OGH 2Ob143/51

OGH2Ob143/5128.3.1951

SZ 24/86

Normen

ABGB §608
ABGB §613
ABGB §819
AußStrG §9
AußStrG §158
AußStrG §174
ZPO §406
ABGB §608
ABGB §613
ABGB §819
AußStrG §9
AußStrG §158
AußStrG §174
ZPO §406

 

Spruch:

Wird in einer Einantwortungsurkunde, mit der der Nachlaß dem Vorerben eingeantwortet wird, die Beschränkung des Vorerben durch die fideikommissarische Substitution nicht ausgesprochen, so hat dies den Verlust der Rechte des Nacherben auch dann nicht zur Folge, wenn dieser die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Einantwortungsurkunde unterläßt.

Entscheidung vom 28. März 1951, 2 Ob 143/51.

I. Instanz: Kreisgericht Steyr; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der am 13. Feber 1921 gestorbene Dr. Adolf S. hatte in seinem letzten Willen vom 11. Feber 1921 seine Schwägerin Emilie M. zu seiner Alleinerbin eingesetzt und hiebei seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, daß sie das Erbe für ihren Sohn verwenden werde; er erklärte jedoch gleichzeitig, daß er seiner Erbin nicht die mindeste Beschränkung auferlegen wolle. Auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 25. Juni 1923 war das Eigentumsrecht zugunsten der Emilie M. auf den Nachlaßliegenschaften einverleibt worden. Emilie M. errichtete am 22. Mai 1932 ein Testament, in dem sie ihren Gatten, den Erstbeklagten, sowie ihren Sohn, den Kläger, gleichteilig zu Erben bestimmte und deren Rechte an den Liegenschaften zunächst dahin beschränkte, daß keiner der beiden Erben ohne Zustimmung des anderen Teile der Liegenschaften verkaufen, vertauschen oder verschenken dürfe; sie verfügte außerdem, daß "der ihrem Mann zufallende Grundbesitzanteil bei dessen Tod an ihren Sohn Fritz fallen soll"; nur für den Fall, als ihr Sohn kinderlos seinem Vater im Tod vorausginge, sollte ihr Bruder Erich F. ein Viertel des beim Ableben ihres Mannes noch vorhandenen Besitzes erben. Emilie M. starb am 17. Feber 1940. Der Kläger und der Erstbeklagte gaben die bedingte Erbserklärung ab und übertrugen mit Rücksicht darauf, daß der Kläger bereits eingerückt und der Beklagte beruflich außerhalb Wiens tätig war, ihre Vertretung im weiteren Abhandlungsverfahren dem Erich F. Dieser erklärte anläßlich der Inventur, deren Errichtung übrigens im Hinblick auf die von der Erblasserin angeordnete fideikommissarische Substitution schon vor der Abgabe der Erbserklärungen eingeleitet worden war, einerseits, daß er auf eine grundbücherliche Eintragung des ihm zustehenden Substitutionsrechtes verzichte, und anderseits, daß er namens der Erben auf die grundbücherliche Eintragung des gegenseitigen Veräußerungsverbotes verzichte. In der Erstattung des Testamentserfüllungsausweises verwies Erich F. u. a. darauf, daß die Erben auf eine grundbücherliche Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes verzichtet haben und daß auch er selbst auf eine Sicherstellung der zu seinen Gunsten verfügten Substitution verzichtet habe. Der Nachlaß wurde am 9. April 1941 dem Kläger und dem Erstbeklagten je zur Hälfte eingeantwortet; die Einantwortungsurkunde nahm auf die fideikommissarische Substitution keinen Bezug und enthielt lediglich die Bestimmung, daß auf Grund der Abhandlungsergebnisse das Eigentumsrecht des Klägers und des Erstbeklagten je zur Hälfte ob den Nachlaßliegenschaften einzuverleihen sei. Das Abhandlungsgericht verfügte die Zustellung der Einantwortungsurkunde an den Erbenvertreter F., sie wurde nach dem Inhalte der Postzustellungsurkunde von dem Erstbeklagten persönlich übernommen. Die Verbücherung der Einantwortungsurkunde wurde von Amts wegen mit dem Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 22. Mai 1941 veranlaßt.

Der Kläger war im Zeitpunkt des Todes seiner Mutter verheiratet und Vater eines Kindes; er ist seit 1944 kriegsvermißt. Der Erstbeklagte ging im Jahr 1941 eine neue Ehe, u. zw. mit der Zweitbeklagten, ein und übertrug ihr mit dem notariellen Schenkungsvertrag vom 26. September 1947 unter Vorbehalt seines lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes das Eigentum an seinen Liegenschaftshälften und außerdem an der gesamten ihm gehörigen Wohnungseinrichtung; der Schenkungsvertrag wurde in Ansehung der Liegenschaftshälften im Jahr 1948 verbüchert.

