OGH 2Ob11/84

OGH2Ob11/8415.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann H*****, 2.) V*****, beide vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 328.037,50 S, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. November 1983, GZ 6 R 182/83-29, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 29. Juli 1983, GZ 19 Cg 524/82-24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision des Erstklägers wird zurückgewiesen.

Der Revision der zweitklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Erstkläger hat der beklagten Partei die mit 1.426 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 103,45 S Umsatzsteuer und 288 S Barauslagen), die zweitklagende Partei hat der beklagten Partei die mit 12.834,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 931,10 S USt und 2.592 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger wurde am 29. 4. 1979 als Fußgänger auf der Hilpersdorfer Gemeindestraße in Malta von einem von Johann S***** gelenkten und gehaltenen, bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW, Kennzeichen K *****, niedergestoßen und schwer verletzt. Er begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die ihm aus dem Unfall in Zukunft entstehenden Schäden und zwar mit der Beschränkung auf die Höhe der Haftpflichtversicherungssumme. Die zweitklagende Partei macht ihr von ihm abgetretene Leistungsansprüche (300.000 S Schmerzengeld, 30.000 S Verunstaltungsentschädigung, 20.000 S Kosten einer kosmetischen Operation, 5.000 S Pflegekosten, 49.580 S Kosten für Aushilfskräfte, 7.000 S vermehrte Aufwendungen, 1.500 S Kosten für Besuchsfahrten, 35.000 S Verdienstentgang und 2.900 S für Sachschaden abzüglich Teilzahlung 60.000 S) in der Gesamthöhe von 390.980 S samt Anhang geltend.

Die beklagte Partei wendete ua ein Mitverschulden des Erstklägers am Unfall im Ausmaß von 2/3 ein und beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht stellte die Haftung der beklagten Partei für die künftigen Unfallsfolgen des Erstklägers im Ausmaß von 50 % mit der Beschränkung auf die Haftpflichtversicherungssumme fest, sprach der zweitklagenden Partei einen Gesamtbetrag von 43.890 S samt Anhang zu und wies das jeweilige Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstklägers nicht Folge; es sprach diesbezüglich aus, dass der Wert des Streitgegenstands den Betrag von 60.000 S nicht übersteigt. Der auf Zuspruch eines weiteren Betrags von 321.390 S sA gerichteten Berufung der zweitklagenden Partei gab es teilweise Folge und sprach dieser einen weiteren Betrag von 26.072,50 S sA zu.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wenden sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobenen Revisionen der beiden klagenden Parteien mit dem Antrage auf Abänderung dahin, „dass dem Klagebegehren mit den zuletzt begehrten Beträgen zur Gänze stattgegeben werde“; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Erstklägers als unzulässig zurückzuweisen und jener der zweitklagenden Partei nicht Folge zu geben.

Hinsichtlich der in der Revision bekämpften teilweisen Abweisung des Feststellungsbegehrens des Erstklägers fehlt es zur Gänze an einem Revisionsantrag, doch ist darauf nicht weiter einzugehen, weil die Revision insoweit ohnehin unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat gemäß § 500 Abs 2 Z 2 ZPO ausgesprochen, dass der den Erstkläger betreffende Wert des Streitgegenstands, nämlich sein allein gestelltes Feststellungsbegehren, 60.000 S nicht übersteigt. Gegen diesen Ausspruch ist gemäß § 500 Abs 4 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig. Somit liegt aber eine Unzulässigkeit dieser Revision iSd § 502 Abs 3 erster Satz ZPO vor. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Erstklägers ergibt sich auch nicht aus der gemeinsamen Klage mit der zweitklagenden Partei als Zessionarin seiner Leistungsansprüche, zumal der Geschädigte und dessen Teilzessionar formelle Streitgenossen iSd § 11 Z 2 ZPO sind (SZ 42/47; 2 Ob 222/82, 8 Ob 571/84 ua) - woran die Neufassung der ZPO durch die ZP-Novelle 1983 nichts geändert hat (1 Ob 45/83, 8 Ob 535, 536/84 ua) - und nach ständiger Judikatur (Jud 56, 2 Ob 18/83, 8 Ob 11/84 ua) bei formeller Streitgenossenschaft die Anfechtbarkeit von Entscheidungen für jeden Streitgenossen gesondert zu beurteilen ist.

Aus diesen Gründen war die Revision des Erstklägers zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der zweitklagenden Partei ist zulässig, jedoch nicht gerechtfertigt.

