Spruch:
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird dem Rekurs der beklagten Partei Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.690,54 EUR (darin 1.115,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Urkundenvorlage der beklagten Partei vom 20. 9. 2012 und die Äußerung der klagenden Partei dazu werden zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die Tochter von Dr. Heinrich S*****, der Beklagte dessen Adoptivsohn.
Dr. Heinrich S***** war seinerseits von seinem Cousin Dr. Adolph S***** adoptiert worden. Dieser Kindesannahmevertrag vom 29. 3. 1940 wurde von einem nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch Deutschland im „Protektorat Böhmen und Mähren“ tätigen Notar verfasst. Diese Adoption war aus Sicht des heutigen tschechischen Rechts nur wirksam, wenn der Adoptionsvertrag von einem damals zuständigen Gericht bestätigt und die Bestätigung rechtskräftig wurde. Ob dies geschah, ist zwischen den Parteien strittig.
Das Vermögen des Dr. Adolph S***** wurde noch im Jahre 1940 durch die „Gestapo“ konfisziert und unter eine sogenannte Treuhandverwaltung gestellt. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in der damaligen Tschechoslowakischen Republik im Rahmen der Nationalisierung umfangreiche Konfiskationen und Enteignungen durchgeführt (Beneš‑Dekrete). Ob diese Maßnahmen auch das Vermögen des Dr. Adolph S***** erfassten, ist zwischen den Parteien ebenfalls strittig.
Unmittelbar auf dieses Vermögen bezog sich jedenfalls das tschechoslowakische Gesetz Nr 143/1947 vom 10. 7. 1947 (die „Lex S*****“), nach dessen § 1 Abs 1 „das in der Tschechoslowakei befindliche Eigentum am Vermögen der Primogeniturlinie der Familie S***** in F***** kraft Gesetzes in dem im Abs 2 bestimmten Umfang auf das Land Böhmen übertragen“ wird. Abs 2 normiert, dass unter Vermögen gemäß Abs 1 „der unbewegliche landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, teichwirtschaftliche, Industrie‑, Handels‑ und Gewerbebesitz zu verstehen ist, der grundbücherlich Josef *****, Johann, F***** und Dr. Adolph S***** zugeschrieben ist, inbegriffen alle Gebäude und Schlösser mit ihrer Einrichtung und allen Rechten und Verpflichtungen, ferner das tote und lebende Inventar mit allen Vorräten und schließlich alles Betriebskapital“ fällt. Besondere Verwaltungsakte zur Durchführung dieses Gesetzes waren nicht vorgesehen.
Dr. Adolph S***** verstarb im Februar 1950 in Italien. Er bestimmte Dr. Heinrich S***** zu seinem Universalerben.
Dr. Heinrich S***** wiederum nahm den Beklagten, der aus einer seit 1771 bestehenden Sekundogenitur des Hauses stammt, im Jahre 1960 an Kindesstatt an. Über seinen Nachlass verfügte er zuletzt mit Testament von November 1960 samt einem Nachtrag vom Juni 1965. Das Testament lautet auszugsweise wie folgt:
„A) Berufung des Universalerben:
1) Zu meinem Universalerben bestelle ich gemäss den Bestimmungen der Fideikommiss‑Errichtungsurkunde vom 22. Oktober 1703 meinen ältesten leiblichen ehelichen Sohn, und wenn dieser vor mir versterben sollte, dessen jeweils ältesten leiblichen ehelichen Sohn.
2) Falls ich ohne Hinterlassung der gemäß Ziffer 1) zunächst zur Universalerbfolge berufenen männlichen leiblichen Nachkommenschaft versterben sollte, berufe ich meinen Adoptivsohn …, geb. am … [= Beklagter] bzw im Falle seines Vorversterbens seinen ältesten ehelichen leiblichen Nachkommen im Mannesstamm als Universalerben [...]
[...] Insbesondere vermache ich hiemit meinem Universalerben meine Ansprüche gegen den tschechoslovakischen Staat auf Rückgabe oder volle Entschädigung des meinem Rechts‑ und Besitzvorgänger Dr. Adolph ***** S***** durch das tschechoslovakische Gesetz vom 10. Juli 1947 widerrechtlich confiscierten Vermögens und verhalte ihn dazu, diese Ansprüche ‑ sobald dies möglich sein wird ‑ im eigenen, wie auch insbesondere im Namen und im Interesse unserer Familie geltend zu machen und wenn irgend möglich, die Naturalrestitution dieses jahrhundertealten Familienbesitzes anzustreben.
Ausdrücklich vermache ich fernerhin meinem Universalerben alle Ansprüche, welche mir bzw meinem Rechts‑ und Besitzvorgänger Dr. Adolph ***** S***** aus dem Titel der heutigen oder erst zu erlassenden Wiedergutmachungs‑, Entschädigungs‑, Lastenausgleichs‑, Rückstellungs‑ und wie immer Namen habenden Gesetzgebung betreffend die Entschädigung der in den Jahren 1940 bis 1945 durch die Beschlagnahme und Kriegsereignisse und späterhin durch die Expropriation und Handlungen der Besatzungsmächte verursachten Schäden und Vermögensnachteile zustehen, insoweit ich nicht hierüber im Abschnitt C, Artikel I, dieses Testaments anderweitig verfüge. Für den Fall, als die Geltendmachung dieser oder einzelner dieser Ansprüche durch gesetzliche Bestimmungen auf einen bestimmten Erbenkreis eingeschränkt sein und mein Universalerbe diesem nicht angehören sollte, soll hinsichtlich jener Ansprüche, von deren Geltendmachung mein Universalerbe ausgeschlossen ist, die gesetzliche Erbfolge platz greifen. [...]
D) Letztwillige Anordnungen an Erben und Legatare:
Es ist mein Wunsch, dass mein Universalerbe, aber auch der etwa gemäss Abschnitt C, Ziffer 1) dieses Testamentes in den Besitz der 'Standesherrschaft S*****' gelangende Vermächtnisnehmer, die ihnen hinterlassene Vermögensmasse als Einheit und möglichst ungeschmälert für die Familie erhalten. Wenn ich auch von der Einsetzung fideikommissarischer Erben und Nacherben Abstand nehme, bitte ich sie dennoch, in ihren letztwilligen Verfügungen eine Zersplitterung des jahrhundertealten Besitzes zu vermeiden, die Bestimmungen der Fideikommiss‑Errichtungsurkunde vom 22. Oktober 1703 sinngemäss und auch auf das Allodgut anzuwenden und ihren Erben in ihren Testamenten die analoge Beachtung dieser Erbfolgeordnung nahezulegen, soferne dem nicht gesetzliche Bestimmungen zwingend entgegenstehen. [...]
