Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Am 4. April 1986 war der Transportunternehmer Alois H*** auf Grund eines mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrages damit beschäftigt, mit seinem LKW mit dem Kennzeichen St 40.124 im Magnesit-Dunit-Bergbau "G***", der Beklagten in Feistritz, Bezirk Knittelfeld, Abraummaterial über eine Böschung abzukippen. Dabei stürzte er mit dem LKW über die Böschung ab. Alois H*** wurde getötet, der LKW beschädigt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin, die Witwe des Getöteten, als dessen Universalsukzessorin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes (Fahrzeugschaden) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 190.000 S sA. Sie stützte ihr Begehren im wesentlichen darauf, daß zwar den Getöteten ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden an diesem Unfall treffe, daß aber die Beklagte ein Verschulden in gleicher Höhe zu vertreten habe. Der Absturz des LKW sei auf einen Abbruch der Böschungskante zurückzuführen gewesen. Die Beklagte habe bestehende, der Vermeidung derartiger Unfälle dienende Sicherheitsvorschriften verletzt und ihre werkvertraglichen Schutzpflichten vernachlässigt; überdies treffe sie eine Gefährdungshaftung nach den Bestimmungen des Berggesetzes 1975. Der Fahrzeugschaden habe 380.000 S betragen; die Hälfte dieses Betrages habe die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der Unfall auf das Alleinverschulden des Getöteten zurückzuführen sei und sie jede zumutbare Sorgfalt aufgewendet habe. Sie bestritt das Klagebegehren auch der Höhe nach.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Beklagte betraute Alois H*** bis 1983 fallweise und ab 1983 laufend mit Transportleistungen, und zwar mit der Beförderung von Mischgut oder Steinen oder auch mit dem Abtransport von Abraummaterial. Alois H*** zählte zu den Stammfrächtern der Beklagten, führte aber neben den Aufträgen der Beklagten auch Aufträge anderer Firmen aus.
Am 4. April 1986 war Alois H***, wie schon Tage vorher, mit dem LKW in dem von der Beklagten und der Firma Sprengbau betriebenen Bergbau G*** auf der Etage 610 eingesetzt. An diesem Tag hatten die Beklagte und die Firma Sprengbau je einen Bagger auf dieser Etage eingesetzt, um Abraummaterial von der Bruchwand zu gewinnen. Alois H*** hatte mit dem LKW das Abraummaterial zur Absturzstelle zu befördern und dort abzukippen. Dabei wurde der dreiachsige LKW (zulässiges Gesamtgewicht 22 Tonnen) durch den Bagger beladen. H*** fuhr mit dem beladenen LKW im Vorwärtsgang von der Beladestelle weg, lenkte sodann nach rechts, schaltete den Retourgang ein, fuhr im Retourgang über eine Strecke von rund 30 m bis zur Böschungskante, blieb dort stehen, stieg aus, ging nach rückwärts, öffnete den Schließhaken links (der rechte Schließhaken war immer geöffnet), stieg wieder in das Fahrzeug ein, fuhr dann noch rund 1 m zurück und kippte dann mit der automatischen Vorrichtung das Abraummaterial über die Böschungskante ab. Beim Öffnen des linken Schließhakens befand sich dieser etwa 1 m vor der Böschungskante noch über festem Boden und die dritte Achse des LKW befand sich noch vor der Böschungskante. Vor dem Abkippen fuhr H*** dann jeweils noch rund 1 m zurück, und zwar mit der dritten Achse des LKW bis zum Wall an der Böschungskante; dann kippte er das Material ab.