Der Kläger bekämpft nunmehr die Gültigkeit der seine Rechte als Nacherben verletzenden Schenkung mit den Hauptbegehren, a) der Schenkungsvertrag vom 26. September 1947 sei nichtig, b) die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Zweitbeklagten sowie des lebenslänglichen und unentgeltlichen Nutznießungsrechtes für den Erstbeklagten auf den Liegenschaftshälften werden gelöscht; hilfsweise beantragte er die solidarische Verurteilung der beiden Beklagten zur Zahlung eines Schadenersatzes in der Höhe von 20.385 S. Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Sache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Daraus, daß in der Einantwortungsurkunde die fideikommissarische Substitution nicht berücksichtigt worden ist und daß gegen sie ein Rechtsmittel nicht eingebracht worden ist, kann im vorliegenden Fall nicht der zwingende Schluß gezogen werden, daß der Kläger auf eine Sicherstellung seiner Substitutionsrechte oder gar auf die Rechte selbst verzichtet habe; nach den allgemeinen Grundsätzen über die Tragweite der Einantwortungsurkunde gegenüber der wahren Rechtslage kann die Versäumung der Frist zu einem Rekurs gegen die mangelhafte Einantwortungsurkunde nicht den Verlust des Rechtes herbeiführen (Klang, Kommentar, 2. Aufl., zu § 613 ABGB.). Unter der Voraussetzung, daß auch sonst ein Verzicht des Klägers nicht erfolgt ist, ist er durch den notariellen Schenkungsvertrag, soweit dieser zur Substitutionsmasse gehöriges Vermögen zum Gegenstand hatte, unbestreitbar in seinen Nacherbenrechten verletzt worden. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist, wie die Beklagten selbst zugeben, von der aktenwidrigen Annahme ausgegangen, daß der Kläger im Verlassenschaftsverfahren auf eine Sicherstellung seiner Substitutionsrechte verzichtet habe. Wenn der Kläger derzeit auch noch nicht einen Herausgabeanspruch stellen kann, weil der Substitutionsfall noch nicht eingetreten ist, so muß ihm doch das Recht eingeräumt werden, seine Nacherbenrechte sicherzustellen, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, daß der gegenwärtige Grundbuchstand, der allenfalls noch eine Verurteilung der Zweitbeklagten zur Herausgabe des Substitutionsvermögens zuließe, bis zum Eintritt des Substitutionsfalles eine Veränderung erfährt. Der festgestellte Verzicht auf die Verbücherung des Veräußerungsverbotes würde allerdings verhindern, das gegen das Verbot verstoßende Rechtsgeschäft als nichtig zu erklären, selbst wenn beide Vertragsteile nicht im guten Glauben gewesen wären, und nur einen Schadenersatzanspruch zulassen. Hingegen müßte eine Veräußerung, die die Beschränkung des Eigentumsrechtes des Veräußerers geflissentlich verschwiegen hat, ungültig und nichtig sein. Die Nichtigerklärung des Veräußerungsgeschäftes kann aber nach der Ansicht des Revisionsgerichtes schon vor dem Eintritt des Substitutionsfalles vom Nacherben begehrt werden. Da ihm derzeit nur ein Sicherungsanspruch zusteht, kann dieser gemäß § 158 AußstrG. bloß durch die grundbücherliche Anmerkung des Substitutionsbandes verwirklicht werden; diese Art der Sicherung ist aber lediglich dann möglich, wenn der auf Grund der Einantwortungsurkunde, in der die Beschränkung des Eigentumsrechtes des Vorerben offenbar übersehen worden ist, geschaffene Grundbuchstand wiederhergestellt wird. Das Begehren auf Nichtigerklärung der Schenkung ist kein reines Feststellungsbegehren, es kommt ihm vielmehr auch rechtsgestaltende Wirkung zu; die Nichtigerklärung ist jedenfalls die Grundlage für alle weiteren Mittel, deren sich der Kläger bedienen muß, um die Rechtsverletzung abzuwehren. Es ist zwar richtig, daß das in der Klage gestellte Löschungsbegehren verfehlt war; den Ausführungen der Klage ist jedoch klar zu entnehmen, daß es dem Kläger nicht darum zu tun war, die bloße Löschung der auf Grund des Schenkungsvertrages vollzogenen Grundbuchseintragungen zu erreichen, sondern daß er vielmehr nichts anderes als die Herbeiführung des früheren Grundbuchstandes bezweckte. Wenn in diesem Sinne unter entsprechender Umstilisierung des Begehrens erkannt würde, würde dem Kläger nichts anderes zugesprochen werden, als er begehrt hatte, sondern nur sein Begehren in die richtige Fassung gebracht werden.

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