OGH 25Os7/14p

OGH25Os7/14p8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Dr. Fink sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weitere Richter in der Disziplinarsache gegen Dr. Christian P*****, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, über die Beschwerde der Kammeranwaltschaft gegen den Beschluss des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 18. April 2013, GZ D 6/11‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten fest, dass kein Grund zur disziplinären Behandlung des Rechtsanwalts Dr. Christian P***** wegen Berufspflichtenverletzung oder Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes hinsichtlich des Vorwurfs bestehe, er habe im Jahr 2008 Ingrid O***** im Auftrag von DI Peter W***** vertreten und an einem bedenklichen Rechtsgeschäft mitgewirkt, indem er seine Mandantin veranlasste, die in ihrem Auftrag erhobenen Rechtsmittel in dem bei der Gemeinde P***** anhängigen Bauverfahren ***** gegen Bezahlung von 68.000 Euro zurückzuziehen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die ‑ als „Vorstellung“ bezeichnete, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses begehrende ‑ Beschwerde der Kammeranwaltschaft; sie schlägt fehl.

Aufgrund des zu AZ ***** geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und der weiteren Erhebungen des Disziplinarrates ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Ingrid O***** beauftragte (über Vermittlung und im Interesse des Prokuristen der H***** & F***** GesmbH & Co KG, DI Peter W*****) den Disziplinarbeschuldigten mit ihrer Vertretung im Bauverfahren der bauwerbenden S***** I***** und Pr***** GesmbH, deren Bauprojekt sie (als Anrainerin) verhindern oder zumindest verzögern wollte. Im Zuge dieses Verfahrens vereinbarte Peter T***** als Geschäftsführer der Pu***** GesmbH, einer Tochtergesellschaft der Bauwerberin, mit dem Disziplinarbeschuldigten im Mai 2008, dass diese Gesellschaft bei Zurückziehung der von O***** eingebrachten Rechtsmittel eine Abschlagszahlung von 50.000 Euro zuzüglich 18.000 Euro als Ersatz der Kosten des Disziplinarbeschuldigten zahle. In der Folge überwies die Gesellschaft insgesamt 68.000 Euro an den Disziplinarbeschuldigten. Weil O***** nur 3.000 Euro für sich haben wollte, beauftragte sie den Disziplinarbeschuldigten, den Rest des Abgeltungsbetrags (47.000 Euro) an DI Peter W***** für die H***** & F***** GesmbH & Co KG auszuzahlen. Der Disziplinarbeschuldigte tat dies, vereinnahmte 18.000 Euro als Honorar und zog im Auftrag O*****s deren Rechtsmittel im Bauverfahren zurück. In weiterer Folge retournierte die H***** & F***** GesmbH & Co KG ohne Zutun des Disziplinarbeschuldigten die 47.000 Euro an die S***** I***** und Pr***** GesmbH.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt stellte das gegen den Disziplinarbeschuldigten wegen des Verdachts des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB geführte Ermittlungsverfahren am 29. Jänner 2010 gemäß § 190 Z 2 StPO ein.

Die Beschwerde behauptet, durch die Entgegennahme des „dem Rechtsgrund nach zweifelhaften Geldes“ sowie in der ‑ weil ohne Rechtsgrundlage - „bedenklichen Aufteilung des Geldes“ zwischen O***** und der „S***** I***** und Pr***** GesmbH“ (ersichtlich gemeint: der H***** & F***** GesmbH & Co KG) habe der Disziplinarbeschuldigte an einem „zweifelhaften Rechtsgeschäft“ mitgewirkt, wodurch er gegen § 9 RAO verstoßen habe. Welche Gesetzesverletzungen begangen worden seien, legt die Kammeranwaltschaft nicht dar.

Nach den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft und des Disziplinarrates wurde der Disziplinarbeschuldigte im Sinn der einerseits mit O***** und andererseits mit T***** getroffenen Treuhandvereinbarung tätig und bezahlte die Beträge wie vereinbart aus.

Die Bildung von Interessengemeinschaften zur Einbringung von Rechtsmitteln gegen ein Bauprojekt ist ebenso zulässig, wie die Vereinbarung auf Unterlassung oder Zurückziehung eines der Partei gesetzlich zustehenden Rechtsmittels. Eine solche Vereinbarung ist zulässig und deren Einhaltung prozessual erzwingbar (3 Ob 674/54). Zahlungen, die als Abgeltung für den Verzicht von Ansprüchen der Anrainer zur Realisierung eines Bauvorhabens erfolgen, sind nicht verboten.

Was die Aufteilung des Betrags anlangt, wird die aufgrund des Teilverzichts O*****s auf den übergebenen Betrag erfolgte Überlassung von 47.000 Euro an DI W***** für die H***** & F***** GesmbH & Co KG vom Auftrag der genannten Mandantin getragen.

Einen Einstellungsbeschluss darf der Disziplinarrat nur fassen, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründendes Verhalten des angezeigten Rechtsanwalts iSd § 28 Abs 2 DSt vorliegt (vgl AnwBl 1988, 697). Vom Fehlen eines solchen Verdachts ist ‑ im Licht des § 212 Z 2 StPO idF BGBl I 2004/19 (§ 77 Abs 3 DSt) ‑ auszugehen, wenn das vorliegende Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Diese Beurteilung ist Sache der Beweiswürdigung des Senats gemäß § 28 DSt, während dem erkennenden Senat gemäß § 30 DSt die Prüfung vorbehalten ist, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS‑Justiz RS0056973 [T5]).

Im vorliegenden Fall ist bei gegebener Sach- und Rechtslage eine Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten ebenso wenig zu erwarten wie eine Intensivierung des Verdachts durch weitere Ermittlungen.

Der unbegründeten Beschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ ein Erfolg zu versagen.

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