OGH 2Ob113/89

OGH2Ob113/8928.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** G***, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ferreydun V***-U***, Geschäftsführer, Neubaugasse 80, 1070 Wien, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 117.353,76 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. März 1989, GZ 12 R 283/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14. Juni 1988, GZ 33 Cg 189/87-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit vom Beklagten die Zahlung von 117.353,76 S sA im wesentlichen mit der Begründung, daß er mit Bürgschaftserklärung vom 13. Februar 1985 der Beitragsschuld der M*** Handelsgesellschaft mbH (in der Folge als Gesellschaft bezeichnet) an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen bis einschließlich Dezember 1984 in der Höhe von 29.715,89 S zuzüglich der noch zu berechnenden Nebengebühren sowie der Nachtragsvorschreibungen und der Beitragszuschläge als Bürge und Zahler vorbehaltlos und unwiderruflich beigetreten sei. Der Klagsbetrag resultiere aus Nachtragsvorschreibungen samt Beitragszuschlägen für die Zeit von Jänner 1981 bis Oktober 1984, die im März und April 1986 anläßlich einer Beitragsprüfung vorgeschrieben worden seien.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, er habe infolge mangelnder Deutschkenntnisse nicht erkennen können, daß zusätzlich zu dem Saldo von 29.715,89 S auf Grund einer Betriebsprüfung noch weitere Schulden entstehen könnten. Die von der Klägerin dem Beklagten abverlangte Erklärung, derzufolge dem Beklagten für die Zukunft eine Haftung entstehen könne, die keine detaillierte Forderungsaufstellung enthalten habe, sei sittenwidrig. Der Beklagte habe sich in einem von der Klägerin veranlaßten Irrtum befunden, weil ihm trotz mehrfachen Befragens immer nur gesagt worden sei, daß noch 29.715,89 S offen seien und er nicht darauf hingewiesen worden sei, daß auf Grund einer Betriebsprüfung noch weitere rückständige Beträge dazukommen könnten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte wurde im Mai 1984 Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft.

Am 13. Februar 1985 fand sich der Beklagte bei Otto S***, dem Parteienreferenten in der Exekutionsabteilung der Klägerin, ein und zahlte bei der Klägerin 6.500 S gegen Kassabeleg. S*** sagte dem Beklagten dann, es seien 29.715,89 S offen. Es kann nicht festgestellt werden, daß S*** geäußert hätte, die 29.715,89 S seien alles, nämlich der ganze Rückstand bis einschließlich Dezember 1984.

Als der Beklagte zu S*** gekommen war, war das Formular Beilage A noch nicht ausgefüllt. Die maschingeschriebenen Teile des Formulars wurden dann von einer Bediensteten der Klägerin nach dem Diktat S*** in Beilage A eingesetzt. Als dies geschah, war der Beklagte nicht anwesend. S*** las dem Beklagten dann den vollen bis dahin vorhandenen Text der Niederschrift Beilage A Wort für Wort vom Anfang bis zum Schluß vor. Der Beklagte sagte nicht zu S***, daß er dieses oder jenes nicht verstehe, und machte nicht vor dem Unterschreiben irgendwelche Vorbehalte, daß er sich dies noch übersetzen lassen müsse oder dergleichen. Er sagte auch nicht, daß er eine Überlegungsfrist haben und nicht gleich unterschreiben wolle. Er setzte mit eigener Hand auf eine Seite der Beilage A sein Einkommen, nämlich "ÖS ca. 5.000,-- monatlich" ein und unterfertigte dann auf der anderen Seite; S*** unterschrieb auch. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte den Passus "zuzüglich der noch zu berechnenden Nebengebühren, sowie der Nachtragsvorschreibungen und der Beitragszuschläge" nicht aufgefaßt hätte.

Die Niederschrift Beilage A hat im wesentlichen folgenden

Wortlaut:

"Kto Nr. 863 623 o Niederschrift vom 13.2.1985.

Ort: WIENER G***, Abteilung Beitragseinhebung

Anwesende:

  1. 1) Otto S*** Verhandlungsleiter
  2. 2) Herr Ferreydun V***-U***, geb. am 9.10.1940, Beruf Geschäftsführer, wohnhaft Wien 7., Neubaugasse 80/2 ....

    I) Über meine Einkommens- und Vermögensverhältnisse befragt, gebe

    ich nachstehendes an: ÖS ca. 5000,--

    monatlich.