An der Böschungskante war für den LKW-Lenker als optisch wahrnehmbares Signal zur Kennzeichnung des Gefahrenbereichs ein aus Gesteinsmaterial bestehender Sicherungswall in einer Höhe von 0,2 bis 0,3 m und mit einer Basisbreite von 0,5 m vorhanden, der überdies beim Heranfahren an die Böschungskante im Retourgang beim Auffahren der Hinterräder durch das höhere Anheben des Fahrzeuges physisch deutlich wahrnehmbar war. Dieser Wall vermochte allerdings einen schwer beladenen LKW nicht aufzuhalten. Erst ein Hindernis in Höhe des Radius der Hinterräder in Form einer Mauer mit einem Winkel von 60 Grad hätte ein Überrollen durch ein solches Fahrzeug hintanhalten können. Fahrzeuglenker, die derartige Schüttungen vornehmen, wissen über diese Gegebenheiten und insbesondere darüber Bescheid, daß sie nicht zu knapp an die Böschungskante heranfahren dürfen. Für den Fahrzeuglenker genügt das optisch und physisch wahrnehmbare Signal, um beim letzten Rückwärtsfahren nach dem Öffnen des Schließhakens das Ende der 1 bis 1 1/2 m langen Strecke erkennen zu können, wobei sich dann in der Halteposition vor dem Abkippen die letzte Achse des LKW etwa 0,5 m vor der Böschungskante und damit am Beginn des Sicherungswalls befindet.
Alois H*** war etwa ab Mitte März 1986 mit dem Abtransport des Abraummaterials im Bergbau G*** beschäftigt. Dabei beförderte er täglich 35 bis 40 Fuhren Abraummaterial mit dem LKW von der Bruchwand zur Sturzstelle und kippte sie dort ab. Er war daher mit den örtlichen Gegebenheiten vollauf vertraut.
Am 4. April 1986 gegen 9,25 Uhr belud der Bagger der Beklagten an der Bruchwand den LKW des Alois H*** mit Abraummaterial. H*** fuhr im Vorwärtsgang von der Beladestelle weg, bog nach rechts hinauf, fuhr im Retourgang in Schrittgeschwindigkeit zur Absturzstelle, blieb jedoch nicht mit der Bordkante im Bereich der Böschungskante stehen, sondern fuhr mit etwa 5 km/h über die vorher jeweils eingenommene erste Halteposition zum Öffnen des linken Schließhakens hinaus. Er bremste zwar, konnte jedoch das Überrollen des Schutzwalls mit den Hinderrädern trotz bremsbedingt blockierender Vorderräder nicht mehr hintanhalten. Die letzte Hinterachse des LKW lief dabei den Schutzwall an und erkletterte diesen, wobei das Fahrzeug angehoben wurde. Sodann erkletterte die zweite Hinterachse den Wall, wobei sich die letzte Hinterachse bereits außerhalb der Böschungskante befand. Das Ladegewicht zog sodann den noch in Fahrt befindlichen LKW in den Abgrund, obwohl sich die blockierenden Vorderräder noch auf ebenem Niveau befanden und die Fußbremse betätigt wurde. Der LKW stürzte 7 m ab und wurde dabei schwer beschädigt; Alois H*** erlag seinen bei diesem Absturz erlittenen Verletzungen auf der Fahrt ins Krankenhaus. Nach dem Unfall wurde der Sicherungswall an der Böschungskante über Anordnung der Berghauptmannschaft Leoben auf 0,5 m erhöht. Der vorhandene Sicherungswall hatte lediglich die Funktion einer optischen Begrenzung. Um einen LKW aufzuhalten, müßte ein derart hoher Wall angeschüttet werden, daß ein Entleeren des LKW überhaupt nicht möglich wäre. Fixe Sicherungseinrichtungen in Form von Haltebäumen oder Betonschwellen wären nur an permanenten, also ständig in Betrieb befindlichen Absturzstellen, wie bei Schächten, Brecheranlagen und dergleichen, angebracht. Für temporäre