E) Auslegung des Testamentes:
Sollte es zwischen den Angehörigen meiner Familie beziehungsweise zwischen meinem Erben und Vermächtnisnehmern zu Unstimmigkeiten über die richtige Auslegung meines letzten Willens kommen, ist es mein Wunsch und Auftrag, dass diese Unstimmigkeiten [...] derart bereinigt werden, wie es dem wohlverstandenen Interesse der Familie an der Erhaltung des Besitzes am besten entspricht. [...].“
Im Nachtrag vom Juni 1965 heißt es unter anderem:
„5) Im Abschnitt A (Berufung des Universalerben) dritter und vierter Absatz (Seiten 4 und 5) meines Testamentes vom 24. November 1960 habe ich meinem Universalerben auch meine Ansprüche auf Rückgabe oder Entschädigung des meinem Rechts‑ und Besitzvorgänger konfiszierten, in der Tschechoslowakei gelegenen Vermögens bzw die aus diesem Titel abzuleitenden Ansprüche nach Maßgabe der heutigen oder erst zu erlassenden Wiedergutmachungs‑, Entschädigungs‑, Lastenausgleichs‑, Rückstellungsgesetze hinterlassen.
Von der allenfalls wie immer Namen habenden, aus dem Titel der Entschädigung für die in der Tschechoslowakei erlittenen Vermögensverluste zuerkannten Abgeltung bzw Naturalrestitution gebührt meiner leiblichen Tochter E***** [= Klägerin] beziehungsweise ihren Rechtsnachfolgern ein ihrem Vermächtnis zum Nachlass entsprechender Anteil (das sind 25 %), der jedoch nur nach Maßgabe der tatsächlichen empfangenen Entschädigung auszubezahlen, oder im Falle der Naturalrestitution ins Eigentum meiner Tochter zu übertragen oder aber in Geld abzulösen ist.“
Dr. Heinrich S***** starb im Juli 1965. Der Nachlass wurde im Juli 1967 dem Beklagten aufgrund des Testaments eingeantwortet. Die damals noch minderjährige Klägerin erklärte, vertreten durch einen Vormund, auf alle Erbrechts‑ und Erbschaftsansprüche zu verzichten, mit Ausnahme der ihr vermachten Anteile an einer „allfälligen, aus dem Titel der Konfiskation der in der tschechischen Republik gelegenen Vermögenswerte zuerkannten Abgeltung oder Ersatzleistung“ wobei der Testamenterfüllungsausweis gleichzeitig festhält, dass „bisher weder eine Rückstellung dieses Vermögens (oder von Teilen davon) erfolgt noch eine Entschädigung ausbezahlt“ worden sei.
In den Jahren 1991 und 1992 traten in der Tschechoslowakei mehrere Restitutionsgesetze in Kraft. Sie erfassen unter gewissen Voraussetzungen auch Enteignungen aufgrund der Beneš‑Dekrete. Eine Rückgabe des mit der Lex S***** entzogenen Vermögens ist darin nicht vorgesehen und nach dem zeitlichen Anwendungsbereich (Vermögensübernahmen in der Zeit von der Machtübernahme durch die kommunistische Partei bis zur Wiederherstellung der demokratischen Staatsordnung: 25. 2. 1948 bis 1. Jänner 1990) ausgeschlossen. Beide Parteien können darüber hinaus ‑ soweit es dafür auf die gesetzliche Erbfolge ankommt ‑ nur dann Ansprüche geltend machen, wenn die Adoption von Dr. Heinrich S***** durch Dr. Adolph S***** nach tschechischem Recht wirksam ist.
Der Beklagte war bei Inkrafttreten der Restitutionsgesetze tschechischer Staatskanzler. Bei einem Gespräch im März 1992 vertrat er gegenüber der Klägerin und deren Ehemann den Standpunkt, dass eine Antragstellung nach den Restitutionsgesetzen aussichtslos sei, weil diese die strittigen Liegenschaften nicht erfassten. Solange er Staatskanzler sei, wolle er keine Schritte zur Restitution setzen. Im Dezember 1992 erklärte er nochmals, dass er auf Grundlage der Restitutionsgesetze keine Anträge einbringen werde.
Die Klägerin stellte seit 1993 mehrere Restitutionsanträge, die mit einer Ausnahme erfolglos blieben. Am 7. 3. 2009 entschied der Verfassungsgerichtshof der Tschechischen Republik zu Gunsten der Restitution eines Teils des Vermögens der Erben des Dr. Adolph S*****. Das Verfassungsgericht betrachtete die Gruft (Grabgelege) der Familie S***** in D***** ihrer Natur nach als ausgesprochen persönliche oder familiäre Angelegenheit. (...) Sie sei ein Ort, auf den sich der Schutz der Pietät beziehe, die (...) Teil des Rechts auf Familienleben der (Klägerin) sei. Das Verfassungsgericht war deshalb der Auffassung, dass der Charakter dieses Baues es nicht ermöglicht, es „in die Kategorie des Vermögens nach § 1 Abs 2 Ges Nr 143/1947“ einzuschließen, welches „gemäß § 1 Abs 1 leg cit dem Übergang auf das Land Böhmen unterlag“.
Die Klägerin begehrt zuletzt folgendes Urteil:
„1. Die Klägerin ist Alleinerbin der Ansprüche auf das Dr. Adolph S***** in der Tschechoslowakischen Republik entzogene Vermögen laut letztwilliger Verfügung vom 24. 11. 1960 ihres am 18. 6. 1965 verstorbenen Vaters, Dr. Heinrich S*****.
