OGH 2Ob102/02t

OGH2Ob102/02t6.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz K*****, vertreten durch Dr. Herwig Haslacher und Dr. Klaus Karner, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Maximilian K*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak ua Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 6.924,81 (= S 95.287,50) (Revisionsinteresse EUR 6.322,54 = S 87.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2001, GZ 1 R 280/01y-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 29. August 2001, GZ 1 C 217/00a-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die von den verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer wie die Bestimmungen des vom Österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten sogenannten POE-Regeln oder die FIS-Regeln keine gültigen Rechtsnormen darstellen, dass ihnen aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0023793; zuletzt 8 Ob 266/01b; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 7 zu § 1297; Harrer in Schwimann ABGB2 VII Rz 79 zu § 1295). Dass diese Sorgfaltspflichten unter allen den Alpinsport ausübenden Beteiligten, also auch zwischen Schifahrern und Snowboardfahrern zu beachten sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (vgl 8 Ob 266/01b).

Ob die Fahrweise eines Snowboardfahrers gefährlich war und ihm damit (zumindest) leichte Fahrlässigkeit zugerechnet werden muss, ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit. Diese darf vom Obersten Gerichtshof aber als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nur dann überprüft werden, wenn dem Berufungsgericht bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm ein grober Fehler unterlaufen wäre, der im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (1 Ob 504/93). Der Beurteilung der im Einzelfall zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung von Schadensfällen kommt daher im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu. Von einer groben Fehlbeurteilung des Fahrverhaltens des Beklagten durch die Vorinstanzen kann keine Rede sein. Nach der Rechtsprechung hat ein Schiläufer (und auch ein Snowboarder) die Vorgänge auf der Piste derart aufmerksam zu beobachten, dass er Hindernissen rechtzeitig ausweichen oder davor anhalten und somit Kollisionsgefahren möglichst vermeiden kann (so schon JBl 1984, 673).

Der Beklagte hat die Piste in einer 70 bis 75 m langen Querfahrt mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h gequert, wobei er zufolge seiner "Regularstellung" (linker Fuß vorne) die gequerte Piste ohne Schwierigkeiten beobachten konnte, während der Kläger am rechten Pistenrand in Kurzschwüngen abfuhr. Der Beklagte war wegen seiner von ihm eingehaltenen, die Piste querenden Fahrlinie zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet. Er hat den am rechten Pistenrand abfahrenden Kläger bereits 70 m vor dem Unfallsort gesehen, ihn aber erst 1,1 Sekunden vor dem Unfall beachtet, worauf eine Kollision nicht mehr vermieden werden konnte. Soweit daher die Vorinstanzen in dieser Fahrweise ein, gegenüber dem Aufmerksamkeitsfehler des Klägers überwiegendes Fehlverhalten des Beklagten erblickt haben, ist ihnen kein Rechtsirrtum, geschweige denn eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende grobe Fehlbeurteilung unterlaufen. Dass ein "vergleichbarer Sachverhalt" vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, bedeutet nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS-Justiz RS0102181; RS0042843).

Da die Revision auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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