Absturzstellen werden solche Einrichtungen wegen der dauernden Verlegung der Absturzstelle nicht verwendet. Stattdessen dienen Schüttdämme als Sicherungsmaßnahmen; fallweise werden auch größere Gesteinsblöcke an die Sturzkante gelegt. Alle diese Sicherungsmaßnahmen sind jedoch nur optischer Natur und dienen als Orientierungshilfe für den Fahrzeuglenker. Aus technischer und bergbaupolizeilicher Sicht wurden die von der Beklagten getroffenen Sicherheitsmaßnahmen bei der Bruchkante von den beigezogenen Sachverständigen als ausreichend angesehen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß für die Absicherung von Böschungskanten gegen Absturz keine speziellen Vorschriften über Art und Ausmaß eines Schutzwalls bestünden. Sicherungswälle aus Gesteinsmaterial, Haltebäumen, Holz-, Metall- oder Betonschwellen seien technisch nicht darauf ausgelegt, Maschinen am Überfahren der Böschungskante wirksam zu hindern, sondern seien im Tagbau nur ein optisches bzw. für den Maschinenführer anderweitig physisch wahrnehmbares Signal zur Kennzeichnung des Gefahrenbereichs. Der im vorliegenden Fall aufgebrachte Sicherungswall mit einer Basisbreite von 0,5 m und einer Höhe von 0,2 bis 0,3 m habe zwar einen LKW nicht aufhalten können; er habe aber für den Fahrzeuglenker ein optisch und beim Anfahren mit den Rädern der letzten Achse auch physisch wahrnehmbares Hindernis dargestellt. Er entspreche der Sicherungspflicht des Bergbaubetreibenden im Tagbaugeschehen. Es liege somit weder ein Verschulden noch eine Gefährdungshaftung der Beklagten als Betreiber des Bergbaus vor, sodaß die Klage abzuweisen sei.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, es treffe zu, daß die Beklagte als Werkbestellerin gegenüber dem Verunglückten als Werkunternehmer Fürsorge- bzw. Schutzpflichten zu erfüllen gehabt habe. Gemäß § 1169 ABGB hätten auf den Werkvertrag die Bestimmungen des § 1157 ABGB sinngemäß Anwendung zu finden. Aus diesem Gesichtspunkt wäre die Beklagte der Klägerin für den Fahrzeugschaden ersatzpflichtig, wenn die Beklagte selbst, das heißt ihre Organe oder Repräsentanten, derartige Pflichten schuldhaft, insbesondere infolge eines Organisationsverschuldens, verletzt hätten oder wenn dies auf ihre Betriebs-(Erfüllungs-)gehilfen, für deren Verhalten sie gemäß § 1313 a ABGB einzustehen hätte, zuträfe, insbesondere durch Übertretung einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, die derartigen Unfallsfolgen vorzubeugen suche. Dies treffe aber hier nicht zu.
Eine Gefahr, die mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbunden und für den Werkunternehmer und seine Hilfskräfte nach ihren Fachkenntnissen erkennbar sei, liege außerhalb der Fürsorgepflicht des Werkbestellers. Um eine solche Gefahr handle es sich aber im vorliegenden Fall. Denn daß beim unvorsichtigen Heranfahren an eine Böschungskante Absturzgefahr bestehe, sei evident. Wenngleich die Fürsorgepflicht auch gegenüber den Sachen des Unternehmers gelte, sei daher aus diesem Gesichtspunkt für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen. Die Beklagte hafte für den LKW-Schaden auch nicht deshalb, weil dieses Fahrzeug mit Billigung der Gefahrenumstände seitens der Beklagten in deren Betätigungsbereich verwendet worden sei. Die Verletzung eines Schutzgesetzes sei der Beklagten nicht anzulasten.