In eventu:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin … als Erbin nach dem am 18. 6. 1965 verstorbenen Dr. Heinrich S***** und aufgrund des Testaments vom 24. 11. 1960 samt Nachtrag vom 4. 6. 1965 allein berechtigt war und ist, die Ansprüche gemäß Punkt A, Seiten 4 und 5, Testament 24. 11. 1960, auf Rückgabe oder Entschädigung im Gebiet der Tschechischen Republik entzogenen Vermögens geltend zu machen und Entschädigungen in Empfang zu nehmen, sowie Sachen, Liegenschaften und andere Vermögenswerte in ihr Eigentum zu übernehmen.
2. Der Beklagte ist schuldig, alle zur Verfolgung und Durchsetzung von Rückgabe‑, Restitutions‑ und Entschädigungsansprüchen gegenüber der Tschechischen Republik und zur Erlangung des Eigentums am Nachlassvermögen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik aus den Verlassenschaften nach Dr. Heinrich S***** und Dr. Adolph S***** von der Klägerin und ihren Rechtsnachfolgern gerichtlich und außergerichtlich gesetzten Handlungen und Erklärungen ebenso wie deren Verfügungen über solche Ansprüche und erlangtes Vermögen zu dulden und jegliche entgegenstehende Handlung und Erklärung zu unterlassen.
In eventu:
Der Beklagte ist schuldig, die in Z 1 dieses Urteilsbegehrens umschriebenen Forderungen und Ansprüche an die Klägerin auch mit Rückwirkung für gestellte Anträge der Klägerin gegenüber der Tschechischen Republik abzutreten.
3. Der Beklagte ist schuldig einzuwilligen, dass ob der ihm als Eigentümer zugeschriebenen Liegenschaft EZ (...) das Eigentumsrecht für die Klägerin (...) als Erbin nach Dr. Heinrich S***** einverleibt wird.“
Der von ihr gestellte Zwischenantrag auf Feststellung, sie sei eine Alleinerbin nach Dr. Heinrich S*****, wurde rechtskräftig zurückgewiesen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das Eigentum am Vermögen des Dr. Adolph S***** schon durch die Beneš‑Dekrete auf den Staat übergegangen sei, sodass die Lex S***** keine (neuerliche) Enteignung bewirkt habe. Aus diesem Grund falle das Vermögen unter die Restitutionsgesetze und könne zurückgefordert werden.
Der Beklagte habe den Nachlass nach § 709 ABGB verwirkt, weil er entgegen dem Auftrag des Erblassers weder selbst Restitutionsansprüche geltend gemacht, noch die Klägerin dabei unterstützt habe. Vielmehr habe er sie absichtlich behindert und treuwidrig um ihren Anteil an den tschechischen Gütern gebracht. Die Verwirkung betreffe nicht nur die tschechischen Güter sondern den Nachlass als Ganzes. Daher habe ihr der Beklagte auch eine zum Nachlass gehörende österreichische Liegenschaft zu übertragen.
Im Übrigen gehöre der Beklagte wegen der Unwirksamkeit seiner eigenen Adoption durch den Erblasser auch persönlich nicht zum Kreis der restitutionsberechtigten Personen. Schon deswegen sei der Anspruch nach den Bestimmungen des Testaments auf die Klägerin als weitere gesetzliche Erbin übergegangen.
Der Beklagte bestritt. Die Restitutionsgesetze seien nicht auf die strittigen Güter anwendbar, weil diese mit der Lex S***** enteignet worden seien, die wiederum von den Restitutionsgesetzen nicht erfasst werde. Schon aus diesem Grund habe er bisher keine Ansprüche geltend machen können. Im Übrigen scheiterten Restitutionsansprüche an der Unwirksamkeit der Adoption des Dr. Heinrich S***** durch Dr. Adolph S*****. Sollten sich die Gesetze ändern, werde der Beklagte Restitutionsansprüche einbringen. Auch habe er die Klägerin nie bei der Verfolgung solcher Ansprüche behindert oder sie falsch belehrt. Die Ansprüche der Klägerin seien überdies verjährt bzw habe die Klägerin auf die Verfolgung dieser Ansprüche verzichtet.
Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage ab, das Berufungsgericht bestätigte dies. Der 4. Senat des Obersten Gerichtshofs hob diese Entscheidungen mit Beschluss vom 12. 6. 2007 zu 2 Ob 258/05p auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Klärung der Erfolgsaussichten einer Anspruchsverfolgung in Tschechien in Bezug auf die Restitution und, sollte dies zu bejahen sein, zur Prüfung der Wirksamkeit der beiden Adoptionen zurück. Der testamentarische Auftrag des Dr. Heinrich S***** an seinen Universalerben, Ansprüche auf Rückgabe der hier strittigen Güter, sobald dies möglich sei, anzustreben, sei als Auflage zu deuten. Nach § 709 ABGB könne der Nachlass durch Nichterfüllung der Auflage verwirkt werden. Verwirkung setze Vorwerfbarkeit, somit schuldhafte Nichterfüllung voraus. Ein vorwerfbarer Verstoß gegen die Auflage liege nur vor, wenn der Beklagte bei Unterlassen der Anspruchsverfolgung den ihm zustehenden Ermessensspielraum, welche Maßnahmen sinnvoll zu setzen seien, überschritten habe. Eine solche Überschreitung sei nur dann anzunehmen, wenn das Erheben solcher Ansprüche eine realistische Erfolgsaussicht gehabt hätte. Nur in diesem Fall sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin aktiv zu unterstützen, wenn er selbst aus objektiven Gründen (wie etwa der Unwirksamkeit seiner Adoption) an der Anspruchsdurchsetzung gehindert oder subjektiv nicht dazu bereit gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab und stellte ergänzend fest:
Im Jahr 1945 wurden zwei Präsidialdekrete, Nr 5/1945 und Nr 12/1945, erlassen. Mit dem ersten wurde eine Nationalverwaltung eingeführt und eine Beschlagnahme bestimmter Vermögenswerte bewirkt. Das zweite Dekret konfiszierte Agrar‑ und weiteres Vermögen. Beide Dekrete stellten bei der Anwendbarkeit auf die Nationalität ab. Als deutscher Nationalität wurden Personen angesehen, die bei jeder Volkszählung seit dem Jahr 1929 die deutsche Nationalität angegeben hatten. Personen deutscher Nationalität waren von der Anwendung des Dekrets Nr 12/1945 ausgenommen, wenn sie sich in aktiver Weise an der Aufrechterhaltung der Kohärenz und an der Befreiung der Tschechischen Republik beteiligt hatten.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Dr. Adolph S***** bei Volkszählungen ab 1929 zur deutschen Nationalität bekannt hat oder dass er Mitglied deutscher Vereine, Organisationen oder politischer Parteien war. Am 5. 10. 1945 wurde seinem Rechtsanwalt aber dennoch eine Entscheidung des Nationalkomitees vom 4. 10. 1945 zugestellt, wonach er als deutscher Nationalität im Sinne des Dekrets Nr 12/1945 bezeichnet wurde. Über eine dagegen eingelegte Berufung wurde nie entschieden.
