OGH 26Ds2/17v

OGH26Ds2/17v28.11.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Hofmann sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. Juni 2016, GZ D 137/14‑23, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Kammeranwalts Dr. Meyenburg und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0260DS00002.17V.1128.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte ***** vom Vorwurf, er habe im Zeitraum September 2011 bis Mai 2014 im Zusammenhang mit dem zu AZ 6 Cg 97/10a beim Landesgericht Leoben geführten Amtshaftungsverfahren einen Verstoß gegen anwaltliche Standesregeln begangen, indem er eine Fülle von stets erfolglosen, nicht substantiierten Ablehnungsanträgen mit teilweise beleidigendem Inhalt gegen Richter einbrachte, nämlich

a) am 14. September 2011 unter einem mit einer Berufung und einem Rekurs gegen das Urteil und den Zurückweisungsbeschluss des Landesgerichts Leoben vom 11. August 2011, AZ *****, gegen die Richter des Landesgerichts ***** Mag. *****, Mag. ***** und Dr. *****;

b) am 10. Oktober 2011 gegen die Richter des Personalsenats in der Sache AZ ***** Dr. *****, Dr. ***** und Mag. *****, die den zu a) bezeichneten Ablehnungsantrag vom 14. September 2011 mit Beschluss vom 22. September 2011 zurückgewiesen hatten;

c) am 28. Oktober 2011 gegen die Richter Dr. *****, Dr. ***** und Mag. *****, die mit Beschluss vom 10. Oktober 2011 einen Antrag des Disziplinarbeschuldigten vom 29. September 2011 auf Übermittlung von Aktenteilen abgewiesen hatten;

d) am 3. Jänner 2012 gegen die Richter des Landesgerichts ***** Dr. *****, Dr. ***** und Dr. ***** in den Sachen AZ ***** und AZ ***** des Landesgerichts *****, in welchen die unter b) und c) bezeichneten Ablehnungsanträge mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 zurückgewiesen wurden;

e) am 25. Juli 2012 gegen die Richter des Rechtsmittelsenats ***** des Oberlandesgerichts ***** Dr. *****, Mag. ***** und Mag. ***** wegen der Entscheidungen zu AZ ***** und *****;

f) am 20. September 2012 gegen die Richter des Personalsenats in der Sache AZ *****, Dr. *****, Dr. ***** und Dr. *****, die den unter e) bezeichneten Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 27. August 2012 abgewiesen hatten;

g) am 26. Februar 2013 gegen die Richter der Rechtsmittelsenate ***** und ***** des Oberlandesgerichts *****, Dr. *****, Mag. *****, Mag. *****, Dr. *****, Dr. ***** und Dr. *****;

h) am 26. Februar 2013 gegen den Richter Dr. ***** als Vorsitzenden des Personalsenats in den Sachen AZ ***** und *****;

i) am 18. April 2013 gegen die im Verfahren AZ ***** tätig gewordenen Richter des Oberlandesgerichts ***** Dr. *****, Dr. ***** und Mag. *****, die den unter g) bezeichneten Ablehnungsantrag des Disziplinarbeschuldigten mit Beschluss vom 26. März 2013 abgewiesen hatten;

j) am 11. September 2013 gegen die Richter des Personalsenats in der Sache AZ *****, Dr. *****, Dr. ***** und Dr. *****;

k) am 7. November 2013 gegen die Richter des Personalsenats in der Sache AZ *****, Dr. *****, Mag. ***** und Mag. *****, die den Ablehnungsantrag des Disziplinarbeschuldigten zu h) mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 zurückgewiesen hatten;

l) am 21. Jänner 2014 gegen die Richter des Personalsenats in der Sache AZ ***** des Landesgerichts *****, Mag. *****, Dr. ***** und Mag. *****, die den Ablehnungsantrag des Disziplinarbeschuldigten zu k) mit Beschluss vom 4. Dezember 2013 zurückgewiesen hatten, wobei der Disziplinarbeschuldigte in demselben Antrag den Richter des Landesgerichts ***** Dr. ***** in den mit der Rechtssache zusammenhängenden Ablehnungssachen ablehnte;

m) am 30. April 2014 einen Eventual-Ablehnungsantrag im Verfahren AZ ***** des Oberlandesgerichts ***** für den Fall, dass dem unter einem erhobenen Abänderungsantrag, mit dem der Disziplinarbeschuldigte die ersatzlose Behebung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 27. Juni 2013, AZ 1 Ob 89/13i, sowie eine Entscheidung in der Sache selbst betreffend den zu AZ ***** des Oberlandesgerichts ***** gestellten Ablehnungsantrag vom 26. Februar 2013 anstrebt, nicht stattgegeben werden sollte, wobei der Disziplinarbeschuldigte in diesem Eventual-Ablehnungsantrag die an der Erlassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts ***** vom 13. Dezember 2013, AZ *****, beteiligten Richter Dr. *****, Dr. ***** und Dr. ***** ablehnte;

