OGH 2Ob17/02t

OGH2Ob17/02t13.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 10. Jänner 1993 geborenen mj. Victoria P*****, vertreten durch Dr. Ernst Pammer, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. November 2001, GZ 45 R 665/01d-23, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Oktober 2001, GZ 1 P 121/01d-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss ersatzlos aufgehoben wird.

Text

Begründung

Das Erstgericht bestellte einen Sachverständigen und beauftragte diesen, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob die Anlegung des von der Minderjährigen geerbten Vermögens in “S***** Miteigentumsfonds in Wertpapieren" den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung im Sinne des § 230e ABGB entspricht.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Minderjährigen nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs - mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG - nicht zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Die Argumentation, die gegenständlichen Anteile wären Sache und nicht Geld, weshalb die §§ 230 ff ABGB nicht, sondern Vorschriften über die Vermögensverwaltung, anwendbar wären, sei nicht zielführend. Diese Anteile stellten eine bereits erfolgte Veranlagung von Geld dar. Selbst wenn man daher von den Grundsätzen der Vermögensverwaltung ausgehe, sei für die Rekurswerberin nichts gewonnen. § 149 Abs 1 ABGB normiere diesbezüglich, dass Eltern das Vermögen eines mj. Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten hätten. Geld - die hier gegenständlichen Anteile stellten eine Geldanlage dar - sei nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld anzulegen. Danach kämen wieder die Vorschriften der §§ 230 ff ABGB zur Anhörung. Dazu schreibe § 230a (gemeint: § 230e) ABGB die Anhörung eines Sachverständigen für das Börsen- und Bankwesen vor. Dem entspreche der angefochtene Beschluss.

Entgegen den Rekursausführungen habe es für das Gericht keinesfalls unzweifelhaft sein müssen, dass die vorliegende Vorschrift (gemeint wohl: Veranlagung) "den Grundsätzen einer ordentlichen Vermögensverwaltung entspricht ...". Wenn daher das Erstgericht zur Klärung dieser Frage ein Sachverständigengutachten für erforderlich erachtet habe, bestünden auch unter diesem Aspekt gegen den angefochtenen Beschluss keine Bedenken.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der erstgerichtliche Beschluss ersatzlos aufgehoben werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, die §§ 230 bis 230e ABGB seien hier nicht anwendbar, weil ihr nicht Geld, sondern Wertpapiere vermacht worden seien; selbst wenn § 230e ABGB anwendbar wäre, könne nicht zweifelhaft sein (und wäre also kein Sachverständigenbeweis erforderlich), dass seine Veranlagung in Form dieser Anteile den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche; das Pflegschaftsgericht sei nicht berechtigt, eine schon bestehende Veranlagung in diesen Wertpapieren zu verbieten und den Verkauf solcher Wertpapiere anzuordnen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Der erkennende Senat hat schon mehrfach ausgesprochen, dass zwar auch im außerstreitigen Verfahren gegen die Auswahl des Sachverständigen kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig ist, wohl aber - das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG vorausgesetzt - dagegen, dass überhaupt ein Sachverständiger bestellt wurde (vgl 2 Ob 511/92, 2 Ob 544/92, 2 Ob 209/99w).

In der Sache selbst ist davon auszugehen, dass Gegenstand des Vermächtnisses zu Gunsten der Minderjährigen nicht Geld - worunter Bargeld und Buchgeld zu verstehen ist (vgl Koziol/Welser I11 485, II12 28; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 §§ 230 ff Rz 2; Schlemmer in Schwimann ABGB2 § 230 Rz 1 mwN) - war, sondern ein Bestand an Investmentzertifikaten. Die Vorschriften über die Anlegung von Geld eines Minderjährigen (§ 149 Abs 1 letzter Halbsatz, §§ 230 ff ABGB) sind daher nicht anzuwenden: Geld ist hier nicht anzulegen, sondern wurde schon vom Erblasser angelegt. Da es also nicht um eine - neue - Geldveranlagung durch den Erwerb von Investmentzertifikaten (vgl hiezu Stabentheiner aaO §§ 230 ff Rz 10; Schlemmer aaO § 230e Rz 4) geht, bedarf es auch der für einen solchen Fall vorgesehenen Anhörung eines Sachverständigen gemäß § 230e Abs 1 ABGB nicht, worauf der erstgerichtliche Beschluss aber abzielt. Dieser war daher ersatzlos aufzuheben.

Die Frage, ob im Vermögen eines mj. Kindes befindliche Investmentzertifikate behalten werden sollen, wäre im Lichte des § 149 Abs 1 Satz 1 und 2, erster Halbsatz ABGB zu prüfen. Danach haben die Eltern das Vermögen eines mj. Kindes mit der Sorgfalt ordentlicher Eltern zu verwalten; sie haben es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren. Hiebei sind die Eltern im Allgemeinen freier als der Vormund oder sonstige gesetzliche Vertreter; sie sind nur dann einer gerichtlichen Überwachung zu unterwerfen, wenn das Wohl des Minderjährigen gefährdet ist. Maßnahmen des Gerichtes kommen nur bei Gefährdung des Vermögens nach § 176 ABGB in Betracht (RIS-Justiz RS0008461; Stabentheiner aaO §§ 149, 150 Rz 1 mwN; Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 149 Rz 3 mwN). Hievon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein, in welchem das Vermögen des Kindes in Anteilen an einem österreichischen Investmentfonds besteht, der nach der derzeitigen Aktenlage (Beilage zu ON 3) im Wesentlichen auf Euro-Währungen lautende Anleihen (Schuldverschreibungen, Pfandbriefe) hält. Einer Sachverständigenbestellung bedarf es daher auch unter diesem Aspekt nicht.

Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben.

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