Ein Teil des Vermögens des Dr. Adolph S***** wurde aufgrund des Dekrets Nr 5/1945 unter Nationalverwaltung gestellt und das Agrarvermögen mit dem Dekret Nr 12/1945 konfisziert. Die Übertragung des Eigentums erfolgte mit dem Tag des Inkrafttreten des Dekrets am 23. 6. 1945.
Das Gesetz Nr 143/1947 (Lex S*****) ordnet ‑ wie dargelegt ‑ in seinem § 1 Abs 1 an, dass das Eigentum am Vermögen der Familie S*****, der F*****, das sich in der Tschechoslowakischen Republik befindet, kraft Gesetzes auf das Land Böhmen übergeht. Dieses Gesetz trat gemäß dessen § 8 mit der Veröffentlichung in der Sammlung der Gesetze am 13. 8. 1947 in Kraft. Die erforderlichen Eintragungen in die Grundbücher durch die zuständigen Landesämter erfolgten im Sommer 1948.
Die Tschechoslowakische Republik hat in den Jahren 1990 bis 1992 einige Restitutionsgesetze erlassen:
Die Gesetze Nr 87/1991 und Nr 229/1991 regeln die Restitution von Vermögen, das de iure oder de facto nach der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei auf den Staat übergegangen ist. Das Gesetz selbst legt dafür den Zeitraum vom 25. 2. 1948 bis zum 1. 1. 1990 fest. Vermögen, dass in dieser Zeit de facto oder de iure in den Staat übereignet wurde, kann nur nach diesen beiden besonderen Restitutionsgesetzen restitutiert werden.
Das weitere Gesetz Nr 243/1992 gibt einen Anspruch auf Restitution von Vermögen, das aufgrund einer unrichtigen Anwendung der Dekrete Nr 12/1945 und Nr 108/1945 konfisziert wurde. Gemäß seinem § 2 Abs 1 ist ein Staatsbürger der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, der sein Eigentum gemäß dem Dekret Nr 12/1945 über die Konfiszierung und die beschleunigte Verteilung von landwirtschaftlichen Eigentum der Deutschen, Ungarn als auch der Verräter und Feinde des tschechischen und slowakischen Volks oder des Dekrets Nr 108/1945 über die Konfiszierung von feindlichem Eigentum und über die Fonds der nationalen Erneuerung, der sich nicht „gegen den tschechoslowakischen Staat verschuldet“ hat und dessen Vermögen in dem durch eine besondere Vorschrift bestimmten Umfang auf den Staat übergegangen ist, berechtigte Person.
Die aktuelle tschechische Rechtsprechung lehnt eine Durchbrechung des Datums des 25. 2. 1948 als Beginn der entscheidenden Zeitperiode für die Anwendung der besonderen Restitutionsvorschriften ebenso ab wie die Anwendung von Eigentumsklagen auf Vermögen, welches vor dem 1. 1. 1990 auf den Staat übergegangen ist. Sie stimmt darin überein, dass die Konfiskation des s*****ischen Vermögens der F***** aufgrund der Lex S***** erfolgte und nicht aufgrund der Dekrete Nr 12/1945 und Nr 108/1945 und lehnt eine Beschäftigung mit der Frage der Übereinstimmung der Lex S***** mit der Verfassung der Tschechischen Republik aufgrund der Nichterfüllung von formalen Anforderungen ab.
Mit Urteil vom 7. 1. 2009 hob das tschechische Verfassungsgericht Entscheidungen der Zivilgerichte im Zusammenhang mit der Familiengruft der Familie S***** in D***** auf und verwies die Rechtssache zur Behandlung und Entscheidung an das zuständige Bezirksgericht zurück, wobei es bindend ausführte, dass sich die Lex S***** nicht auf das persönliche Eigentum der Familie S***** bezieht, zu dem auch die bezughabende Familiengruft zählt. Das tschechische Verfassungsgericht betont in dieser Entscheidung den spezifischen Charakter des betroffenen Vermögens (Familiengruft). Es sei nicht Zweck der Lex S*****, die Angehörigen der Familie S***** des rein persönlichen Vermögens zu berauben, welches von Bedeutung für die Angehörigen der Familie ist und nicht einer wirtschaftlichen Tätigkeit dient, wenn durch die Anwendung des Gesetzes das Recht auf Familienleben verletzt würde. Die Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts wurde zwischenzeitig durch das Urteil eines Bezirksgerichts vom 24. 2. 2009 umgesetzt.
Im Bezug auf die Frage der Wirksamkeit der Adoption im Jahr 1940 stellte das Erstgericht fest, dass ein solcher Adoptionsvertrag nach tschechischem Recht gültig ist, wenn er „nach deutschem Reichsrecht in der im Protektorat im Jahre 1940 geltenden Ausformung rechtskräftig bestätigt“ wurde. Auf einen solchen 1940 im Protektorat Böhmen und Mähren vor einem dort tätigen deutschen Notar zwischen Reichsbürgern deutscher Volkszugehörigkeit geschlossenen Adoptionsvertrag waren die einschlägigen reichsdeutschen Bestimmungen anzuwenden. In diesen war das Rechtsinstitut der Adoption gemäß §§ 1741 ff BGB nach dem sogenannten „Vertragsprinzip“ geregelt. Für die rechtskräftige Annahme an Kindesstatt war Voraussetzung, dass der Adoptionsvertrag vor einem Notar oder einem Gericht geschlossen und durch ein Gericht bestätigt wurde.