Den unterinstanzlichen Entscheidungen liegt folgender, für das Revisionsverfahren erheblicher Sachverhalt zugrunde: Die Fahrbahn der Hilpersdorfer Gemeindestraße weist im Unfallsbereich in der Fahrtrichtung des Johann S***** eine unterschiedliche Breite von 4,35 m bis 4,9 m auf. Sie steigt hier auf eine Strecke von 50 m bis zu einer auf Höhe eines Einmündungstrichters gelegenen Kuppe mit ca 3 bis 4 % an, die Sichtweite beträgt in dieser Anfahrtsrichtung rund 150 m. In Abständen von 50 m sind Straßenbeleuchtungskörper vorhanden. Im Unfallsbereich besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit 50 km/h. Am Unfallstag trieb der Erstkläger um ca 1:15 Uhr nachts auf der vorgenannten Straße entgegen der Fahrtrichtung des Johann S***** sechs Ziegen, und zwar drei Muttertiere und drei Kitze, auf die Weide. Da eine Muttergeiß in einen nahegelegenen Gemüsegarten eingedrungen war, band er die anderen beiden Muttergeißen an den südlich der Fahrbahn stehenden Weidezaun und ließ die Kitze bei diesen zurück. Die fünf Ziegen hielten sich sodann im Rudel auf der südlichen Fahrbahnhälfte bis zur Fahrbahnmitte hin auf. Mit der inzwischen eingefangenen Ziege kam dann der Erstkläger aus dem genannten Einmündungstrichter der nördlich der Fahrbahn gelegenen Gehöftezufahrt auf die Fahrbahn, um diese in Richtung Süden zu überqueren. Dabei erblickte er den aus Westen kommenden, von Johann S***** gelenkten PKW, leuchtete diesem mit einer Taschenlampe entgegen und machte spätestens 2,5 bis 3 Sekunden vor dem Zusammenstoß eine Kehrtwendung, um wieder zum nördlichen Fahrbahnrand zurückzugelangen, weil er sich durch den bereits auf der nördlichen Fahrbahn herannahenden PKW gefährdet fühlte. Er wurde schließlich 3,6 m vom südlichen Fahrbahnrand entfernt vom linken Vordereck des PKW erfasst und zu Boden gestoßen. Johann S***** hatte sich mit dem PKW, an welchem Abblendlicht eingeschaltet war, zunächst mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h der Unfallstelle genähert. Wegen der sich auf der südlichen (= rechten) Fahrbahnhälfte aufhaltenden Ziegen lenkte er sein Fahrzeug auf die nördliche (= linke) Fahrbahnhälfte, wobei dieser Fahrbahnwechsel mindestens 35 m, das ist 3 Sekunden vor der Kollision vorgenommen wurde. Rund 21 m (2 Sekunden) vor der Kollision hat S***** „den von Süden nach Norden strebenden Erstkläger erkannt“ und eine Vollbremsung eingeleitet. Die Durchschnittsgeschwindigkeit während der Vorbremsdauer von einer Sekunde betrug noch rund 45 km/h. In dieser Zeit legte der PKW 12,5 m zurück. Durch die Vollbremsung wurde die Geschwindigkeit sodann auf der Strecke von 8,55 m bis zum Anprall auf 17 km/h reduziert. Da die Reichweite des Abblendlichts des PKW 35 m betrug, fällt dem Johann S***** eine Reaktionsverspätung von 1 Sekunde zur Last. Sein Anhalteweg aus 50 km/h betrug 27,8 m (2,9 Sekunden). Die Feststellung, dass der Erstkläger dem Johann S***** mit einer Taschenlampe entgegenleuchtete, übernahm das Erstgericht gemäß § 268 ZPO aus dem Inhalt des rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils, mit welchem Johann S***** wegen dieses Unfalls des Vergehens nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall StGB, schuldig erkannt worden war. Durch den Unfall erlitt der Erstkläger einen Beckentrümmerbruch links mit zentraler Hüftluxation, eine Gehirnerschütterung, eine 5 cm lange Rissquetschwunde an der Stirn und mehrfache Prellungen, Abschürfungen und Blutunterlaufungen. Er wurde am 7. 7. 1979 aus dem Krankenhaus entlassen und konnte ab 19. 7. 1979 mit einem Stock als Gehhilfe gehen. Da er in der Folge beim Gehen noch starke Schmerzen hatte, wurde er am 3. 10. 1979 im Rehabilitationszentrum Tobelbad stationär aufgenommen, jedoch am 22. 10. 1979 nach gehäuften Alkoholexzessen entlassen. Danach erfolgte keine Behandlung mehr. Verblieben ist beim Erstkläger als Unfallsfolge eine belanglose 2 x 2 cm messende Narbe im Bereiche der linken Stirnhälfte, die nur aus der Nähe sichtbar und durch welche eine kosmetische Entstellung nicht eingetreten ist. Der Erstkläger hatte nach seiner Parteienaussage (AS 91) weder zum Zeitpunkt des Unfalls noch seither die Absicht, sich zu verehelichen. Als Dauerfolge besteht weiters an der linken Hüfte eine schwere posttraumatische Arthrose mit Stufenbildung in der Hüftgelenkspfanne. Die Belastbarkeit des Hüftgelenks ist deutlich eingeschränkt und es ist mit einer fortschreitenden Arthrose zu rechnen. Insgesamt hatte der Kläger starke Schmerzen im Ausmaß von zwei bis drei Tagen, mittlere Schmerzen im Ausmaß von 20 bis 25 Tagen und leichte Schmerzen im Ausmaß von 100 bis 120 Tagen zu erdulden. Es ist mit Sicherheit auch nach dem 31. 12. 1983 mit dem Auftreten von Schmerzen zu rechnen, voraussichtlich wird am Erstkläger auch eine Hüftersatzoperation vorgenommen werden müssen. Einen Verdienstentgang des Erstklägers hielt das Erstgericht nicht für erwiesen. Er ist gelernter Zimmermann, im Jahre 1939 geboren, zum Zeitpunkt des Unfalls war er arbeitslos; er betreibt eine kleine Landwirtschaft. Vermehrte Aufwendungen stellte das Erstgericht im Betrage von 1.797 S fest, Pflegekosten mit 5.000 S, Kosten für Aushilfskräfte mit 49.580 S, Besuchskosten mit 700 S und Sachschäden mit 2.500 S; weiters eine Haushaltsersparnis während der stationären Aufenthalte von 2.700 S. Der Erstkläger hat seine Leistungsansprüche an die zweitklagende Partei abgetreten. Die beklagte Partei leistete eine Teilzahlung von 60.000 S ohne bestimmte Widmung.

