.- Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden. Nach Zahlung von S 100.000.- schlossen die Parteien in der Tagsatzung vom 23. 6. 1993 einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich die Beklagten zur Zahlung weiterer S 50.000.- sA verpflichteten und einvernehmlich erklärten, für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 28. 3. 1991 ersatzpflichtig zu sein, den Versicherer nach Maßgabe des Haftpflichtversicherungsvertrages. Der Vergleich wurde am 7. 7. 1993 rechtswirksam.

Durch den Unfall entstanden dem Kläger im Zeitraum 28. 3. 1991 bis 5. 11. 1992 Heilungskosten im Gesamtbetrag von DM 22.652,30. Nach der Verordnung des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen vom 27.3.1975, GSV NW 20320, über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BVO) erbrachte der Kreis Gütersloh als Dienstherr des Vaters des damals minderjährigen Klägers Abschlagzahlungen auf diese Heilungskosten im Gesamtbetrag von DM 17.300.-. Nach § 3 Abs 4 BVO sind Aufwendungen dann, wenn dem Beihilfeberechtigten auf Grund von Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber Dritten zusteht, nur insofern beihilfefähig, als die Aufwendungen über einen derartigen Erstattungsanspruch hinausgehen. Mit Schreiben vom 5. 10. 1993 begehrte der Kreis Gütersloh vom Rechtsvertreter des Klägers unter Hinweis auf die genannte Bestimmung der BVO die Rückzahlung von DM 17.300.- und führte dazu aus, daß eine Beihilfe nur dann gewährt werden könne, wenn eindeutig geklärt sei, daß dem Geschädigten keine Schadenersatzansprüche nach bürgerlichem Recht zustünden oder nach Abschluß eines Verfahrens dem Geschädigten ungedeckte Verfahrenskosten verblieben.

Mit Klage vom 24. 8. 1994 begehrt der Kläger S 121.100.- als Gegenwert von DM 17.300.- mit dem Vorbringen, die beklagte Partei sei nunmehr in Anbetracht der im Vergleich vom 23. 6. 1993 festgestellten Haftung für alle künftigen Schäden gehalten, die ihm vom Kreis Gütersloh bevorschußten Aufwendungen zurückzuzahlen.

Die beklagte Partei wendet ein, daß es sich bei der eingeklagten Forderung um von einem Dritten bevorschußte Heilungskosten handle, die nicht von der Haftungserklärung des Vergleiches vom 23. 6. 1993 erfaßt und verjährt seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger mache Heilungskosten geltend, die bereits im Zeitpunkt des Unfalles entstanden und damit verjährt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision wegen uneinheitlicher höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage des Verjährungsbeginns von Schadenersatzansprüchen zulässig sei. Die vom Kläger beim Unfall erlittene Körperverletzung stelle einen Personenschaden dar, der mit Unfallsdatum eingetreten sei; an diesem Tag beginne auch die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen. Dies gelte auch für die Heilungskosten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen beim vorliegenden Sachverhalt mit Auslandsberührung die Berechtigung der Klageforderung nach österreichischem Recht beurteilt. Das Haager Straßenverkehrsübereinkommen (BGBl 1975/387) steht in Österreich seit 3. 6. 1975 in Geltung und verdrängt in seinem Anwendungsbereich die sonst geltenden kollisionsrechtlichen Normen des IPRG. Es beruft in seinem Artikel 3 das innerstaatliche Recht jenes Staates zur Anwendung, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, hier also Österreichs. Gemäß Art. 8 Z 8 dieses Übereinkommens bestimmt das anzuwendende Recht auch die Verjährung.