Mit Notariatsakt eines solchen Notars wurde der Kindesannahmevertrag vom 29. 3. 1940 zwischen Dr. Heinrich S***** und Dr. Adolph S***** beurkundet. Dieser Adoptionsvertrag wurde von Dr. Heinrich S***** und zwei im Vollmachtsnamen des Dr. Adolph S***** und Frau Hilde S***** tätigen Personen unterfertigt. Die bezughabenden Zustimmungserklärungen und die Vollmachten von Hilde und Dr. Adolph S***** wurden am 15. 3. 1940 in Bordigherra/San Remo ausgestellt. Die Unterschriften sind jeweils durch das deutsche Konsulat in San Remo beglaubigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Budweis vom 8. 4. 1940 wurde der Adoptionsvertrag wegen einer Reihe von Gebrechen zur Ergänzung zurückgestellt. Der zuständige Richter setzte am 29. 4. 1940 in der Registerkarte mit Bleistift den Vermerk „am 29. 4. 1940 an den Reichsprotektor Prag gesendet“.
Das Amtsgericht Bamberg hat dazu 2003 rechtskräftig entschieden, dass die „vorliegende Adoption des Dr. Heinrich S***** durch Dr. Adolph S***** im Jahre 1943“ nicht rechtswirksam zustande kam.
Nachdem die Klägerin am 2. 1. 1993 die tschechische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, machte sie selbst Ansprüche betreffend sämtliche enteigneten Liegenschaften bei den zuständigen Bodenämtern geltend. Diese Antragstellungen wurden vom Beklagten nicht behindert.
Mit Ausnahme der Entscheidung betreffend die Familiengruft wurden sämtliche anderen Anträge der Klägerin negativ entschieden.
Das Berufungsgericht gab im zweiten Rechtsgang der Berufung der Klägerin Folge und hob die Entscheidung des Erstgerichts auf. Der Beklagte habe keine realistische Chancen, das durch die Lex S***** konfiszierte Vermögen restituiert zu erhalten, versäumt; es sei daher kein vorwerfbarer Verstoß gegen die Auflage des Testaments des Dr. Heinrich S***** zu erkennen. In diesem Umfang lägen erledigte Streitpunkte vor, die im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden könnten.
Dagegen sei noch nicht ausreichend geprüft, ob nicht doch Vermögen bestehe, das nicht nach der Lex S***** konfisziert wurde und nach den Restitutionsgesetzen Tschechiens allenfalls zurückverlangt werden könne. Die Klägerin gehe mit gutem Grund davon aus, dass der Erblasser nicht zwischen den durch die Lex S***** konfiszierten Vermögenswerten und anderen Vermögenswerten differenziert habe. Dr. Adolph S***** habe in seinem Testament die Rechtmäßigkeit der vom tschechoslowakischen Parlament beschlossenen Enteignung seines ganzen in der Tschechoslowakei gelegenen Vermögens ohne Entschädigung zu Gunsten des Landes Böhmen als allen Grundsätzen von Recht und Moral widersprechend entschieden bestritten und auch von seinem Universalerben erwartet, seinen Kampf um das Recht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bis zum Erfolg fortzusetzen. Es sei daher mit den Parteien zu erörtern, ob von der Lex S***** einst nicht konfisziertes Vermögen bestehe und ob der Beklagte für das Erheben solcher Ansprüche eine realistische Erfolgsaussicht gehabt habe. Insoweit gewinne der Hinweis der Klägerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik vom Jänner 2009 Gewicht, wo ein erstes Urteil zu Gunsten der Restitution eines Teils des Vermögens nach Dr. Adolph S***** ergangen sei. Es sei zu erörtern, ob diese Entscheidung einen Weg der Restitution weiterer Vermögenswerte der Primogenitur der Familie S***** aus der F***** in Bezug auf Vermögen, das seiner Natur nach als persönliche oder familiäre Angelegenheit zu werten und Teil des Rechts auf Familienleben sei, eröffne. Auch sei zu erörtern, ob der Beklagte insofern vorwerfbar handle, dass er sich nicht näher um eine Überprüfung dahin bemüht habe, ob einzelne Vermögenswerte überhaupt der Lex S***** unterfielen.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Parteien unterschiedliche Ansichten über die Bindung an die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu den vom Berufungsgericht als erörterungsbedürftig erkannten Sachverhalten vertreten und die aufgetragene Verfahrensergänzung, interpretiere man die Bindung so wie der Beklagte in seiner Berufungsbeantwortung, unnötig sei.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse beider Streitteile. Die Klägerin beantragt die Abänderung der Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, in eventu die Bestätigung des Beschlusses mit der Maßgabe, dass die rechtliche Beurteilung im Sinne der Rechtsansicht der Klägerin überbunden werde. Der Beklagte beantragt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben, der Beklagte in seiner, den Rekurs der Klägerin zurück‑ bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind zulässig, jener des Beklagten ist auch berechtigt.
Im Hinblick auf die Verzahnung der Argumente in beiden Rechtsmitteln erscheint eine gemeinsame Behandlung sinnvoll.
I. Rekursvorbringen der Klägerin:
Die Klägerin hält den Rekurs einerseits aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen in Bezug auf die Bindungswirkung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang für zulässig und darüber hinaus mangels höchstgerichtlicher Judikatur zum Interessenkonflikt des Beklagten im Hinblick auf die Erfüllung der Auflage des Erblassers einerseits und seine Verpflichtungen als „tschechischer Beamter“ andererseits.
Einen Grund für die Zulässigkeit des Rekurses sieht die Klägerin im ihrer Meinung nach unvertretbaren Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts über den Inhalt der angeordneten Ersatzerbschaft. Sie vertritt dazu unter ausführlicher Argumentation den Standpunkt, dass der Eintritt der Ersatzerbschaft zu bejahen sei. In Zusammenhang mit der Verletzung der testamentarischen Auflage meint die Klägerin, dass sich der Beklagte nicht mit einem Interessenkonflikt in Bezug auf seine Tätigkeit als tschechischer Beamter bzw Politiker entschuldigen könne, sondern in einem solchen Fall „zwischen Erbschaft und Karriere“ wählen müsse. Eine Verletzung der testamentarischen Auflagen sieht die Klägerin auch außerhalb des von der Konfiszierung durch die Lex S***** gelegenen Vermögens.
