Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat den beklagten Parteien die mit S 1.821,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 126,-
Umsatzsteuer
und S 120,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 26.August 1975 um ca. 17 Uhr stieß der Kläger mit seinem PKW auf der Gemeindestraße Grafenweg zwischen den Ortschaften Hopfgarten und Niederau mit dem entgegenkommenden, vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen T 34.208 zusammen, wodurch beide Fahrzeuge beschädigt wurden.
In der zu C 181/76 beim Erstgericht eingebrachten Klage wird geltend gemacht, der Erstbeklagte habe den Unfall durch Einhalten einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit verschuldet und hafte für die Hälfte des dem Kläger in der Höhe von S 18.163,39 entstandenen Schadens, somit den Betrag von S 9.063,39. In der Folge dehnte der Kläger das Klagebegehren auf den Betrag von S 18.163,36 samt Anhang aus (ON 12).
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Der Erstbeklagte brachte wegen des gegenständlichen Schadensereignisses seinerseits zu C 205/76 des Erstgerichtes eine Schadenersatzklage gegen den Kläger und dessen Haftpflichtversicherer ein, in welcher er das Alleinverschulden des Erstgenannten am Unfall behauptete und den Ersatz von S 13.584,-- samt Anhang begehrte.
Das Erstgericht verband die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies schließlich die zu C 181/76 erhobene Klage ab, wogegen es der Klage C 205/76 stattgab. Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil teilweise ab. Im Verfahren C 181/76 sprach es dem Kläger einen Betrag von S 12.108,91 samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ab, im Verfahren C 205/76 sprach es dem dortigen Kläger S 4.528,-- samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ebenfalls ab.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhob lediglich der Kläger des Verfahrens C 181/76 eine am 24.März 1981 beim Erstgericht eingelangte, auf § 503 Z.2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem sinngemäßen Antrage auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise stellte er auch einen Aufhebungsantrag.
Die beklagten Parteien beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. In der Folge geriet der Akt in Verstoß, mußte rekonstruiert werden und wurde dem Revisionsgericht am 5.April 1985 vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Dem erstgerichtlichen Urteilsspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Unfallsstelle befindet sich in einer - aus der Fahrtrichtung des Klägers und Revisionswerbers gesehen - starken Linkskurve mit einem Kurvenradius von ca. 25 m, wobei im Kurvenbereich eine Sichtweite von 23 bis 26 m besteht und die Breite der asphaltierten Fahrbahn 4,5 m beträgt. Zur Unfallszeit regnete es leicht, die Fahrbahn war naß. Der Kläger befuhr die Linkskurve mit seinem 1,7 m breiten Fahrzeug unter Einhaltung einer Geschwindigkeit von 20 km/h und überfuhr dabei die - nicht
gekennzeichnete - Fahrbahnmitte um ca. 20 cm. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Erstbeklagte mit seinem 1,6 m breiten PKW, wobei er eine Fahrgeschwindigkeit von 35 km/h einhielt "und die Fahrbahnmitte nicht überfuhr". Bei der Begegnung der beiden Fahrzeuge kam es zu einer Streifung derselben derart, daß die linke Vorderecke des PKW des Erstbeklagten an die linke Seite des Fahrzeuges des Klägers, beginnend ab der Vordertür, stieß. Als der Kläger das entgegenkommende Fahrzeug bemerkt hatte, bremste er seinen PKW sofort ab, wobei für ihn der Anhalteweg 8 m und die Anhaltezeit unter Einrechnung einer Reaktionssekunde 1,9 sec betrugen. Der in 3,6 sec zurücklegbare Anhalteweg des Erstbeklagten betrug 20 m. Ob der PKW des Klägers im Unfallszeitpunkt bereits stand oder sich noch geringfügig bewegte, kann nicht festgestellt werden. Der Unfallspunkt liegt ungefähr im Scheitelpunkt der Linkskurve. In der Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten gesehen liegt ca. 3 km vom Unfallsbereich entfernt die Pension F. In deren unmittelbarer Nähe befindet sich in beiden Fahrtrichtungen das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung auf 25 km/h" und das Gefahrenzeichen "Kinder". Hinsichtlich der Geschwindigkeitsbeschränkung fehlt in beiden Fällen das entsprechende Aufhebungszeichen "Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung". Die vorgenannten Verkehrszeichen wurden von Josef F, dem Inhaber der Pension, aufgestellt, nachdem ihm seitens der Gemeinde Hopfgarten diese Aufstellung zugestanden worden war. Irgendwelche Unterlagen über diesen "Vorgang" fanden sich laut Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel bei der Gemeinde Hopfgarten jedoch nicht. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers belief sich einschließlich Wertminderung und Umsatzsteuer auf S 18.163,36, jener am Fahrzeug des Erstbeklagten auf S 13.584,--.