Der Revisionswerber vertritt weiterhin die Ansicht, die Einbringung der Feststellungsklage am 25. 1. 1993 habe auch die Verjährung der klagsgegenständlichen Ansprüche, die inhaltlich als Rückforderung erhaltener Aufwendungen zu qualifizieren seien, unterbrochen; erst ab Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Kläger und nach Rückforderung der geleisteten Zahlungen durch den Beihilfeträger wäre dem Kläger eine Anspruchsverfolgung möglich gewesen. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Auszugehen ist davon, daß dem Kläger im Zeitraum 28. 3. 1991 bis 5. 11. 1992 unfallskausale Heilungskosten entstanden sind, die ihm über seinen Antrag nach deutschem Landesrecht durch Leistung von Abschlagszahlungen vom Kreis Gütersloh als Beihilfeträger teilweise abgegolten worden sind. Ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf den Erhalt derartiger Beihilfezahlungen besaß, oder ob es sich dabei um freiwillige Leistungen handelte, ändert nichts daran, daß mit diesen Zahlungen ein dem Kläger bereits entstandener Schaden teilweise abgedeckt worden ist. Nach der zugrundeliegenden Beihilfenverordnung sind dem Geschädigten entstandene Aufwendungen aber nur insoweit beihilfefähig, als diesbezüglich ein Anspruch gegen den Schädiger oder dessen Versicherer nicht verwirklicht werden kann (§ 3 Abs 4 BVO). Die Auszahlung der Beihilfen erfolgt daher nur auflösend bedingt, weshalb der Zahlungsempfänger auch damit rechnen muß, im Falle des Bedingungseintrittes (Feststellung von Ersatzansprüchen gegen den Schädiger) die erhaltenen Beihilfen wieder zurückzahlen zu müssen.

Der Kläger hat nun derartige Ersatzansprüche gegen den am Unfall schuldtragenden Lenker, den Fahrzeughalter und dessen Haftpflichtversicherer nicht etwa erst mit Schaffung eines Rechtstitels gegen die Genannten (hier: mit Vergleichsabschluß am 23. 6. 1993), sondern bereits im Unfallszeitpunkt erworben. Der Schadenersatzanspruch des Geschädigten, der auch die Kosten der Heilbehandlung umfaßt, ist nämlich nach einhelliger Rechtsprechung in seiner vollen Höhe schon durch die Körperverletzung und die daraus entstehenden Folgen existent geworden (Reischauer in Rummel, ABGB**2 § 1325 Rz 19 mwN; ZVR 1988/71). Daß dem Kläger die Person des Schädigers nicht schon mit Eintritt des schädigenden Ereignisses bekannt gewesen wäre, hat er nicht einmal behauptet; die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB hat deshalb auch hinsichtlich der Heilungskosten am Unfallstag zu laufen begonnen. Die vom Kläger erwirkte Haftungserklärung im gerichtlichen Vergleich bezieht sich nur auf die Haftung für künftige Schäden und hat auf den Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich schon zum Unfallszeitpunkt entstandener Heilungskosten keinen Einfluß.

Das vom Kläger gewünschte Ergebnis eines unterschiedlichen Beginns der Verjährungsfrist je danach, ob der Geschädigte selbst die Kosten der Heilbehandlung getragen hat oder ob ihm diese von dritter Seite auflösend bedingt bevorschußt (und später von ihm zurückverlangt) worden sind, findet im Gesetz keine Deckung. Der Kläger als Beihilfeempfänger, der um seine mögliche Rückzahlungsverpflichtung wissen mußte, wäre daher gehalten gewesen, auch jenen Teil der Heilungskosten innerhalb der schadenersatzrechtlichen Verjährungsfrist gegenüber dem Schädiger gerichtlich geltend zu machen, der ihm von dritter Seite als Beihilfe bevorschußt worden ist. Im Falle eines Prozeßerfolges hätte sodann der darauf entfallende Teil des erstrittenen Betrages für ihn einen bloßen Durchlaufposten zur Rückführung an den Beihilfeträger dargestellt, während er im Falle des Prozeßverlustes keinen Rückforderungsansprüchen des Beihilfeträgers ausgesetzt gewesen wäre. Nur so werden auch die durch das Institut der Verjährung geschützten Interessen des Schädigers ausreichend gewahrt, der sich andernfalls unter Umständen noch Jahre nach dem schädigenden Ereignis mit ihm zuvor unbekannten Schadenersatzforderungen auseinanderzusetzen hätte.

Die Vorinstanzen sind deshalb zutreffend von einer Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ausgegangen, weshalb der Revision kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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