Bei der Auslegung der testamentarischen Auflage ist ihrer Meinung nach auch das Vortestament des Dr. Adolph S***** miteinzubeziehen. Die Klägerin hält die Auflagenverletzung und damit Verwirkung durch den Beklagten schon deshalb für gegeben, weil die „Gruftentscheidung“ zeige, dass das private Vermögen im Gegensatz zum betrieblichen Vermögen nicht von der Lex S***** betroffen sei und der Beklagte sich um dessen Restitution in keiner Weise bemüht habe. Davon umfasst seien neben Bankwerten in Millionenhöhe auch intime Vermögenswerte, zu denen die Klägerin das rückgestellte Grabgelege, die wertvolle Inneneinrichtung der Schlösser, das Archiv, die Münzsammlung, Reisepässe, private Fotos etc zählt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Vermögenswerte von der Auflagenverpflichtung, um ihre Rückgabe zu kämpfen, nicht umfasst sein sollten. Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichts müsste nicht geklärt werden, ob ein nicht von der Lex S***** betroffenes konfisziertes Vermögen bestehe, weil dies durch die „Gruftentscheidung“ positiv bewiesen sei. Daneben gäbe es eine Vielzahl weiteren, nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Lex S***** betroffenen Vermögens bei dem es sich um solch enorme Werte handle, dass sie „noch heute vom tschechischen Staat Touristen als Kulturschatz präsentiert“ würden. Zu diesen ausschließlich privat genutzten Immobilien gehöre auch das Palais S***** und jedenfalls ein zwischen dem Palais S***** und dem Palais S***** in Prag gelegenes kleines Haus, das von Dr. Adolph S***** privat bewohnt worden sei.
Bei Auslegung der Auflage im Lichte des bereits erwähnten Testaments des Dr. Adolph S*****, des vorgelegten Privatgutachtens Prof. Welser sowie der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bestehe bereits Spruchreife.
Es sei durch die „Gruftentscheidung“ erwiesen, dass die Rückstellung von wesentlichen Teilen des Vermögens ohne Weiteres möglich gewesen sei. Das Verschulden des Beklagten ergebe sich bereits aus seiner diesbezüglichen Untätigkeit. Auch habe er die Klägerin von Anfang an in der Verfolgung der Interessen des Erblassers behindert und selbst keinerlei Interesse an der Rückerlangung des Vermögens gezeigt. Den Beklagten könne im Hinblick auf den langen Zeitraum, in dem er keine Aktivitäten zur Rückerlangung des Vermögen setzte, auch nicht exkulpieren, wenn er nunmehr bereit sei, die Auflage zu erfüllen.
Für das nicht von der Lex S***** umfasste Vermögen sei Universalsukzession aufgrund testamentarischer Erbfolge ausreichend, um die Aktivlegitimation zu begründen. Die Gültigkeit der Adoption sei daher nicht von konstitutiver Bedeutung für die Rückerlangung dieses Vermögens. Im Übrigen sei eine erfolgreiche Geltendmachung der Wirksamkeit der Adoption ohne Weiteres möglich gewesen. Die tschechischen Behörden hätten gegen die Wirksamkeit der Adoption keinerlei Zweifel erhoben, was das „Grufturteil“ beweise. Sie hätten auch deshalb keine Einwendungen erheben können, weil keinerlei Beweise vorliegen, dass die Adoption nicht wirksam zustande gekommen sei.
Letztlich führt die Klägerin zur Frage der Bindungswirkung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang aus, dass die Auflage dem Beklagten kein Ermessen einräume, sondern ihn dazu verpflichte „sobald als möglich jegliche Chance zu nutzen“. Der Oberste Gerichtshof habe diesen Ermessensspielraum aus der Fideikommiss‑Errichtungsurkunde aus dem Jahre 1703 abgeleitet. Bereits aus dem Testament samt Nachtrag ergebe sich aber, dass sich der Erblasser nicht an die alten Hausregeln gehalten habe, weil er der Klägerin zunächst als Legatarin einen 25%igen Anteil am gesamten Vermögen vermacht und sie zusätzlich als Ersatzerbin berufen habe. Die immer wieder benutzten Formulierungen wie „Familie S*****“ oder ihr „Oberhaupt“ würden ohne erkennbare Rechtsgrundlage gebraucht.
II. Rekursvorbringen des Beklagten:
Auch der Beklagte hält die neuerliche Zurückverweisung an das Erstgericht für unnötig. Die Lex S***** umfasse das gesamte Vermögen und falle nicht unter die Restitutionsgesetze. Auch die „Gruftentscheidung“ ändere daran nichts, weil hier der Pietätsschutz und das Familienleben im Einzelfall in den Vordergrund trete. Auch derzeit hätten Restitutionsansprüche keine realistische Aussicht auf Erfolg und sei außerhalb der Lex S***** keine Restitution möglich. Sobald sich die rechtliche und politische Situation ändere und die Stellung von Restitutionsansprüchen aussichtsreich werde, sei der Beklagte durchaus Willens und auch seiner eigenen Ansicht nach verpflichtet, diese geltend zu machen. Eine derartige Situation bestehe aber (noch) nicht.
Im Übrigen habe die Klägerin im Erbschaftsverfahren nach Dr. Heinrich S***** auf eine Erbrechts‑ und Erbschaftsklage verzichtet. Das Klagebegehren sei schon deshalb ‑ zumindest hinsichtlich aller nicht in Tschechien gelegenen Vermögensteile ‑ abzuweisen. Der Verzicht sei keineswegs ungültig, selbst dann sei eine Erbrechtsklage aber längst verjährt.
Die Voraussetzungen für die stipulierte Ersatzerbschaft seien schon deshalb nicht eingetreten, weil auch die Klägerin nicht gesetzliche Erbin des Enteigneten sei, weil die Adoption zwischen Dr. Adolph und Dr. Heinrich S***** nicht wirksam sei.