Allerdings bildeten die Bestimmungen des Berggesetzes 1975 eine ausreichende Grundlage für die Mithaftung der Beklagten aus dem Titel einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung, obgleich ein Eigenverschulden des Verunglückten zugestanden worden sei. Ein Bergschaden nach § 183 Abs. 1 BergG liege vor, wenn durch eine der im § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes angeführten Tätigkeiten ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt werde. Der Verunglückte habe eine derartige Tätigkeit ausgeübt, indem er als Fremdunternehmer im Sinne des § 1 Z 22 BergG im Auftrag der Bergbauberechtigten (der Beklagten) durch den Transport von Abraummaterial mit dem "Gewinnen und Aufbereiten von Rohstoffen" beschäftigt gewesen sei. Für den Ersatz dieses Bergschadens hafte die Beklagte grundsätzlich gemäß § 184 Abs. 1 BergG als Bergbauberechtigte. Nach § 187 Abs. 1 BergG sei die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Bergschaden durch ein unabnendbares Ereignis verursacht worden sei, das nicht auf einer fehlerhaften Ausführung der im § 2 Abs. 1 BergG angeführten Tätigkeiten beruht habe. Als unabwendbar gelte ein Ereignis besonders dann (§ 187 Abs. 2 BergG), wenn es auf das Verhalten des Geschädigten, eines nicht vom Bergbauberechtigten beschäftigten Dritten oder eines Tieres zurückzuführen sei und der Bergbauberechtigte, seine Beauftragten und Arbeitnehmer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hätten. Habe bei der Entstehung des Bergschadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so gelte der § 1304 ABGB sinngemäß (§ 188 Abs. 1 BergG). Im vorliegenden Fall sei der Schadenseintritt zwar auf das (zugegebenermaßen schuldhafte) Verhalten des Alois H***, eines Fremdunternehmers, somit eines "nicht vom Bergbauberechtigten beschäftigten Dritten" - zugleich auf das Verhalten des Geschädigten selbst - zurückzuführen, doch sei von Seiten des Bergbauberechtigten (in der Einflußsphäre der Beklagten) nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet worden. Das ergebe sich schon aus der einfachen Überlegung, daß ein etwas höherer Schutzwall, wie er von der Berghauptmannschaft in der Folge auch gefordert und von der Beklagten tatsächlich angebracht worden sei, mehr Sicherheit gegen unbeabsichtigtes Zurückrollen des LKW geboten und damit aller Wahrscheinlichkeit nach zur Verhinderung des Unfalls beigetragen hätte.
Für die Frage, wann ein unabwendbares Ereignis vorliege, sei die zu § 9 Abs. 2 EKHG ergangene Rechtsprechung sinngemäß anwendbar. Danach sei ein unabwendbares Ereignis nur dann gegeben, wenn es trotz Anwendung aller erdenklichen Sachkunde und Vorsicht eingetreten sei. Es komme darauf an, ob die Abwendung des Unfalls bei den gegebenen Verhältnissen durch die äußerste Sorgfalt und durch Mittel, deren Anwendung dem Haftpflichtigen vernünftigerweise zugemutet werden könne, möglich gewesen sei. Gäwiß dürfe die Sorgfaltspflicht im Sinne des § 9 Abs. 2 EKHG nicht überspannt werden, zumal eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden müsse. Das Ausmaß der Sorgfaltspflicht habe sich somit nach den Umständen des Einzelfalles zu richten und es seien an diese Sorgfaltspflicht strengste Anforderungen zu stellen. Wenngleich Haltebäume oder Betonschwellen, wie der beigezogene Bergbausachverständige unbedenklich ausgeführt habe, nur an permanenten Absturzstellen anzubringen seien, liege es doch auf der Hand, daß auch an Absturzstellen, die dauernd verlegt würden, Sicherungseinrichtungen angebracht werden müßten. Eine bloß optische Warnung durch einen nur 20 bis 30 cm hohen Schutzwall könne nicht als ausreichend angesehen werden.
Nach den besonderen Umständen des Falles erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zum Nachteil der Klägerin gerechtfertigt. Die Beklagte habe ihr somit im Rahmen der sie treffenden Gefährdungshaftung ein Drittel des LKW-Schadens zu ersetzen.
Da die Höhe dieses Schadens erst ermittelt werden müsse, sei mit der Aufhebung des Ersturteils vorzugehen.