    II) Somit trete ich Ferreydun V***-U***, geb. am 9.10.1940, der Schuld der prot.Fa. M*** Handelsgesellschaft m.b.H., Wien 15., Jurekgasse 30 B, an Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich 12/84 auf den jeweiligen Beitragskonten in der Höhe von S 29.715,89, in Worten zwanzigneuntausendsiebenhundertfünfzehn 89/100, zuzüglich der noch zu berechnenden Nebengebühren, sowie der Nachtragsvorschreibungen und der Beitragszuschläge, als Bürge und Zahler vorbehaltslos und unwiderruflich bei.

    Gleichzeitig trete ich den ab 1/85 auf den Beitragskonten neu auflaufenden Sozialversicherungsbeiträgen und den Nebengebühren sowie den Nachtragsvorschreibungen und den Beitragszuschlägen, als Bürge und Zahler vorbehaltslos und unwiderruflich bei. Die Haftung erlischt, wenn keine wie immer gearteten Rückstände an Kapital und Nebengebühren einschließlich Verzugszinsen auf sämtlichen Beitragskonten aushaften (d.h., wenn Saldo Null eintritt).

    ........".

    Den Betrag von 29.715,89 S hatte S*** einem Kontoauszug entnommen; er war nicht zwischen ihm und dem Beklagten diskutiert worden. Der Beklagte sagte nicht, der Betrag sei zu hoch, ein anderer Betrag sei richtig.

    Am 13. Februar 1985 wußte S*** nicht, daß von der Klägerin aus bei der Gesellschaft eine Betriebsprüfung durchgeführt werden sollte.

    Es war nicht im Detail besprochen worden, daß sich der Beklagte zur Zahlung von Nachtragsvorschreibungen und Beitragszuschlägen verpflichte. Es war auch nicht darüber gesprochen worden, ob der Beklagte einen Dolmetsch haben wolle oder nicht.

    Der Beklagte wollte sich damals, als er die Beilage A unterfertigte, genau dem Text der Beilage A entsprechend als Bürge und Zahler verpflichten, insbesondere auch hinsichtlich der Nachtragsvorschreibungen und Beitragszuschläge; der Beklagte irrte diesbezüglich nicht.

    Die in der Beilage A bezifferte Schuld von 29.715,89 S samt Nebengebühren wurde bezahlt, nicht aber die mit den Nachtragsvorschreibungen laut Beilage B vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge.

    Die Klägerin erließ - verursacht durch eine Betriebsprüfung (Beitragsprüfung) bei der Gesellschaft - den Rückstandsausweis vom 4. August 1987 wie Beilage B. Er betrifft folgende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren:

