OGH 2Ob189/75

OGH2Ob189/759.10.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Thoma, Dr. Scheiderbauer und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Salzburg, Dr.-Franz-Rehrl-Platz 5, vertreten durch Dr. Harald Erich Hummel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei H* F*, Steuerberater, *, vertreten durch Dr. Alois Fuchs, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Aufwandersatzes und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6. Mai 1975, GZ. 1 R 112/75‑45, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Jänner 1975, GZ. 1 Cg 405/72‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00189.75.1009.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat dem Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens von 2.669,– S (davon 125,– S Umsatzsteuer und 600,– S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte erbaute in den Jahren 1968/69 in H* ein Wohnhaus. Er ließ die Bauarbeiten durch den Baumeister A* K* ausführen, der für die Außenverputzarbeiten ein Metallgerüst erstellte; dieses sollte nach den Verputzarbeiten auch noch für die Zimmermanns-und Malerarbeiten Verwendung finden. Nach Durchführung der Zimmermannsarbeiten benutzte der Malermeister Al* Kn* dieses Gerüst. Am 25. 8. 1969 stürzte das Gerüst um, wobei der bei der Klägerin unfallversicherte Al* Kn* schwer verletzt wurde.

Die Klägerin begehrte die Bezahlung von 22.717,33 S samt Anhang und die Feststellung, daß ihr der Beklagte alle künftigen Pflichtleistungen zu ersetzen habe, insoweit dieselben in den Schadenersatzansprüchen Deckung fänden, die Al* Kn* bei einer Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten des Beklagten selbst geltend machen könnte.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung.

Beide Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Streitgegenstand 50.000 S übersteige.

Die Klägerin erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Der Beklagte hatte den Bauingenieur Alf* H* mit der Planung und Bauausschreibung beauftragt; dieser erstellte die Pläne und machte die Bauausschreibung, hatte jedoch nicht die Bauaufsicht oder Bauleitung inne. Die einzelnen Aufträge an die verschiedenen Handwerker wurden vom Beklagten persönlich erteilt. Der Auftrag zur Durchführung der Baumeisterarbeiten wurde vom Beklagten dem Baumeister A* K* erteilt. Grundlage dieses Auftrages war das Leistungsverzeichnis vom 1. 3. 1968. Auf Grund desselben hatte K* im Zusammenhang mit den Verputzarbeiten der Fassade „ein vorschriftsmäßiges Putzgerüst" aufzustellen und abzutragen, welches bis zum Abschluß der Malerarbeiten verbleiben sollte. K* nahm diesen Auftrag auf Grund dieses Leistungsverzeichnisses und der „allgemeinen Vorbemerkungen und Bedingungen", die im wesentlichen auf die allgemeinen Ö-Normen aufbauen, an, führte die Baumeisterarbeiten vereinbarungsgemäß durch und führte auch die Bauaufsicht über seine Leute. Zu einer allgemeinen Bauaufsicht oder Bauleitung war K* nicht beauftragt. Diese wurde vom Beklagten selbst durchgeführt, wobei ihm Ing. H* beratend zur Seite stand. Im Zuge der Bauarbeiten und vor Beginn der Fassadenverputzarbeiten erstellte K* ein etwa 70 cm breites Stahlrohrgerüst rund um die Außenfront des Hauses. Das Gerüst wurde ordnungsgemäß und vorschriftsmäßig erstellt und mit dicken Stahldrähten mit Hilfe von Mauerhaken in der Hausmauer verankert. Nach Beendigung des Fassadenverputzes begannen die Zimmerleute des Zimmermeisters R* H*, A* S* und J* M*, mit ihren Arbeiten. Diese sollten eine Wandverschalung, eine Unterdachverschalung sowie eine Verschalung der Traufenrinne anbringen. Dabei benutzten sie ebenfalls dieses Gerüst. Für die Anbringung der Traufenschalung stand das Gerüst zu nahe an der Hauswand. Die Zimmerleute rückten daher das gesamte Gerüst an der Westseite des Hauses um etwa 1,50 m von der Mauer weg. Sie zwickten die Drahtverbindungen und Befestigungen des Gerüstes zur und an der Hausmauer ab, brachten die Traufenverschalung an und wollten nach Beendigung dieser Arbeiten das Gerüst gänzlich abtragen. Als sie von einem Arbeiter K*s erfuhren, daß das Gerüst für die Malerarbeiten noch stehenbleiben solle, ließen sie es, so wie es war, stehen und verließen die Baustelle. Davon wußten die Arbeiter K*s M* H* und P* V*. Baumeister K* hatte das Gerüst während der Zimmermannsarbeiten laufend kontrolliert, nicht jedoch nach Beendigung derselben. Am 25. 8. 1969 früh begann der Malermeister Kn* mit seinem Gehilfen J* W* mit dem Außenanstrich des Hauses. Al* Kn* hatte die Malerarbeiten vom Beklagten direkt auf Grund einer Ausschreibung übernommen. Grundlagen dieser Ausschreibung waren die allgemeinen Vertragsbedingungen im Sinne der Ö-Normen, die einschlägigen Normen und ein vorliegendes Leistungsverzeichnis. In den Punkten 8 und 9 dieses Leistungsverzeichnisses ist die Vereinbarung enthalten, daß für den Außenanstrich „ein Gerüst bauseits beigestellt wird“. Anläßlich der Auftragserteilung am 11. 8. 1969 erklärte der Beklagte dem Malermeister Kn*, dieser müsse sich darum kümmern, daß das beigestellte Gerüst in Ordnung sei.

