OGH 2Ob195/00s

OGH2Ob195/00s19.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wolfgang H*****, 2. Eberhard M*****, 3. Herbert P*****,

4. Friedrich W*****, und 5. Dr. Otto Z*****, alle vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R***** reg. GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 192.614 sA, S 21.453,50 sA, S

54.680 sA, S 184.297 sA, S 518.675 sA und jeweils Feststellung über die außerordentliche Revision des Erstklägers und die Rekurse der Erst- bis Viertkläger sowie der Beklagten gegen die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 13. April 2000, GZ 1 R 237/99z-98, womit das Teil-, Zwischen- und Endurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. August 1999, GZ 3 Cg 276/93g-88, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass es sich im vorliegenden Fall um eine weitere Klage von Zeichnern sogenannter Hausanteilsscheine des "W*****-B*****-Imperiums" gegen die den Ankauf finanzierende, schon im Fall von 1 Ob 540/95 = SZ 68/77 = ÖBA 1995, 627/499 beklagte Bank handelt; auf diese grundlegende Entscheidung, in der das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit solchen Finanzierungen eingehend analysiert wurde, wird verwiesen. Festgehalten wird noch, dass der Fünftkläger die Berufungsentscheidung unangefochten gelassen hat, weshalb das Verfahren insoweit rechtskräftig beendet ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Rekurs der Beklagten:

Die Zurückweisung eines zugelassenen Rekurses gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz, § 528a ZPO; vgl Kodek in Rechberger2 § 528a ZPO Rz 1).

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung deshalb zugelassen, weil seine Rechtsansicht, dass eine fahrlässige Unkenntnis der beklagten Bank (für deren Haftung) ausreiche, von der oberstgerichtlichen Judikatur abweiche.

Es trifft zu, dass der Oberste Gerichtshof eine Aufklärungspflicht

der Bank dann bejaht hat, wenn das Kreditinstitut die tatsächlichen

Umstände des Risikogeschäftes gekannt und verschwiegen hat, oder

anders formuliert, wenn das Kreditinstitut vorhandenes positives

Wissen über atypische, sich aus den Verhältnissen des die

Vermögensanlage anbietenden Unternehmers ergebende Beteiligungsrisken

nicht an den Kunden weitergegeben haben sollte (1 Ob 540/95 = SZ

68/77 mwN; 1 Ob 588/95 = ÖBA 1996, 224/535; 4 Ob 2005/96y = ÖBA 1996,

806/518; 7 Ob 318/97h = ÖBA 1998, 487/718; 10 Ob 54/97g = ÖBA 1998,

720/733).

In 1 Ob 540/95 wurde der Beklagten eine solche positive Kenntnis angelastet. Seit Vorliegen dieser Entscheidung versucht sie im gegenständlichen Verfahren zu einer für sie günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Dies ist ihr aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen (die im Zuge der erstgerichtlichen Beweiswürdigung noch verdeutlicht wurden) nicht in entscheidendem Ausmaß gelungen: Es hat sich zwar ergeben, dass das finanzielle Engagement der Beklagten gegenüber dem "Imperium" bei Kreditvergaben erheblich geringer und vorsichtiger war, als jenes der beiden anderen Salzburger Großbanken (erstgerichtliches Urteil ON 88 Seite 19) und dass sich die Beklagte am sogenannten Bankenmoratorium nicht ausdrücklich (sondern nur de facto) beteiligt hat (Seiten 25, 28, 54). An ihrem Wissen von den schweren finanziellen Problemen des "Imperiums" ändert dies aber nichts (Seite 19, 21, 22, 25, 26, 55). Gegenteiligen Aussagen hat das Erstgericht keinen Glauben geschenkt (Seite 29, 30). Es hat ebenso wie im Fall von 1 Ob 540/95 auch festgestellt, dass sich die Beklagte nicht dafür interessierte, wie das "Imperium" die Gelder zur weitgehenden Begleichung seiner Verbindlichkeiten bei der Beklagten bis 1987 aufgebracht hatte (Seite 27), dass sich die Beklagte auf konkrete Untersuchungen des Beteiligungsgeschäfts erst gar nicht einließ, weil ihr "Chef" private Immobilienfonds von vornherein für problematisch hielt, da zu hohe Gewinne versprochen würden und gleichzeitig zu hohe Kosten damit verbunden seien (Seite 33), und dass die Beklagte mit dem Vertrieb der Hausanteilsscheine zwar selbst nicht in Zusammenhang gebracht werden wollte, jedoch nicht abgeneigt war, zu diesem Zweck Kredite zur Verfügung zu stellen (Seite 34).