Den angeordneten Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß der Streitwert 15.000 S übersteige und zur Haftung für Bergschäden keine einschlägige Judikatur vorliege. Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse beider Streitteile. Die Klägerin bekämpft ihn mit dem Antrag, ihn "in der Begründung dahingehend abzuändern, daß zum Grund des Anspruches eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 zu Recht erkannt wird und dementsprechend die Sache an das Berufungsgericht oder an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung über die Höhe des Anspruches und Urteilsfällung zurückverwiesen wird"; hilfsweise stellt sie den Antrag, "den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Rechtssache an das Berufungsgericht oder an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verfahrensergänzung zum Grund des Anspruchs und zur Neuschöpfung eines Urteils zurückverwiesen wird". Die Beklagte bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß zu beheben, der klägerischen Berufung keine Folge zu geben und das Ersturteil zu bestätigen", allenfalls "den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Prozeßgericht zurückzuverweisen".
Beide Streitteile haben Rekursbeantwortungen erstattet, und zwar die Beklagte mit dem Antrag, den Rekurs der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihm nicht Folge zu geben, die Klägerin mit dem Antrag, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind, was die Frage der Haftung der Beklagten dem Grunde nach anlangt, zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Soweit die Klägerin in ihrem Rechtsmittel versucht, die Richtigkeit der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zu bekämpfen, ist darauf nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist.
Den Rechtsmittelausführungen der Klägerin ist auch insoweit nicht zu folgen, als sie darzutun versucht, daß der Beklagten ein Verschulden an dem ihr - der Klägerin - entstandenen Schaden anzulasten sei. Gemäß § 189 BergG bleiben Vorschriften, nach denen der Bergbauberechtigte für einen verursachten Bergschaden in weiterem Umfang als nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes haftet, unberührt. Es entspricht Lehre und Rechtsprechung, daß nach § 1169 ABGB den Besteller eines Werkes gegenüber dem Unternehmer eine ähnliche Fürsorgepflicht trifft, wie sie dem Dienstgeber nach § 1157 ABGB gegenüber den Dienstnehmern obliegt; sie bezieht sich insbesondere auf die Sicherung der Arbeitsstätte. Allerdings darf auch im Fall eines Werkvertrages der Unternehmer, der auf Grund seiner Sachkenntnis wissen muß, daß seine Arbeitsstätte gefährlich ist, um deren Sicherheit nicht vollkommen sorglos sein. Auch er muß sich in einem solchen Fall vor Beginn der Arbeiten von den Sicherungsvorkehrungen überzeugen und nötigenfalls den Unternehmer zu den erforderlichen Maßnahmen veranlassen (SZ 49/15 mwN; 8 Ob 13, 14/85; 2 Ob 70/86 uva).
Davon ausgehend wäre der Beklagten ein Verschulden am Absturz des LKW des von ihr beigezogenen Werkunternehmers dann anzulasten, wenn sie ihr auf Grund gesetzlicher Vorschriften im Sinne des § 1311 ABGB oder auf Grund des geschlossenen Werkvertrages obliegende Sicherungspflichten verletzt hätte.
Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.
Gemäß § 352 Abs. 1 der Allgemeinen Bergpolizeiverordnung (ABPV; BGBl. 1959/114 in der geltenden Fassung; siehe dazu § 217 Abs. 1 Z 4 BergG), die für alle Betriebe gilt, die der Aufsicht der Bergbehörde unterstehen (§ 1 ABPV), sind, soweit diese Verordnung im einzelnen Fall keine Regelung trifft, unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Bergbau von den dort im einzelnen aufgezählten Verordnungen die Bestimmungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen und zum Schutz von Sachen sinngemäß anzuwenden; gemäß § 352 Abs. 2 ABPV sind im übrigen die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten.
Weder die Allgemeine Bergpolizeiverordnung noch die in ihrem § 352 Abs. 1 aufgezählten sonstigen Schutzvorschriften enthalten konkrete Vorschriften über beim Abkippen von Abraummaterial mit Lastkraftwagen über Böschungen zur Vermeidung von Abstürzen solcher Fahrzeuge einzuhaltende Sicherungsmaßnahmen. Der Bergbauunternehmer ist daher im Sinne des § 352 Abs. 2 ABPV zu den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Schutzmaßnahmen verpflichtet. Auch unter dem Gesichtspunkt der ihm gegenüber einem von ihm beigezogenen Werkunternehmer treffenden Fürsorgepflicht ist er zu nichts anderem verpflichtet.