Beitragszeitraum Schilling

3. N.Beitr.Pr. 03/86 88.469,81

1. BZ.113/1 03/86 14.000,--

3. N.Beitr.Pr. 04/86 1.722,60

Summe 104.192,41

Verzugszinsen bis 4.8.87 12.110,23

Nebengebühren 575,96

restliche Verzugszinsen und

Nebengebühren für 09/84 475,16

Gesamtsumme 117.353,76

Die Gesellschaft schuldet die in diesem Rückstandsausweis angeführten Sozialversicherungsbeiträge der Klägerin. Die Nachtragsvorschreibung über 88.469,81 S umfaßt Sozialversicherungsbeiträge für den Beitragszeitraum Jänner 1981 bis Oktober 1984; es wurden auch Sonderzahlungen berücksichtigt. Die Nachtragsvorschreibung über 1.722,60 S umfaßt Sozialversicherungsbeiträge für den Beitragszeitraum November 1982. Der Beitragszuschlag von 14.000 S bezieht sich auf beide Nachtragsvorschreibungen. Ursache für die Nachtragsvorschreibungen und den Beitragszuschlag war, daß der Klägerin von der Gesellschaft Versicherungszeiten und Löhne nicht gemeldet worden waren. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte infolge mangelhafter Deutschkenntnisse nicht erkennen konnte, daß zusätzlich zu dem Saldo von 29.715,89 S auf Grund einer Betriebsprüfung noch weitere Schulden entstehen könnten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die zwischen den Streitteilen geschlossene Vereinbarung nicht sittenwidrig sei, ein Mißverstehen der Bürgschaftserklärung durch den Beklagten infolge mangelnder Deutschkenntnisse nicht vorliege und die Vorschrift des § 864 a ABGB nicht anwendbar sei, weil dem Beklagten der Text der Bürgschaftserklärung vor Unterfertigung vorgelesen worden sei und die Klägerin damit rechnen habe dürfen, daß der Beklagte die Bürgschaft zur Kenntnis genommen und akzeptiert habe. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichts im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht nahm zu der in der Berufung des Beklagten ausgeführten Tatsachenrüge nicht Stellung und führte rechtlich im wesentlichen aus, die Erklärung des Beklagten, Irrtum geltend zu machen, sei als Anfechtung der Bürgschaftserklärung wegen Irrtums jedenfalls in einem den Betrag von 29.715,89 S übersteigenden Ausmaß anzusehen, wobei dem Vorbringen des Beklagten auch unterstellt werden müsse, daß er sich nicht verbürgt hätte, wenn er gewußt hätte, auf Grund seiner Erklärung für einen wesentlich höheren Betrag als 29.715,89 S herangezogen werden zu können. Gemäß § 871 Abs 1 ABGB könne ein Vertrag wegen Irrtums insbesondere dann angefochten werden, wenn der Irrtum durch den anderen veranlaßt worden sei. Auf die Verletzung von Aufklärungspflichten als Anlaß für einen Irrtum der Gegenseite nehme das Gesetz im § 871 Abs 2 Bezug, welche Bestimmung auch für die Verletzung privatrechtlicher Aufklärungspflichten zu gelten habe. Die Verletzung einer privatrechtlichen Aufklärungspflicht sei immer dann anzunehmen, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben hätte reden müssen.

Die Klägerin mache den eingeklagten Betrag als Nachtragsvorschreibung und Beitragszuschlag für die Zeit von Jänner 1981 bis Oktober 1984 geltend. Der Beklagte habe auf Grund der schriftlichen Bürgschaftserklärung Beilage A im Zusammenhang mit der Bedeutung des Wortes "Nachtragsvorschreibungen" mit der nachträglichen Vorschreibung höchstens eines Bruchteils des Betrags rechnen müssen, für den er sich ziffernmäßig verbürgt habe, keinesfalls aber, daß er als Bürge für die Zahlung eines Betrags in der Höhe von nahezu des Vierfachen der ursprünglichen Bürgschaftssumme herangezogen werden könnte. Um eine gültige Erklärung in diesem Sinn zu bewirken, hätte es, auch wenn dem Vertreter der Klägerin zur Zeit der Abgabe der Bürgschaftserklärung durch den Beklagten eine Betriebsprüfung mit exorbitanten Nachtragsvorschreibungen nicht bekannt gewesen sei, eines entsprechenden Hinweises gegenüber dem Beklagten durch den Vertreter der Klägerin bedurft, daß er unter dem Titel "Nachtragsvorschreibungen" auch mit der Inanspruchnahme mit einem Vielfachen des ziffernmäßig festgelegten Betrags rechnen müsse.

Da der Beklagte in diesem Sinn nicht aufgeklärt worden sei, fechte er die Bürgschaftserklärung, jedenfalls soweit sie über den dort ziffernmäßig festgelegten Betrag hinausgehe, zutreffend wegen Irrtums an.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage der Veranlassung eines Irrtums durch Schweigen und Verletzung von privatrechtlichen Aufklärungspflichten keine hinreichend gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und sachlich berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Hingegen kann der Rechtsrüge der Klägerin Berechtigung nicht aberkannt werden.

Nach dem klaren Wortlaut der vom Beklagten gegenüber der Klägerin am 13. Februar 1985 abgegebenen Erklärung (Beilage A) trat der Beklagte der Schuld der Gesellschaft an Sozialversicherungsbeiträgen bis einschließlich Dezember 1984 in der Höhe von 29.715,89 S zuzüglich der noch zu berechnenden Nebengebühren sowie der Nachtragsvorschreibungen und der Beitragszuschläge als Bürge und Zahler vorbehaltlos und unwiderruflich bei.

Eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung dieser zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung durch den Beklagten wegen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Klägerin im Sinne des § 871 ABGB (siehe dazu SZ 55/51 mwN ua), wie sie vom Berufungsgericht angenommen wurde, würde zunächst voraussetzen, daß eine solche Handlungsweise der Klägerin für einen Irrtum des Beklagten, also eine unrichtige Vorstellung des Beklagten über den Inhalt der von ihm abgegebenen Erklärung bzw. der von ihm übernommenen Verpflichtung, ursächlich war. Im konkreten Fall würde also die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht in tatsächlicher Hinsicht vor allem voraussetzen, daß der Beklagte bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung überhaupt der Meinung war, nur mit der nachträglichen Vorschreibung höchstens eines Bruchteils des Betrags rechnen zu müssen, für den er sich ziffernmäßig verpflichtete, nicht aber mit der nachträglichen Vorschreibung eines wesentlich höheren Betrags. Eine derartige Annahme ist aber in den getroffenen Feststellungen nicht gedeckt.

Darüber hinaus entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Verletzung einer aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleiteten und im Zusammenhang mit den §§ 870 ff ABGB anerkannten vorvertraglichen Aufklärungspflicht, die nicht unter die Vorschrift des § 871 Abs 2 ABGB zu subsumieren ist, als vom Aufklärungspflichtigen veranlaßter Irrtum im Sinn des § 871 Abs 1 ABGB anzusehen ist und damit grundsätzlich zur Vertragsanfechtung berechtigt (SZ 53/130; SZ 55/51 mwN ua). Allerdings besteht eine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung Einfluß haben können, nicht; eine derartige Rechtspflicht besteht nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten konnte. Diese Schutzpflicht endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (SZ 52/22; SZ 55/51 mwN ua).

Wenn im vorliegenden Fall der Beklagte nach dem Inhalt der von ihm abgegebenen Erklärung der Schuld der Gesellschaft unter anderem aus Nachtragsvorschreibungen und Beitragszuschlägen für den Zeitraum bis Dezember 1984 als Bürge und Zahler beitrat, dann wurde ihm schon durch den Inhalt dieser Erklärung deutlich vor Augen geführt, daß er mit derartigen Forderungen der Klägerin gegen die Gesellschaft rechnen mußte, weil ansonsten diese Erklärung überhaupt sinnlos gewesen wäre. Eine bestimmte weitere inhaltliche Begrenzung der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft für derartige Forderungen ist seiner Erklärung keinesfalls zu entnehmen. Der Zweck dieser von der Klägerin angestrebten Verpflichtung des Beklagten lag augenscheinlich und klar erkennbar darin, die Klägerin für alle derartigen Forderungen gegen die Gesellschaft sicherzustellen. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Interessen des Beklagten im Rahmen einer allgemeinen Aufklärungspflicht unter diesen Umständen der Klägerin aufzuerlegen, den Beklagten auf die mögliche Höhe zu erwartender Nachtragsvorschreibungen aufmerksam zu machen, geht schon deswegen zu weit, weil diese Höhe der Klägerin bei Abschluß der Vereinbarung vom 13. Februar 1985 selbst nicht bekannt war. Daß mit der Möglichkeit solcher Nachtragsvorschreibungen gerechnet wurde, ergibt sich aus der Vereinbarung, die ansonsten sinnlos wäre. Daß derartige Nachtragsvorschreibungen - bei Vorliegen der dafür im Gesetz normierten Voraussetzungen - eine beträchtliche Höhe erreichen konnten, mußte dem Beklagten bekannt sein, ohne daß es dafür zum Schutz seiner Interessen eines gesonderten Hinweises der Klägerin bedurft hätte.

Unter diesen Umständen kann es im Sinn der dargestellten rechtlichen Grundsätze entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsmeinung der Klägerin nicht als Verstoß gegen eine gegenüber dem Beklagten bestehende Aufklärungspflicht angelastet werden, wenn sie ihn vor Abgabe seiner Bürgschaftserklärung nicht darauf aufmerksam machte, daß er mit Nachtragsvorschreibungen in einer den in der Bürgschaftserklärung ziffernmäßig ausgewiesenen Betrag von 29.715,89 S an damals bekannten Beitragsrückständen der Gesellschaft für die Zeit bis Dezember 1984 wesentlich übersteigenden Höhe rechnen mußte.

Es kann somit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht nicht beigetreten werden. Da das Berufungsgericht, ausgehend von dieser vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, auf die in der Berufung des Beklagten ausgeführte Tatsachenrüge nicht eingegangen ist und eine erschöpfende rechtliche Beurteilung vor Erledigung dieser Tatsachenrüge nicht möglich ist, muß gemäß § 510 Abs 1 ZPO das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben werden und die Rechtssache ist zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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