In seiner rechtlichen Beurteilung lastete das Erstgericht dem Johann S***** unter Hinweis auf seine strafgerichtliche Verurteilung eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 10 km/h sowie einen Aufmerksamkeitsfehler bzw eine Reaktionsverspätung von einer Sekunde an. Dem Erstkläger dagegen warf es Übertretungen der Schutzvorschriften des § 80 Abs 3 bis 5 StVO 1960 sowie ein in seiner Kehrtwendung gelegenes unvorsichtiges Überqueren der Fahrbahn vor. Das beiderseitige Fehlverhalten der Unfallsbeteiligten wertete es als gleich schwer und sprach demgemäß eine Verschuldensteilung von 1 : 1 aus. An Schmerzengeld hielt das Erstgericht einen Betrag von 150.000 S für angemessen. Dagegen verneinte es einen Verdienstentgang mangels Nachweises, aber auch den Anspruch nach § 1326 ABGB, weil durch die vorhandene unbedeutende Narbe an der Stirn das bessere Fortkommen des Klägers nicht beeinträchtigt erscheine, wobei darauf verwiesen wurde, dass diese Unfallsfolge bei der Schmerzengeldbemessung mitberücksichtigt worden sei. Die vermehrten Aufwendungen von 1.797 S erachtete es als mit der Haushaltsersparnis des Erstklägers zur Gänze ausgeglichen. Insgesamt stellte es die Leistungsansprüche mit 207.780 S fest und sprach der zweitklagenden Partei unter Berücksichtigung des gleichteiligen Mitverschuldens des Erstklägers am Unfall die Hälfte hievon, das sind somit 103.890 S abzüglich der Teilzahlung von 60.000 S, demnach den Betrag von 43.980 S, zu.