In seiner rechtlichen Beurteilung lastete das Erstgericht dem Kläger einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 7 Abs2 StVO 1960 an, weil er in der unübersichtlichen Kurve verpflichtet gewesen wäre, am rechten Fahrbahnrand zu fahren. Im Hinblick auf die Fahrbahnbreite von 4,5 m sei ein Fahren auf halbe Sicht im Unfallsbereich nicht erforderlich und eine unfallsfreie Begegnung der 1,7 und 1,6 m breiten Fahrzeuge - auch jeweils mit einem Fahrzeug der höchstzulässigen Breite von 2,5 m - durchaus möglich gewesen. Hinsichtlich des in sehr großer Entfernung vom Unfallsbereich in der Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten aufgestellten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung auf 25 km/h" sei der Verordnungscharakter überhaupt zu verneinen, weil es von einer Privatperson ohne entsprechende Verordnung der Gemeinde Hopfgarten aufgestellt worden sei; jedenfalls könne nicht gesagt werden, daß eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereiche der Unfallsstelle noch Geltung gehabt habe. Die Fahrgeschwindigkeit des Erstbeklagten sei auch nicht relativ überhöht gewesen, da, wie festgestellt worden sei, im Kurvenbereich bei durchschnittlicher Fahrpraxis eine Begegnung von PKWs mit Fahrgeschwindigkeiten von 40 km/h möglich erscheine. Selbst wenn aber die Geschwindigkeit des Erstbeklagten als überhöht gewertet würde, wäre dies für den Schadenseintritt nicht kausal gewesen, weil der Erstbeklagte die Fahrbahnmitte nicht überfahren habe. Somit treffe das Alleinverschulden am Unfall den Kläger. Im Hinblick auf dieses Verschulden komme im Sinne der ständigen Judikatur auch eine Ausgleichspflicht nach § 11 EKHG nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hielt die Verfahrens- und Beweisrüge des Klägers nicht, dagegen seine Rechtsrüge teilweise für gerechtfertigt. Es trat seinem Standpunkt bei, daß im Unfallsbereich ein Fahren auf halbe Sicht geboten und er nur dadurch am rechtzeitigen Anhalten seines Fahrzeuges gehindert gewesen sei, daß er wegen der Fahrweise des Erstbeklagten nicht mehr den erforderlichen Anhalteweg zur Verfügung gehabt habe. Der Erstbeklagte sei wegen der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von 35 km/h und dem dadurch gegebenen Anhalteweg von 20 m nicht in der Lage gewesen, auf halbe Sicht anzuhalten, weil dies lediglich bei einer Fahrgeschwindigkeit von 26 km/h möglich gewesen wäre. Zutreffend habe das Erstgericht jedoch angenommen, daß der Kläger gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs2 StVO 1960 verstoßen habe. Es wäre ihm nämlich jedenfalls zumutbar gewesen, soweit rechts zu fahren, daß sein Fahrzeug die Fahrbahnmitte nicht überragt hätte. Das Verschulden des Erstbeklagten überwiege jedoch, sodaß eine Verschuldensteilung von 2:1 zugunsten des Klägers gerechtfertigt erscheine. Ob man dem Erstbeklagten auch einen Verstoß gegen die offenkundig irrtümlich nicht aufgehobene Geschwindigkeitsbeschränkung anlasten könne, sei im Hinblick auf die übrigen Schuldzumessungsgründe nicht mehr von Bedeutung. Auf der Grundlage der vorgenommenen Verschuldensteilung stehe dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von 2/3 seiner Unfallsschäden, somit ein Betrag von S 12.108,91 samt Anhang, zu.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe das von ihm in der Berufung behauptete Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels zu Unrecht verneint.
