OGH 20Ns1/14y

OGH20Ns1/14y3.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzendem, Dr. Grassner und Dr. Haslinger als Anwaltsrichter und des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner als weiterem Richter, in der Disziplinarsache der Anzeige der Susanne Z***** gegen Dr. Josef H*****, Rechtsanwalt in Wels, nach Anhörung der Generalprokuratur über den Delegierungsantrag des Kammeranwalt‑Stellvertreters Mag. Herwig Kammler vom 15. Juli 2013 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Delegierungsantrag des Kammeranwalt‑Stellvertreters wird Folge gegeben. Die Akte K 66/13 der Kammeranwaltschaft der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer wird der Kammeranwaltschaft der Niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer und damit in die Zuständigkeit des Ausschusses dieser Kammer übertragen.

Text

Gründe:

Vom Kammeranwalt‑Stellvertreter vorliegend die von der Anzeigerin Susanne Z***** an den Kammeranwalt der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer gerichtete Disziplinaranzeige gegen Rechtsanwalt Dr. Josef H***** vom 28. Mai 2013 mit dem Antrag, die Anzeige gemäß § 25 DSt an die Niederösterreichische Rechtsanwaltskammer zu delegieren.

Zur Begründung wird auf den Gegenstand der Anzeige der Anzeigerin, Frau Susanne Z*****, mit Schreiben vom 28. 5. 2013 verwiesen. Danach habe Dr. H***** im ihr zugekommenen Schreiben vom 16. 5. 2013 („Besitzstörungsschreiben“) ausgeführt, in anwaltlicher Vertretung ihrer Schwester Frau Gabriele J***** (vormals St*****) tätig zu werden und dabei auch die Formulierung „Mandantin“ verwendet, dies obwohl nach Mitteilung ihrer Schwester kein Auftrag zu diesem Schreiben erteilt worden wäre und Dr. H***** ausschließlich von deren geschiedenen Gatten Dr. St***** (in dessen Vollmachtsnamen Dr. H***** dabei ebenso aufgetreten ist) Auftrag erhalten habe.

Aufgezeigt werden vom Kammeranwalt‑Stellvertreter die Ausführungen des Dr. H***** in seiner gemäß § 22 Abs 4 DSt eingeholten Stellungnahme dazu; so die seinem Schreiben vom 16. 5. 2013 zugrundeliegenden nachbarschaftlichen Gegebenheiten bei der von einem Wohnrecht seines Mandanten Dr. St***** betroffenen, im Eigentum dessen geschiedenen Gattin Gabriele J***** (vormals St*****) stehenden Liegenschaft, gegenüber der benachbarten Liegenschaft der Anzeigerin, und die im Schreiben im Zusammenhang mit Umbauten auf der Nachbarliegenschaft angesprochenen Unrechtmäßigkeiten in Form von Grenzzaunöffnungen, Beschädigung am Servitutsweg, sowie Benutzung einer Sprechanlage. Den Ausführungen des Dr. H***** entsprechend habe dieser seinem langjährigen Klienten und Bekannten Dr. St***** das Erfordernis einer Bevollmächtigung zum gewünschten Schreiben auch durch seine geschiedene Gattin ausdrücklich aufgezeigt. Dazu habe er die Mitteilung erhalten, dass von einer Genehmigung dazu auszugehen wäre, und habe er nach nochmaliger Zusendung seines Entwurfs vor Aussendung des Schreibens von Dr. St***** dann noch die Zusicherung erhalten, dass eine Genehmigung von Frau Gabriele J***** (vormals St*****) vorliege. Dieser zufolge und auch unter Bedacht auf die Verlässlichkeit und Umsicht seines langjährigen Klienten Dr. St***** habe er auf die Richtigkeit der erhaltenen Informationen vertrauen können und somit gutgläubig davon ausgehen können, dass ihm der Auftrag von beiden erteilt sei. Verwiesen wird auch auf die langjährige Funktion des Dr. H***** als Vizepräsident des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer.