Das Berufungsgericht hielt die Beweisrüge der zweitklagenden Partei nicht, dagegen ihre Rechtsrüge teilweise für gerechtfertigt. Es trat der erstgerichtlichen Auffassung bei, dass dem Johann S***** eine als geringfügig zu bewertende Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 % sowie eine auf einen Aufmerksamkeitsfehler zurückzuführende Reaktionsverzögerung von einer Sekunde zur Last falle. Der Erstkläger habe zu ungewöhnlicher Nachtzeit und unter ungünstigen Sichtverhältnissen einen Viehtrieb durchgeführt und hiebei die Bestimmung des § 80 StVO verletzt, zumal durch die Versperrung der einen Fahrbahnhälfte eine Behinderung des Verkehrs eingetreten sei. Weiters sei ihm auch ein Verstoß gegen § 76 Abs 5 StVO anzulasten, da er vor dem sich für ihn wahrnehmbar annähernden PKW versucht habe, mit einer Ziege die Fahrbahn zu überqueren. Unter diesen Umständen könne sich die zweitklagende Partei durch die erstgerichtliche Verschuldensteilung nicht beschwert erachten. Wohl sei im Hinblick darauf, dass das Schmerzengeld ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht worden sei, also nur noch unvorhersehbares Ungemach einen weiteren diesbezüglichen Anspruch entstehen lasse, eine Erhöhung desselben auf 200.000 S gerechtfertigt. Der Verdienstentgang des Erstklägers hingegen sei nicht erwiesen und auch eine Verhinderung des besseren Fortkommens des Erstklägers durch die festgestellte Narbe nicht gegeben. Den festgestellten vermehrten Aufwendungen des Erstklägers jedoch könne entgegen der erstgerichtlichen Ansicht mangels sachlicher Kongruenz die Haushaltsersparnis nicht entgegengehalten werden. Der diesbezügliche Anspruch bestehe daher mit 2.145 S (Lesematerial und Trinkgelder 1.797 S; Fahrtspesen 348 S für ein öffentliches Verkehrsmittel statt Taxikosten von 2.700 S) grundsätzlich zu Recht. Somit sei der zweitklagenden Partei ein weiterer Betrag von 26.072,50 S zuzuerkennen.

In der Revision der zweitklagenden Partei wird zur Verschuldensfrage vorgebracht, zum Unfallszeitpunkt hätten sich nur drei Kitze auf der südlichen Fahrbahnhälfte aufgehalten und der Erstkläger habe mit der Taschenlampe ohnehin Blinkzeichen gegeben, der Vorwurf einer Übertretung des § 76 Abs 5 StVO sei überhaupt ungerechtfertigt. Somit treffe den Erstkläger aber kein Mitverschulden am Unfall. Johann S***** dagegen habe trotz Erkennens des Hindernisses auf seiner rechten Fahrbahnhälfte die Fahrgeschwindigkeit nicht herabgesetzt, wegen der unübersichtlichen Unfallsörtlichkeit auch nicht mit der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h fahren dürfen und auf die Blinkzeichen nicht rechtzeitig reagiert. Hinsichtlich der Schmerzengeldforderung vertritt die Revisionswerberin den Standpunkt, dass dieser Anspruch im Hinblick auf die schweren Verletzungen des Erstklägers und den Umstand, dass er in seiner Arbeitsfähigkeit „nach wie vor um 30 % eingeschränkt sei“, in der vollen Höhe gerechtfertigt erscheine. Aber auch die begehrte Verunstaltungsentschädigung stehe ihm zu, da die Narben an der Stirne für den unverheirateten Erstkläger eine erhebliche Behinderung bei der Anknüpfung zwischenmenschlicher Kontakte bedeuteten und er überdies bis Jahresende 1979 sowohl als Zimmermann als auch als Landwirt und bis März 1982 als Zimmermann, somit aber jedenfalls vorübergehend, arbeitsunfähig gewesen sei. Hinsichtlich des von den Unterinstanzen nicht als erwiesen angenommenen Verdienstentgangs sei ihm eine „übersteigerte Beweispflicht“ auferlegt worden. Betreffend die vermehrten Aufwendungen habe das Berufungsgericht nur einen Betrag von 2.145 S als erwiesen angenommen. Da es sich bei letzteren aber um Kosten für Lesematerial, Trinkgelder usw gehandelt habe, hätte das Berufungsgericht richtigerweise einen Betrag von 2.500 S gemäß § 273 ZPO zusprechen müssen.

Den Revisionsausführungen kann insgesamt nicht gefolgt werden.