III. Hiezu wurde erwogen:
1. Zur Verletzung der Auflage:
1.1. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Vorentscheidung ausgesprochen hat, umfasste die als Auflage zu wertende Formulierung des Testaments „diese Ansprüche ‑ sobald dies möglich sein wird ‑ im eigenen, wie auch insbesondere im Namen und im Interesse unserer Familie geltend zu machen und wenn irgend möglich, die Naturalrestitution dieses jahrhundertealten Familienbesitzes anzustreben“ auch nach der Auffassung des Erblassers das nicht durch die Beneš‑Dekrete sondern die Lex S***** enteignete Vermögen, wobei im Hinblick auf die Bezugnahme auf die „Möglichkeit“ von Rückforderungsansprüchen der Erbe nicht gehalten ist, alle nur erdenklichen, sondern lediglich die nach der rechtlichen und politischen Lage sinnvollen Schritte zu setzen und ihm bei der Beurteilung, welche Maßnahme sinnvoll ist, ein gewisser Ermessensspielraum zukommt.
Der Oberste Gerichtshof hat den Vorinstanzen daher überbunden, zu überprüfen, ob ein vorwerfbarer Verstoß gegen die Auflage insofern vorliegt, als der Beklagte bei Unterlassung der Anspruchsverfolgung seinen Ermessensspielraum überschritten hat. Nur bei Bestehen realistischer Erfolgsaussichten sei er auch verpflichtet gewesen, die Klägerin aktiv zu unterstützen, wenn er selbst aus objektiven Gründen (etwa der Unwirksamkeit seiner eigenen Adoption) an der Anspruchsdurchsetzung gehindert oder subjektiv nicht dazu bereit gewesen sei.
1.2. Damit ist aber den weitwendigen Ausführungen der Klägerin, der Beklagte sei verpflichtet gewesen jegliche denkbaren Schritte zu setzen, und ihrer daraus gezogenen Schlussfolgerung der Verwirkung ebenso der Boden entzogen wie ihren Versuchen den Sinngehalt der Auflage durch Bezugnahme auf das Testament des Dr. Adolph S***** oder sonstige Umstände zu verändern.
1.3. Im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof aufgetragenen Prüfung der Erfolgsaussichten einer Anspruchsverfolgung in Tschechien hat das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren festgestellt, dass die aktuelle tschechische Rechtsprechung insbesondere eine Durchbrechung des Datums der entscheidenden Zeitperiode für die Anwendung der besonderen Restitutionsgesetze ebenso ablehnt, wie eine Anwendung von Eigentumsklagen auf Vermögen, das vor dem 1. 1. 1990 auf den Staat übergegangen ist; sie ist zu dem Schluss gekommen, dass daher Konfiskationen aufgrund der Lex S***** nach der derzeitigen tschechischen Rechts‑ und Rechtsprechungslage nicht restitutionsfähig sind.
1.4. Die Klägerin hält dem nun umfassend und wiederholt die von ihr erwirkte Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts vom Jänner 2009 in Zusammenhang mit der Familiengruft entgegen und geht ‑ diese weiterentwickelnd ‑ davon aus, dass sich die Lex S***** nicht auf das persönliche Eigentum der Familie S***** bezog.
1.5. Das Berufungsgericht hat es darauf aufbauend für erforderlich gehalten zu prüfen, ob neben der Familiengruft weiteres, nicht durch die Lex S***** konfisziertes Vermögen, dessen Restitution ähnlich wie die Familiengruft begehrt werden könnte, einerseits überhaupt besteht und andererseits vom Beklagten vorwerfbar nicht zurückverlangt wurde.
1.6. Zunächst ist auf die Ausführungen in 2 Ob 258/05p zu verweisen, wonach die Auflage die Enteignung durch die Lex S***** betrifft.
Bereits aus § 1 Abs 2 der Lex S***** ergibt sich, dass darunter der gesamte „unbewegliche landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, teichwirtschaftliche, Industrie‑, Handels‑ und Gewerbebesitz [...] inbegriffen alle Gebäude und Schlösser mit ihrer Einrichtung und allen Rechten und Verpflichtungen, ferner das tote und lebende Inventar mit allen Vorräten und schließlich alles Betriebskapital“ fällt.
Auch Teile des Vermögens wie zB die Inneneinrichtung der konfiszierten Schlösser waren daher durchaus Gegenstand der Lex S*****. Die Ansicht der Klägerin, das gesamte private Vermögen der Familie S***** unterfalle diesem Gesetz nicht, kann schon deshalb nicht geteilt werden.
1.7. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich das tschechische Verfassungsgericht in seiner Entscheidung aus 2009 (also nach 2 Ob 258/05p) ausdrücklich auf den Charakter des restituierten Guts als Funeralbau, auf den sich der Schutz der Pietät bezieht und der deshalb Teil des Rechts des Familienlebens der Klägerin ist, bezieht und ausdrücklich darlegt, dass es der Charakter des Gebäudes sei, der nicht zulasse, es in die Kategorie des Vermögens nach § 1 Abs 2 der Lex S***** einzubeziehen. Die von der Klägerin ausdrücklich geltend gemachte Verletzung des Eigentumsrechts hat das Verfassungsgericht dagegen nicht angenommen.
Nun mag es durchaus nicht ausgeschlossen sein, dass weitere konfiszierte Gegenstände existieren, die in ähnlicher Weise aus Gründen des Schutzes der Pietät bzw aufgrund ihres spezifischen persönlichen Charakters von den tschechischen Gerichten ebenfalls als nicht unter § 1 Abs 2 der Lex S***** fallend beurteilt würden. Keineswegs kann dies aber, wie die Klägerin meint, für das gesamte konfiszierte private Vermögen der Familie S***** gelten.
1.8. Die vom Berufungsgericht aufgetragene Überprüfung dieses Umstands ist aber nur dann notwendig, wenn man davon ausgeht, dass die Nichtgeltendmachung von Rückstellungsansprüchen in Bezug auf solche „höchstpersönliche“ Vermögenswerte dem Beklagten im Sinn des vom Obersten Gerichtshof aufgezeigten Ermessensspielraums vorwerfbar ist.
1.9. Die Klägerin meint, der Beklagte habe es seit „ca 15 Jahren“, nämlich seit 1991/1992 unterlassen, mögliche Restitutionsanträge zu verfolgen.