Dieser Verpflichtung ist die Beklagte im vorliegenden Fall durch die Errichtung des festgestellten Schutzwalls an der Böschungskante nachgekommen, weil diese Maßnahme nach den getroffenen Feststellungen und dem Gutachten der beigezogenen Sachverständigen nicht nur im Bergbau bei temporären Absturzstellen durchaus üblich war, sondern auch - aufmerksame Fahrweise des LKW-Lenkers vorausgesetzt - durchaus ausreichte, um das Fahrzeug vor Absturz zu sichern, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß es nach den Feststellungen der Vorinstanzen kaum eine zumutbare Sicherheitsvorkehrung gibt, um den Absturz eines beladenen Schwerfahrzeuges in einer solchen Situation in jedem Fall mit Sicherheit zu verhindern.
Unter diesen Umständen ist der Beklagten weder die Übertretung eines der Schadensverhinderung dienenden Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB noch die schuldhafte Verletzung einer ihr auf Grund des mit Alois H*** geschlossenen Werkvertrages obliegenden Fürsorgepflicht anzulasten, sodaß die Vorinstanzen eine Verschuldenshaftung der Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden mit Recht verneint haben.
Damit ist aber die Frage einer allfälligen Gefährdungshaftung der Beklagten nach den Bestimmungen der §§ 183 ff BergG noch nicht beantwortet.
Die Beklagte bestreitet in ihrem Rechtsmittel nicht, daß sie der Klägerin für den ihr entstandenen Schaden grundsätzlich nach diesen Vorschriften einzustehen hat, versucht aber darzutun, daß ihr der Entlastungsbeweis im Sinne des § 187 BergG gelungen sei und daß sie gegenüber dem von ihr beigezogenen Werkunternehmer Alois H*** nach der Vorschrift des § 185 Abs. 3 BergG nicht zu haften habe, weil dieser Fremdunternehmer im Sinne des § 1 Z 22 BergG gewesen sei. Das zweite Argument scheitert schon daran, daß Alois H*** keinesfalls als Fremdunternehmer im Sinne des § 1 Z 22 BergG qualifiziert werden kann, weil dies voraussetzte, daß er einzelne Tätigkeiten der im § 2 Abs. 1 BergG genannten Art (Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe im betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen und Gewinnen, Suchen und Erforschen geologischer Strukturen für das Speichern flüssiger und gasförmiger Kohlenwasserstoffe, Speichern solcher Kohlenwasserstoffe und ihr Aufbereiten im betrieblichen Zusammenhang mit dem Speichern) im Auftrag des Bergbauberechtigten durchgeführt hätte. Davon kann aber hier keine Rede sein; Alois H*** war nach den getroffenen Feststellungen zur Unfallszeit auf Grund eines mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrages lediglich zum Transport und zum Abladen von Abraummaterial innerhalb ihres Betriebsgeländes verpflichtet. Alois H*** war daher keinesfalls im Sinne des § 184 Abs. 3 BergG einem Bergbauberechtigten gleichgestellt, sodaß die Anwendung der Bestimmung des § 185 Abs. 3 BergG entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsmeinung nicht in Betracht kommt.
Die Bestimmung des § 187 BergG ist im wesentlichen der des § 9 EKHG nachgebildet (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht2 II 443), sodaß in der Frage des im § 187 Abs. 2 BergG normierten Sorgfaltsmaßstabes ("jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt") die zu § 9 Abs. 2 EKHG bestehende einhellige Judikatur herangezogen werden kann.