Soweit die Revision in der Verschuldensfrage davon ausgeht, dass sich zur Unfallszeit nur drei Kitze auf der südlichen Fahrbahnhälfte befunden hätten - sodass dieser Fahrbahnteil nicht blockiert gewesen sei - weicht sie von den Feststellungen ab und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Mit ihrer Behauptung, der Erstkläger habe „ohnehin Blinkzeichen“ gegeben, sind die Revisionswerber auf die Bestimmung des § 80 Abs 5 StVO 1960 (idF vor der 10. StVO-Novelle 1984; nunmehr: § 80 Abs 6 StVO) zu verweisen, wonach der Trieb einzelner Tiere bei Dunkelheit durch eine hell leuchtende Lampe gesichert, also ständig Licht ausgestrahlt werden muss. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (ZVR 1972/27), genügt daher die Abgabe von Blinklichtsignalen bei Annäherung von Fahrzeugen nicht. Weiters kann wegen der im Unfallsbereich gegebenen Sichtweite von 150 m der Revision auch nicht darin gefolgt werden, dass Johann S***** wegen der „unübersichtlichen Unfallsörtlichkeit“ nicht mit der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte fahren dürfen. Der Erstkläger hat schließlich nach den Feststellungen zunächst die Fahrbahn teilweise zu den auf der südlichen Fahrbahnhälfte stehenden Ziegen hin mit einer Ziege überquert, obwohl er den herannahenden PKW des Johann S***** bereits wahrgenommen hatte, sodann aber für den Letztgenannten auch die nördliche Fahrbahnhälfte und damit die gesamte Fahrbahn dadurch blockiert, dass er mit der geführten Ziege eine Kehrtwendung machte und wiederum dem nördlichen Fahrbahnrand zustrebte.

Das somit mehrfach den Straßenverkehrsvorschriften widersprechende Verhalten des Erstklägers wurde von den Unterinstanzen zutreffend dahin bewertet, dass es der relativ geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung und Reaktionsverzögerung des Johann S***** gleichwertig erscheint und den Ausspruch eines gleichteiligen Verschuldens rechtfertigt.

Auch die berufungsgerichtliche Schmerzengeldbemessung ist zu billigen. Der Erstkläger erlitt beim Unfall im Wesentlichen einen Beckentrümmerbruch, befand sich deswegen etwas über zwei Monate im Krankenhaus und war dann mit Hilfe eines Stocks wieder gehfähig. In der Folge hielt er sich noch rund drei Wochen in einem Rehabilitationszentrum auf, danach erfolgte keine Behandlung mehr. Als Dauerfolge besteht neben einer belanglosen Narbe auf der Stirn eine schwere posttraumatische Arthrose an der linken Hüfte. Nicht festgestellt wurde, dass die Arbeitsfähigkeit des Erstklägers, wie in der Revision behauptet, um 30 % eingeschränkt wäre. Insgesamt hatte er bisher durch rund vier bis fünf Monate Schmerzen zu ertragen, künftige Schmerzen sind aus einer Hüftgelenksoperation zu erwarten. Bei diesem Verletzungs- und Schmerzensbild erscheint dem erkennenden Senat das vom Berufungsgericht auf 200.000 S erhöhte Schmerzengeld entgegen der Ansicht der Revisionswerberin aber nicht zu gering.

Da durch die festgestelltermaßen belanglose, nur aus der Nähe wahrnehmbare Narbe des Erstklägers auf der Stirn keinerlei Entstellung eingetreten ist, fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen für die Zuerkennung auch einer Verunstaltungsentschädigung. Die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des Erstklägers steht mit dieser Unfallsfolge überhaupt nicht in Zusammenhang, doch wäre auch andernfalls diesbezüglich nur ein Anspruch auf Ersatz des konkreten Verdienstentgangs gegeben.

Der Eintritt eines Verdienstentgangs wurde von den Unterinstanzen nicht als erwiesen angenommen. An diese Feststellungen ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Der Vorwurf der Revisionswerber, diesbezüglich sei ihnen von den Unterinstanzen eine „übersteigerte Beweispflicht“ auferlegt worden, betrifft, zumal damit eine Verletzung der Beweislastregeln selbst gar nicht behauptet wird, lediglich die im Revisionsverfahren unanfechtbare Beweiswürdigung.

Schließlich hat das Berufungsgericht die vermehrten Aufwendungen des Erstklägers aufgrund der ihm hinlänglich erscheinenden Beweisergebnisse festgestellt. In einem solchen Falle ist für eine Festsetzung nach der Bestimmung des § 273 ZPO kein Raum (8 Ob 93/94/65; 7 Ob 609/81 ua).

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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