Den Ausführungen des Kammeranwalt‑Stellvertreters ist dessen Ansicht zu erschließen, dass mangels einer Berufspflichtenverletzung oder Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes die Anzeige der Susanne Z***** gemäß § 22 Abs 2 DSt zurückzulegen und der Ausschuss davon, dieser Bestimmung gemäß, zu verständigen ist. Er zeigt dazu auf, dass eine derartige Zurücklegung der Anzeige mit Zustimmung des Ausschusses den Eindruck erwecken könnte, dass derartige Anzeigen nicht ordnungsgemäß erledigt werden, da es sich um eine Anzeige gegen den Vizepräsidenten des Disziplinarrates handelt Die Voraussetzungen einer Delegierung der Akte wegen anderer wichtiger Gründe im Sinne des § 25 Abs 1 DSt sieht der Kammeranwalt‑Stellvertreter dessenthalben vergleichbar dem Beschluss der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission zu 9 Bkd 2/11 vom 9. 8. 2011 als gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der nach § 25 Abs 1 DSt gestellte Antrag des Kammeranwalt‑Stellvertreters ist berechtigt.

Nach § 25 Abs 1 DSt kann die Durchführung eines Disziplinarverfahrens neben dem Fall einer Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats auch aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden. Nach der Judikatur der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission kommt diese Bestimmung zur Füllung einer ungewollten Gesetzeslücke sinngemäß auch dann zu tragen, wenn das Verfahren über eine vorliegende Disziplinaranzeige noch im Stadium vor der Entscheidung über das Erheben eines Verfolgungsantrags steht, um den Anschein einer Voreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Organe zu vermeiden und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu wahren. So etwa im Fall der geplanten Zurücklegung einer gegen den Ausschuss einer Rechtsanwaltskammer gerichteten Anzeige durch den Kammeranwalt, die damit gemäß § 22 Abs 2 DSt zu dessen Entscheidung über einen Verfolgungsantrag gegen sich selbst bzw seine Mitglieder führen würde. Die beantragte Übertragung der Akte an eine andere Rechtsanwaltskammer gemäß § 25 DSt entspricht in einem solchen Fall auch den Grundsätzen der Strafprozessordnung, die nach § 77 Abs 3 DSt bei in der DSt fehlenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind; dies unter Bedacht auf § 28 StPO, welche Bestimmung die Übertragung einer Strafsache schon im Ermittlungsstadium aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen durch die übergeordnete Verfolgungsbehörde vorsieht (RIS‑Justiz RS0123725), es aber im Disziplinarstatut an einer dem befangenen Ausschuss übergeordneten Verfolgungsbehörde fehlt.

Wenn der Kammeranwalt‑Stellvertreter nunmehr bei Behandlung der gegenständlichen Disziplinaranzeige der Susanne Z***** gegen den langjährigen Vizepräsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Dr. H***** der Ansicht ist, dass er aus den von ihm angeführten Gründen diese gemäß § 22 Abs 2 DSt zurückzulegen hat, zeigt er zu Recht das Vorliegen anderer wichtiger Gründe im Sinne des § 25 Abs 1 DSt vergleichbar dem Beschluss der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission zu 9 Bkd 2/11 und damit das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Delegierung auf. So hätte die Zurücklegung der Anzeige zufolge der Ausschuss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer über die Zurücklegung der Disziplinaranzeige gegen den langjährigen Vizepräsidenten seiner Kammer zu entscheiden. Bei dessen billigender Kenntnisnahme der Zurücklegung fehlte es an einer übergeordneten Verfolgungsbehörde mit einer dies kontrollierenden Entscheidungsbefugnis, und wäre damit der Anschein einer Befangenheit und eines Rechtsschutzdefizits zu besorgen. Zur Vermeidung dessen sind die Voraussetzungen für eine Delegierung der Anzeige gegen den langjährigen Vizepräsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer gegeben und entspricht dies etwa auch dem Beschluss der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission zu 16 Bkd 4/10, nach welchem im Fall einer Anzeige schon gegen ein langjähriges einfaches Mitglied des Disziplinarrats ein wichtiger Grund für eine Delegierung gesehen wurde. Um die gebotene Objektivität zu gewährleisten erweist sich die Delegierung der Akte in analoger Anwendung von § 25 Abs 1 DSt damit als notwendig.

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