Danach umfaßt die Sorgfaltspflicht im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht die gewöhnliche, sondern die äußerste nach den Umständen des Falles mögliche Sorgfalt. Als Maßstab ist die Sorgfalt eines besonders umsichtigen und sachkundigen Menschen heranzuziehen. Die Sorgfaltspflicht im Sinne dieser Gesetzesstellen, an die nicht billige, sondern strengste Anforderungen zu stellen sind, setzt nicht erst in der Gefahrenlage ein, sondern verlangt, daß auch schon vorher die Herbeiführung einer Situation vermieden wird, aus der eine Gefahr entstehen kann. Diese äußerste Sorgfalt ist nur dann beobachtet, wenn der ihr Unterworfene eine über die gewöhnliche Sorgfaltspflicht hinausgehende, besonders überlegene Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht gezeigt hat (ZVR 1982/369 mwN uva). Allerdings darf diese Sorgfaltspflicht auch nicht überspannt werden, soll eine vom Gesetzgeber nicht gewollte reine Erfolgshaftung vermieden werden (ZVR 1984/150 mwN uva).
Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten kommt es für die Erbringung des Entlastungsbeweises nicht darauf an, ob die von der Beklagten getroffenen Schutzmaßnahmen (Aufschüttung eines 20 bis 30 cm hohen Sicherungswalls) den anerkannten Regeln der Technik entsprachen oder ob es überhaupt zumutbare Schutzmaßnahmen gegeben hätte, um den Absturz eines LKW mit einem Gesamtgewicht von 22 Tonnen zu vermeiden, sondern darauf, ob sich auch ein besonders sorgfältiger und vorsichtiger Bergbauunternehmer mit einer derartigen Schutzmaßnahme begnügt und nicht darüber hinausgehende Schutzmaßnahmen getroffen hätte, die eine höhere Sicherheit gegen den Absturz eines LKW geboten hätten. Hier ist aber dem Berufungsgericht durchaus darin zu folgen, daß die Beobachtung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt im Sinne des § 187 Abs. 2 BergG von der Beklagten zumindest die Errichtung eines höheren und breiteren Schutzwalls erfordert hätte, wie er nach den Feststellungen der Vorinstanzen nach dem hier zu beurteilenden Unfall von der Berghauptmannschaft Leoben angeordnet und dann von der Beklagten auch tatsächlich errichtet wurde.
Mit Recht hat unter diesen Umständen das Berufungsgericht den der Beklagten nach § 187 BergG obliegenden Entlastungsbeweis nicht als erbracht angesehen und demgemäß die Haftung der Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden nach den Bestimmungen der §§ 183 ff BergG bejaht.
Gemäß § 188 Abs. 1 BergG gilt, wenn bei der Entstehung des Bergschadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, § 1304 ABGB sinngemäß. Daß den Getöteten ein Verschulden an dem eingetretenen Unfall trifft, wurde von der Klägerin ausdrücklich zugestanden.
Die von beiden Streitteilen in ihren Rechtsmitteln behandelte Frage des Ausmaßes der Schadensteilung (die Klägerin strebt eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 an, die Beklagte eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 4 zu Lasten der Klägerin) ist keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat die zu beachtenden Zurechnungskriterien (auf Seiten der Klägerin Verschulden des Getöteten, auf Seiten der Beklagten Gefährdungshaftung nach den Bestimmungen der §§ 183 ff BergG) richtig ermittelt. Die Gewichtung dieser Zurechnungskriterien nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles ist keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO (siehe dazu Petrasch in ÖJZ 1983, 177 und 203), deren Lösung durch das Berufungsgericht im Rahmen der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen dessen unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß im Zulassungsbereich einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich wäre. Eine wesentliche Verkennung der Rechtslage liegt der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Klägerin nicht zugrunde. Soweit sich daher beide vorliegende Rechtsmittel gegen das Ausmaß der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung richten, kann auf sie nicht eingegangen werden, weil insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht gegeben sind.
Es hat daher, da Feststellungen über die Schadenshöhe nicht getroffen wurden, bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichtes zu verbleiben.
Da die Rekurse beider Streitteile zur Klärung der Rechtslage beigetragen haben, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl. 1958/28).
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