Als Kn* am 25. 8. 1969 mit dem Außenanstrich beginnen wollte, wurde vom Arbeiter des Baumeisters K*, P* V*, mit den Worten, „Passen’s auf, das Gerüst ist nicht mehr in Ordnung“, auf den Zustand des Gerüstes aufmerksam gemacht. Auch vom Polier K*s, H* W*, wurde Kn* darauf hingewiesen, daß das Gerüst nicht verankert sei, Kn* erwiderte, daß er sich nichts vorschreiben lasse, er sei schon öfter auf so ein Gerüst gestiegen. Trotz dieser Warnungen und, obwohl für jedermann erkennbar war, daß das Gerüst 1,50 m von der Mauer entfernt stand und nicht an dieser befestigt war, bestiegen Kn* und sein Gehilfe das Gerüst und begannen zu arbeiten. Während dieser Arbeiten stellten sowohl P* V* als auch J* W*, der Gehilfe Kn*s, fest, daß das Gerüst etwa 2 cm hin- und herschwankte. Die beiden Maler wurden auch diesbezüglich von P* V* gewarnt. Sie arbeiteten trotzdem auf dem Gerüst weiter, ohne daß Kn* dieses auf Mängel überprüfte oder die Warnungen beachtete. Um etwa 15 Uhr, als Kn* unter Zuhilfenahme einer Staffelei auf dem 6 m hohen Gerüst arbeitete und W* neben ihm stand, neigte sich plötzlich das Gerüst nach außen und stürzte um, wobei sowohl Kn* als auch W* verletzt wurden.

Al* Kn* wurde wegen dieses Unfalls vom Strafgericht verurteilt.

Baumeister K* hatte von der Loslösung des Gerüstes von der Hausmauer durch die Zimmerleute nie etwas erfahren; er erlangte hievon erst im Zuge seiner gerichtlichen Vernehmung Kenntnis. Die Baumeisterarbeiten waren am 6. oder 7. 9. 1969 beendet. Im Unfallszeitpunkt war der Beklagte, der von der Loslösung des Gerüstes durch die Zimmerleute nichts wußte, nicht anwesend. Mit Rechnung vom 31. 12. 1969 stellte Kn* seine Malerarbeiten dem Beklagten in Rechnung, der sie auch bezahlte. Die Kosten für die Errichtung eines Gerüstes wurden von K* verrechnet. Bis zur Beendigung der Malerarbeiten befand sich eine Tafel der Baufirma K* an der Baustelle.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß Al* Kn* gegenüber dem Beklagten keine Schadenersatzansprüche zustünden, so daß für die Leistungen der Klägerin kein Deckungsfonds vorhanden sei. Zwischen dem Beklagten und Kn* habe ein Werkvertragsverhältnis bestanden, in dessen Rahmen sich der Beklagte zur Beistellung eines ordnungsgemäßen Gerüstes verpflichtet habe. Hiezu habe sich der Beklagte des Baumeisters K* bedient, der ebenfalls im Rahmen eines Werkvertrages mit dem Beklagten die Bauarbeiten zu verrichten und das Gerüst aufzustellen hatte. K* sei daher Erfüllungsgehilfe des Beklagten bezüglich der Aufstellung und ordnungsgemäßen Beschaffenheit des Gerüstes gewesen. Weder der Beklagte noch sein Erfüllungsgehilfe hätten die ihnen obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Das Alleinverschulden treffe Al* Kn*, der sich entgegen § 32 Abs 1 zweiter Satz der Bauarbeiterschutzverordnung vor Beginn der Arbeiten nicht von der Betriebssicherheit des Gerüstes überzeugt habe, vielmehr alle Warnungen in den Wind geschlagen habe, K* habe mit der Veränderung des Gerüstes durch die Zimmerleute nicht rechnen müssen. Es fehle daher an der Vorhersehbarkeit, aber auch am Kausalzusammenhang zwischen der Verpflichtung des Beklagten und seines Erfüllungsgehilfen auf Beistellung eines ordentlichen Gerüstes und dem eingetretenen Schaden.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Die Revisionswerberin macht geltend, die Untergerichte hätten übersehen, daß die Beistellung des nicht ordnungsgemäß verankerten Gerüstes der von K* übernommenen vertraglichen Verpflichtungen widersprochen habe. Daß Al* Kn* die Warnungen in den Wind schlug, begründe zwar ein Verschulden seinerseits, vermöge aber nicht die vertragswidrige Handlungsweise K*s zu kompensieren oder gar aufzuheben. K* hätte in Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht das von ihm zur Verfügung gestellte Gerüst in bestimmten Zeitabständen kontrollieren und jeweils absichern lassen müssen.

Entscheidend ist jedoch, wie die Untergerichte zutreffend ausgeführt haben, daß der Malermeister Al* Kn* vor der Benützung des Gerüstes durch Leute des Baumeisters K* auf die mangelhafte Beschaffenheit des Gerüstes aufmerksam gemacht wurde, aber dennoch das Gerüst mit seinem Gehilfen bestieg, obwohl überdies der Beklagte anläßlich der Auftragserteilung gesagt hatte, Kn* müsse sich darum kümmern, daß das beigestellte Gerüst in Ordnung sei. Die Fürsorgepflicht des Werkbestellers und seiner Erfüllungsgehilfen kann sich nicht darauf erstrecken, daß der fachkundige Unternehmer (sogar noch trotz Warnung) sich in eine offensichtliche Gefahr begibt, anstatt dieselbe zu beheben oder ihre Beseitigung zu veranlassen (vgl. JBl 1966, 206).

Die Untergerichte haben daher das Klagebegehren mit Recht abgewiesen, weil Kn* selbst gegen den Beklagten keinen Schadenersatzanspruch erheben könnte und daher ein solcher auch nicht im Wege des § 332 ASVG auf die Klägerin übergegangen sein konnte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 4150 ZPO.

 

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