OGH 2Ob178/97h

OGH2Ob178/97h26.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Aufgebotssache der Antragsteller 1.) Margit S*****, und 2.) Erna S*****, beide vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Kraftloserklärung zweier Sparbücher, infolge deren Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 8.April 1997, GZ 3 R 26/97s-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. Jänner 1997, GZ 49 T 1990/96g-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erstantragstellerin ist eine Tochter, die Zweitantragstellerin die Witwe nach dem am 18.3.1996 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Mag.Albert S*****. Sie haben zu dem Nachlaß bedingte Erbserklärungen abgegeben. Der Verstorbene lebte zuletzt in Lebensgemeinschaft mit der aus Italien stammenden Graziella G*****.

Die erbserklärten Erbinnen beantragen die Kraftloserklärung zweier Sparbücher mit der Begründung, Graziella G***** habe sich diese kurz vor dem Tod des Erblassers widerrechtlich aus dessen Vermögen zugeeignet und habe in der Folge - mangels Kenntnis der Losungsworte erfolglos - eine Behebung der Sparguthaben versucht. Sie sei dann unter Mitnahme der Sparbücher nach Italien zurückgekehrt, wo sie unbekannten Aufenthaltes sei. Die Sparbücher seien ein Teil des Nachlasses, welcher ohne Kraftloserklärung keinen Zugriff auf die Sparguthaben erlangen könne.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, es sei den Antragstellerinnen nach ihrem eigenen Vorbringen der Verbleib der Sparbücher bekannt, der behauptete Herausgabeanspruch könne im Wege einer Klage verfolgt werden.

Das von den Antragstellerinnen angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000,-- S und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht verwies auf § 1 Abs 2 KEG, wonach abhanden gekommene Urkunden für kraftlos erklärt werden können. Der Ausdruck "Abhandenkommen" umfasse sowohl den Verlust einer Sache im Sinne einer zufälligen Beendigung ihres Besitzes, als auch ein Verlegen durch den Besitzer im Verständnis eines Vergessens des Verbleibens der Sache und schließlich auch eine Wegnahme der Sache durch einen Dritten. Wenn dieser Dritte und dessen Aufenthalt bekannt seien, könne der Eigentümer gegen ihn mit Klage vorgehen, um die abhanden gekommene Urkunde wieder zu erlangen. In einem solchen Falle bedürfe es keiner Kraftloserklärung, weil der Berechtigte im Wege der Klage weiterhin Zugriff auf die Urkunde habe. Wenn jedoch die Person des Dritten, welcher die Urkunde ohne oder gegen den Willen des Berechtigten entwendet habe und/oder der Aufenthalt des Dritten nicht bekannt seien oder eine Rechtsverfolgung im Ausland gegen ihn nicht möglich oder unzumutbar wäre, könne eine erfolgversprechende Klagsführung nicht unterstellt werden, weshalb in einem solchen Fall die entwendete Urkunde als abhanden gekommen zu beurteilen wäre.