Zutreffend ist das Erstgericht daher im Rahmen seiner Rechtsausführungen zum Ergebnis gelangt, dass der von ihm festgestellte Sachverhalt noch immer so weitgehend mit den Sachverhaltsgrundlagen der Entscheidung 1 Ob 540/95 übereinstimmt, dass aufgrund der dort geäußerten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes im selben Sinn die grundsätzliche Schadenersatzpflicht der Beklagten bejaht werden müsse (Seite 56). Nicht zu billigen ist hingegen seine Ansicht, aus dem nun festgestellten Sachverhalt lasse sich nicht ableiten, dass die positive Kenntnis der Beklagten von den tatsächlichen Verhältnissen so weit gegangen wäre, dass ein Fehlschlag der Beteiligung mit hoher oder gar größter Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste (Seite 55). Bei diesen Ausführungen handelt es sich entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin nicht um eine Feststellung, sondern um eine - unzutreffende - rechtliche Beurteilung. Die vom Erstgericht bisher getroffenen Feststellungen reichen nämlich aus, um eine - zur Aufklärungspflicht führende - positive Kenntnis der Beklagten von der besonderen Risikolage im Sinne der zitierten Rechtsprechung anzunehmen; ein Fehlschlag der Beteiligung war nach diesen Feststellungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Allerdings wurden diese Feststellungen vom Erstgericht nach der Beurteilung des Berufungsgerichts aufgrund eines in mehrfacher Hinsicht mangelhaften Verfahrens getroffen. Für die daraus resultierende teilweise Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils ist es ohne Bedeutung, ob man positive Kenntnis der Bank von der besonderen Risikolage verlangt oder ob man sich - wie das Berufungsgericht in Anschluss an Lehrmeinungen - mit Erkennbarkeit begnügt. Die Lösung der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage ist daher im derzeitigen Verfahrensstadium nicht geboten.

Im Rekurs wird keine (sonstige) erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts - zurückzuweisen war.

2. Zum Rekurs der Erst- bis Viertkläger:

Von einer Nichtigkeit des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses kann keine Rede sein, weil die Beklagte in ihrer Berufung ohnehin einen Abänderungsantrag (der bereits einen Aufhebungsantrag in sich begreift) und hilfsweise einen Aufhebungs- und Zurückweisungsantrag gestellt hat. Eines neuerlichen Abänderungs- und Aufhebungsantrages im unter Punkt 5.3 gestellten Eventualantrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung bedurfte es nicht.

Die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache hindernde Mängel des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO werden von den Rechtsmittelwerbern nicht geltend gemacht. Mit den vom Berufungsgericht bejahten Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens hat sich der Oberste Gerichtshof nicht neuerlich auseinanderzusetzen, zumal den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts auch keine unrichtige Rechtsansicht zugrunde liegt.

Zur Rechtsfrage wird zunächst auf die Behandlung des Rekurses der Beklagten verwiesen.

Was die Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den Schaden des Erstklägers anlangt, stellt sich ein Beweislastproblem derzeit nicht. Die Parteien haben hiezu widerstreitendes Prozessvorbringen erstattet (vgl Berufungsentscheidung Seite 21 f), das Erstgericht hat hiezu jedoch keine Tatsachenfeststellungen getroffen (was der Erstkläger in seiner Berufung selbst gerügt hat). Da kein Hinweis darauf besteht, dass sich solche Feststellungen nicht treffen lassen werden, muss im jetzigen Verfahrensstadium nicht untersucht werden, wie dann die Rechtslage wäre.

Auch dieses Rechtsmittel war somit wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

3. Zur außerordentlichen Revision des Erstklägers:

Da der Rechtsfreund des Erstklägers nicht in der Lage ist, den Spruchpunkt II der Berufungsentscheidung nachzuvollziehen, wird bemerkt, dass dieser aus einem bestätigenden Teil (a) und einem aufhebenden Teil (b) besteht. Beim ersten Teil handelt es sich um ein Urteil, beim zweiten Teil um einen Beschluss. Die ordentliche Revision gegen den bestätigenden Teil (Urteil) wurde vom Berufungsgericht für nicht zulässig erklärt, hingegen wurde der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den aufhebenden Teil (Beschluss) zugelassen.

Im Übrigen bedarf die Zurückweisung einer außerordentlichen Revision keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die im Rechtsmittel zitierte ältere Rechtsprechung ist durch die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen überholt (vgl nur die Darstellung der Entwicklung der Judikatur sowie die Rechtsausführungen zu Dissens, Irrtum und Einwendungsdurchgriff in der schon mehrfach zitierten Entscheidung 1 Ob 540/95 = SZ 68/77).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Parteien haben in ihren Rekursbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rekurses nicht hingewiesen.

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