European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020NC00001.17W.0227.000
Spruch:
Der Antrag der beklagten Partei, die Rechtssache an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu delegieren, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 168,34 EUR (darin 26,88 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Äußerung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die in Deutschland ansässige klagende Partei begehrt mit ihrer beim Bezirksgericht Spittal an der Drau eingebrachten Klage von dem im Sprengel dieses Gerichts wohnhaften Beklagten Zahlung aus einem einer Kommanditgesellschaft gewährten Darlehen. Der Beklagte hafte als Kommanditist infolge „nicht‑gewinngedeckter Ausschüttungen“ für den Klagsbetrag.
Der seine Haftung bestreitende Beklagte beantragte die Delegierung des Verfahrens gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien. Beide Parteienvertreter hätten ihre Kanzleien in Wien, auch der Beklagte habe in Wien „Wurzeln“. Er betreibe hier eine „kleine Firma“, halte sich also regelmäßig in Wien auf. Alle in Betracht kommenden Zeugen wohnten in Wien und Umgebung, für allenfalls aus Deutschland anreisende Personen sei Wien leichter erreichbar als Kärnten. Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien verfüge über eine „breite Erfahrung mit Anlegerschäden“.
Die klagende Partei widersprach der Delegierung.
Das Bezirksgericht Spittal an der Drau sprach sich für die Delegierung aus.
Rechtliche Beurteilung
Die Delegierung ist nicht gerechtfertigt.
1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Nach ständiger Rechtsprechung soll eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046441). Es müssen besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, um eine Rechtssache gegen den Willen einer Partei dem zuständigen Gericht abzunehmen (RIS‑Justiz RS0046455). Für die Zweckmäßigkeit der Zuweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht ist vor allem der Wohnort der Parteien und der namhaft gemachten Zeugen maßgebend (RIS‑Justiz RS0046540).
2. Hier liegt der Wohnort des Beklagten im Sprengel des angerufenen Gerichts, Zeugen wurden weder von der klagenden noch von der beklagten Partei bisher namhaft gemacht. Auf den Wohnsitz allenfalls in Betracht kommender, aber noch gar nicht namhaft gemachter Zeugen ist jedoch ebensowenig abzustellen (2 Nc 10/11k mwN), wie auf den Kanzleisitz der Parteienvertreter (2 Nc 10/11k; 10 Nc 18/11w; 1 Nc 21/15a uva). Dass sich der Beklagte als Inhaber einer „kleinen Firma“ beruflich „regelmäßig“ in Wien aufhält, bedeutet nicht, dass die Wahrnehmung eines Verhandlungstermins beim Gericht seines Wohnsitzes für ihn mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden wäre. Auch die vermeintliche „breite Erfahrung“ des Wunschgerichts des Beklagten kommt als Zweckmäßigkeitskriterium nicht in Frage; davon abgesehen ist ein Anlegerschaden hier gar nicht Prozessgegenstand.
3. Umstände, die ein Abgehen von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung rechtfertigen würden, liegen somit nicht vor. Der Delegierungsantrag ist daher abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO. Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Prozessgegner dessen notwendige Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen, allerdings nur nach TP 2 RATG (4 Nc 18/15g; RIS‑Justiz RS0036025 [T1]). Da die Klägerin ihren Sitz in Deutschland hat, ist lediglich die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer (19 %) zuzusprechen (4 Ob 183/15p; RIS‑Justiz RS0114955).
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