1.10. Zieht man in Betracht, dass auch alle Restitutionsbegehren der Klägerin mit Ausnahme des die Familiengruft betreffenden bisher negativ entschieden wurden und es zur Restitution der Familiengruft erst im Jahre 2009 kam, und bedenkt man weiters den ganz spezifischen Charakter des restituierten Guts ‑ auch wenn es im Sinne des Vorbringens der Klägerin durchaus auch einen erheblichen materiellen Wert besitzen mag ‑ so können aus dieser Einzelfallsentscheidung keineswegs die von der Klägerin dargestellten weitreichenden Schlussfolgerungen im Bezug auf die realistischen Erfolgsaussichten von Restitutionsanträgen allgemein gezogen werden.
Dass der Beklagte einen solchen möglichen Restitutionsanspruch nicht bedacht und daher einen solchen Erfolg nicht erstritten hat, kann ihm ‑ selbst wenn man davon ausgeht, dass neben dem durch die Lex S***** konfiszierten Vermögen noch weiteres, nicht unter dieses Gesetz fallendes Vermögen mit ähnlich spezifischem Charakter besteht ‑ nicht als Unterlassung sinnvoller Restitutionsmaßnahmen im Sinne der ihn treffenden testamentarischen Auflage zum Vorwurf gemacht werden. Dies umso weniger als aus dem Erkenntnis des tschechischen Verfassungsgerichts hervorgeht (Pkt 49 f), dass bei der Familiengruft der bücherliche Eigentumsübergang erst 1961 ‑ somit innerhalb des gesetzlich normierten Restitutionszeitraums ‑ durchgeführt wurde. Daraus schließt das Verfassungsgericht, dass der tschechoslowakische Staat dieses Vermögen bis zum kommunistischen Putsch 1948 nicht angestrebt habe, sondern erst in der Zeit des totalitären Staats.
1.11. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es daher in Zusammenhang mit der Frage der Auflagenverletzung nicht mehr.
1.12. Damit kommt es auch auf die Frage, ob für die Erhebung solcher Restitutionsansprüche die Stellung als gesetzlicher Erbe ‑ und damit die Gültigkeit der umstrittenen Adoptionen ‑ Voraussetzung ist oder jene als testamentarischer Erbe ausreicht, nicht mehr an.
1.13. Auch auf die geltend gemachten Fragen im Zusammenhang mit einer allfälligen Interessenkollision zwischen den Pflichten des Beklagten als „tschechischer Beamter“ und den sich aus dem Testament ergebenden Verpflichtungen ist demzufolge nicht einzugehen.
2. Zur Ersatzerbschaft:
2.1. Der Erblasser hat für den Fall der gesetzlichen Einschränkung des Rechts auf Geltendmachung von Restitutionsansprüchen auf einen bestimmten Erbenkreis, dem sein Universalerbe (der Beklagte) nicht angehören sollte, angeordnet, dass dann insoweit die gesetzliche Erbfolge greifen solle.
Unbestrittenermaßen ist die Klägerin auch gesetzliche Erbin des Erblassers, wohingegen die Wirksamkeit der Adoption des Beklagten durch den Erblasser und damit die Frage, ob der Beklagte zu den gesetzlichen Erben des Dr. Heinrich S***** zählt, umstritten ist.
Für beide Streitteile wäre allerdings, soweit die Restitutiongesetze auf die Stellung als gesetzlicher Erbe abstellen sollten, weitere Voraussetzung die Wirksamkeit der Adoption des Dr. Heinrich S***** durch Dr. Adolph S*****, weil Letzterer die von den Konfiskationen betroffene Person war und im Falle der Unwirksamkeit dieser Adoption bereits Dr. Heinrich S***** nicht gesetzlicher Erbe des Dr. Adolph S***** gewesen wäre und damit in weiterer Folge auch nicht die Klägerin oder der Beklagte.
Der Klärung dieser Frage bedarf es aber aus folgenden Gründen nicht:
2.2. Dem Erkenntnis des Verfassungsgerichts der Tschechischen Republik vom 7. 1. 2009 ist ausdrücklich zu entnehmen, dass damit die früheren Entscheidungen bzw eine Stellungnahme des Plenums des Verfassungsgerichts über die der Klägerin gegenüber negativen Restitutionsentscheidungen bzw die Stellungnahme des Plenums des Verfassungsgerichts, wonach die Verankerung von Restitutionsansprüchen ein ‑ zeitlich und sachlich genau definiertes ‑ Benefiz des Staats ist, nicht in Frage gestellt werden sollten, sowie, dass diese Entscheidungen und Beschlüsse in Bezug auf das Eigentumsrecht ergangen sind und sich nicht mit dem Schutz des Rechts auf Familienleben befasst haben.
Vermögen rein persönlichen Charakters wie eine Familiengruft mit sterblichen Überresten von Vorfahren sei aber nicht aus dem Blickwinkel des Eigentumsrechts sondern aus jenem des Grundrechts auf Familienleben zu prüfen. Auf die vom nebenbeteiligten Nationalinstitut für Denkmalpflege aufgeworfene Frage der Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin zur Klagserhebung ging das Verfassungsgericht nicht ein. Es sah auch nicht das von der Klägerin als verletzt bezeichnete Eigentumsrecht betroffen an, sondern ihr Recht auf Respekt des Familien‑ und Privatlebens.
2.3. Nur insoweit kam das Verfassungsgericht daher zu der Auffassung, dass der spezifische Charakter der Gruft es ausschließe, sie in die Kategorien des in § 1 Abs 2 der Lex S***** aufgezählten Vermögens einzubeziehen.
2.4. Aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts ist daher zu folgern, dass nach dessen Rechtauffassung auf das familiäre Naheverhältnis abzustellen ist.
Da es somit in diesem Zusammenhang auf die gesetzliche Erbfolge, auf welche die Ersatzerbschaftsanordnung abstellt, nicht ankommt, bedarf es insoweit keiner weiterer Erhebungen bezüglich einschlägigen „höchstpersönlichen“ Vermögens.
IV. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.
V. Die im Revisionsverfahren eingebrachte Urkundenvorlage der beklagten Partei sowie die Äußerung der klagenden Partei hierzu sind unzulässig (RIS‑Justiz RS0041666).
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