n) am 30. April 2014 eine Ablehnungsantrag-Ergänzung unter einem mit einem Fristsetzungsantrag und einem Eventual-Abänderungsantrag (§ 73 AußStrG) im Verfahren AZ ***** des Oberlandesgerichts *****, mit dem der Disziplinarbeschuldigte den Ablehnungsantrag vom 11. September 2013 (j) sowie vom 20. September 2012 (f) ergänzte;

o) am 30. April 2014 eine Ablehnungsantrag-Ergänzung unter einem mit einem Fristsetzungsantrag und einem Eventual-Abänderungsantrag (§ 73 AußStrG) im Verfahren AZ ***** des Oberlandesgerichts *****, mit dem der Disziplinarbeschuldigte den Ablehnungsantrag vom 18. April 2013 (i) ergänzte und am 27. Mai 2014 eine Ergänzung zu den Ablehnungsanträgen vom 25. Juli 2012 (AZ *****, vgl e) und vom 26. Februar 2013 (AZ *****) erstattete;

p) am 25. Juni 2014 unsubstantiiert einen weiteren Ablehnungsantrag in der Rechtssache AZ ***** des Oberlandesgerichts ***** gegen die Richter Dr. *****, Dr. ***** und Dr. *****;

q) am 25. April 2014 zu AZ ***** des Oberlandesgerichts ***** einen Rekurs gegen die Fortsetzung des unterbrochenen Berufungs‑ und Rekursverfahrens;

freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Freispruch richtet sich die Berufung des Kammeranwalts wegen Nichtigkeit (Z 9 lit a). Sie verfehlt ihr Ziel.

Gründet sich ein Freispruch auf die Annahme, dass ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei, und fehlen Feststellungen zu allen übrigen Tatbestandselementen, so ist unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, ein sekundärer Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen. Eine Nichtigkeitsbeschwerde, die dem nicht entspricht, ist unschlüssig und zu verwerfen (RIS‑Justiz RS0130018).

Die Berufung orientiert sich in Ansehung der beleidigenden Äußerungen prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz in WK‑StPO § 281 Rz 581 und 584) nicht an den diesbezüglich einem Schuldspruch entgegenstehenden– im Übrigen auch unbekämpft gebliebenen – Feststellungen des Disziplinarrats, wonach ein Verschulden des Disziplinarbeschuldigten nicht erkannt werden konnte (US 25 zweiter Absatz). Gründet ein Freispruch auf der Annahme, dass mehrere Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind und werden zu diesen hinreichende (negative) Feststellungen getroffen, ist es unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung erforderlich, alle die Tatbestandsverwirklichung ausschließenden (negativen) Konstatierungen – damit fallbezogen auch jenezur mangelnden subjektiven Tatseite des Disziplinarbeschuldigten – deutlich und bestimmt als mangelhaft begründet (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) oder unter Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 leg cit zu bekämpfen (RIS‑Justiz RS0127315 [T4]).

Die Begründung des Disziplinarrats zur (neben dem Vorwurf beleidigender Äußerungen nach den Einleitungsbeschlüssen allein verfahrensrelevanten [ON 10 und 19 jeweils S 1, ES 1]) konstatierten fehlenden Mutwilligkeit und (unter Ausklammerung der beleidigenden Inhalte) bejahten Sachlichkeit der Ablehnungsanträge bzw Rechtsmittel (ES 31 zweiter Absatz iVm ES 30 Mitte), nämlich dass der Disziplinarbeschuldigte seine durchaus umfangreichen Eingaben stets ausführlich begründet hätte, diese keine unvertretbaren Rechtsansichten enthielten und der Genannte beträchtliche Mühe aufgewendet hätte, um ein entsprechendes sachliches Substrat für seine (teils auch strafrechtlichen Vorwürfe gegen die einschreitenden Richterinnen und Richter umfassende) Rechtsmeinung zu formulieren (ES 25 erster Absatz, ES 30 Mitte), wird seitens des Beschwerdeführers im Ergebnis bloß unzulässig mit eigenen entgegenstehenden beweiswürdigenden Auffassungen und Erwägungen bekämpft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 450 f).

Der Berufung war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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