Im vorliegenden Fall hätten die Antragstellerinnen selbst behauptet, daß die beiden Sparbücher im Besitz von Graziella G***** seien. Wenngleich sie auch behauptet hätten, ihnen sei der Aufenthalt der Graziella G***** nicht bekannt, hätten sie diese Behauptung nicht bescheinigt, sondern sei vielmehr durch einen dem Rekursgericht vorliegenden Strafakt erwiesen, daß den Antragstellerinnen der Aufenthalt von Graziella G***** in Italien bekannt sei. Sie hätten unter Bekanntgabe der Entwendung der Sparbücher dem öffentlichen Ankläger auch die genaue Anschrift von Graziella G***** mitgeteilt. Eine Klagsführung gegen Graziella G***** in Italien möge zwar für die Antragstellerinnen beschwerlich sein, es könne aber nicht davon ausgegangen werden, daß eine Herausgabeklage nicht möglich oder unzumutbar sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein widerrechtlich entwendetes, von einer inländischen Bank ausgestelltes Sparbuch auch dann als abhanden gekommen anzusehen sei, wenn sowohl die Person des Täters als auch dessen Aufenthalt bekannt seien und eine - wenn auch im Ausland erforderliche - Klagsführung möglich und zumutbar sei, fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß ihrem Antrag auf Kraftloserklärung vollinhaltlich stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Antragstellerinnen machen in ihrem Rechtsmittel geltend, daß gegen Graziella G***** in Österreich ein Strafverfahren behänge. Einer Herausgabeklage könne sich die Täterin erfolgreich zur Wehr setzen, indem sie behaupte, sie hätte die Sparbücher vernichtet. Weiters sei zum Zeitpunkt der Sachverhaltsermittlung an die Staatsanwaltschaft den Antragstellerinnen eine Adresse der Täterin bekannt gewesen, es sei ihnen jedoch nicht bekannt gewesen, ob sich die Täterin dort tatsächlich aufhalte und ihr dorthin eine Klage zugestellt werden könne. Selbst wenn in Italien ein Titel gegen Graziella G***** auf Herausgabe der Sparbücher erwirkt werden könne, so müsse die Herausgabe exekutionsrechtlich durchgesetzt werden, was bedeuten könne, daß es sich über Jahr ziehen könne, bis die Antragstellerinnen in den Besitz der Sparbücher kommen. Gehe man davon aus, daß für die Antragstellerinnen eine theoretische Möglichkeit bestehe, in den Besitz der Sparbücher zu kommen, so sei die Wahrscheinlichkeit und Chance ebenso gering zu bewerten wie die theoretische Möglichkeit, ein verlorenes Sparbuch irgendwann wiederzufinden. Gerade um solche ewigen Prozesse bzw "Wartereien" hintanzuhalten, sei das Kraftloserklärungsgesetz geschaffen worden. Im übrigen bestünden gegenüber niemandem, schon gar nicht gegenüber der "Diebin", schutzwürdige Interessen, die einer Kraftloserklärung entgegenstehen würden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Voraussetzung für die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens nach dem Kraftloserklärungsgesetz 1951 ist, daß die kraftlos zu erklärende Urkunde dem Antragsteller abhanden kam (§ 1 Abs 1 KEG). Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 KEG hat der Antragsteller den Verlust der Urkunde sowie die Tatsachen glaubhaft zu machen, von denen seine Berechtigung zur Antragstellung abhängt. Abhanden gekommen ist eine Urkunde nur dann, wenn sie unauffindbar ist und ihr gegenwärtiger Inhaber oder Besitzer nicht bekannt oder nicht erreichbar ist (1 Ob 826/82 mwN; Zedtwitz, Kraftloserklärung von Urkunden 13). Weiß der Berechtigte, wer die Urkunde hat, so muß er auf Herausgabe klagen, eine Kraftloserklärung ist unzulässig. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Herausgabeanspruch nicht durchsetzbar ist; in einem solchen Fall ist Abhandenkommen trotz Kenntnis des Verbleibs anzunehmen (Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz19 Rz 1 zu Art 90 WG).

Im vorliegenden Fall konnten die Antragstellerinnen weder bescheinigen, daß ihnen die Person, die die Sparbücher besitzt, unbekannt sei, noch, daß der Anspruch gegen diese nicht durchsetzbar sei. Die bloße Möglichkeit, daß die Besitzerin der Sparbücher die Behauptung aufstellt, diese vernichtet zu haben, reicht nicht aus, um das Abhandenkommen als bescheinigt anzusehen. Konkrete Umstände, aus denen abzuleiten wäre, daß ein Herausgabeanspruch in Italien nicht durchgesetzt werden könnte, wurden weder behauptet noch bescheinigt.

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 KEG nicht gegeben, weshalb dem Revisionsrekurs der Antragstellerinnen keine Folge zu geben war.

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