Diese Rüge ist unzulässig, weil nach ständiger Rechtsprechung angebliche erstgerichtliche Verfahrensmängel, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde, in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden können.
In der Rechtsrüge führt der Kläger aus, im Sinne der Rechtsprechung trete die unterlassene Benützung des äußersten rechten Fahrbahnrandes bei der Verschuldensteilung dann zurück, wenn die Umstände des Falles ein Anhalten im Begegnungsverkehr erforderten oder nur ein Aneinandervorbeitasten ermöglichten. Zu berücksichtigen sei vorliegendenfalls, daß mangels Vorhandenseins einer Fahrbahnmittellinie die Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Kläger nicht erkennbar gewesen sei. Sein Verstoß trete daher gegenüber jenem des Erstbeklagten an Bedeutung vollkommen zurück und müsse daher ein Mitverschulden seinerseits verneint werden. Im übrigen erscheine die Frage des Bestandes einer Geschwindigkeitsbeschränkung im Unfallsbereich von 25 km/h entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes von rechtlicher Relevanz, weil diese Geschwindigkeit nur unter optimalen Verhältnissen, nicht aber bei regennasser Fahrbahn, eingehalten hätte werden dürfen. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Judikatur hängt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Straßen, die nicht volle zwei Fahrstreifen (5 m) aufweisen, davon ab, ob im Einzelfall eine gefahrlose Begegnung mit entgegenkommenden Fahrzeugen möglich ist. Ein allgemeines Gebot des Fahrens auf halbe Sicht besteht nicht (ZVR 1973/173, 1977/154, 1979/204 u.v.a.). Dabei ist von der Breite des eigenen Fahrzeuges und der Möglichkeit der Begegnung mit einem Fahrzeug der nach § 4 Abs6 KFG 1967 höchstzulässigen Breite von 2,5 m auszugehen (ZVR 1976/41; 8 Ob 213, 279/79 u.v.a.). Ein Fahrstreifen muß also nicht in jedem Fall 2,5 m breit sein (§ 4 Abs2 BodenmarkierungsVO). Bei engen und unübersichtlichen Straßen kommt dem strengen Einhalten der rechten Fahrbahnseite erhöhte Bedeutung zu, sodaß ein Verstoß gegen diese Regelung besonders schwer wiegt. Demgegenüber tritt die Einhaltung einer für die Verhältnisse zu hohen Geschwindigkeit in der Beurteilung der Verschuldensfrage in der Regel zurück (ZVR 1969/25; 1982/80; 1983/172 u.a.).
Vorliegendenfalls ist im Hinblick auf die Breite der einander begegnenden beiden PKW von insgesamt 3,30 m und der Fahrbahnbreite von 4,5 m davon auszugehen, daß bei pflichtgemäßer Einhaltung der rechten Fahrbahnseite durch jeden der beiden Lenker eine gefahrlose Begegnung der beiden Fahrzeuge jedenfalls möglich gewesen wäre, zumal für die erforderlichen Sicherheitsabstände ein Freiraum von 1,2 m zur Verfügung stand. Ein Fahren auf halbe Sicht war daher im Sinne der zutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht erforderlich. Wohl mußten aber beide Lenker möglichst rechts fahren. Tatsächlich ist der Kläger festgestelltermaßen mit seinem 1,7 m breiten Fahrzeug nicht auf seiner 2,25 m breiten Fahrbahnhälte verblieben, sondern hat diese um 20 cm überfahren. Allerdings hielt sich auch der Erstbeklagte nicht an das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs2 StVO 1960. Sein 1,6 m breites Fahrkzeug fuhr auf der 2,25 m breiten Fahrbahnhälfte so weit links, daß es wesentlich weniger als 20 cm von der Fahrbahnmitte entfernt war, sodaß es zur Kollision kam. Die primäre Unfallsursache bildete demgemäß jedoch die Überschreitung der Fahrbahnmitte durch den Kläger. In dieser Vorschriftswidrigkeit liegt ein gravierendes Verschulden, welches an Gewicht selbst dann nicht übertroffen würde, wenn dem Erstbeklagten die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt würde. Somit kann sich der Revisionswerber durch die - auf eine unrichtige Rechtsansicht gegründete - berufungsgerichtliche Verschuldensteilung von 1:2 zu seinen Gunsten keinesfalls beschwert erachten. Demnach war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)